einen Reisenden betrachte, der vielem entsagt, um vieles zu genießen. Ich bin an den Wechsel gewöhnt, ja er wird mir Bedürf¬ niß, wie man in der Oper immer wieder auf eine neue Decoration wartet, gerade weil schon so viele da gewesen. Was ich mir von dem besten und dem schlechtesten Wirths¬ hause versprechen darf, ist mir bekannt: es mag so gut oder schlimm seyn als es will, nirgends find' ich das Gewohnte, und am Ende läuft es auf Eins hinaus, ganz von einer nothwendigen Gewohnheit, oder ganz von der willkührlichsten Zufälligkeit abzuhan¬ gen. Wenigstens habe ich jetzt nicht den Verdruß, daß etwas verlegt oder verloren ist, daß mir ein tägliches Wohnzimmer un¬ brauchbar wird, weil ich es muß repariren lassen, daß man mir eine liebe Tasse zer¬ bricht und es mir eine ganze Zeit aus keiner andern schmecken will. Alles dessen bin ich überhoben, und wenn mir das Haus über dem Kopf zu brennen anfängt, so packen
einen Reiſenden betrachte, der vielem entſagt, um vieles zu genießen. Ich bin an den Wechſel gewoͤhnt, ja er wird mir Beduͤrf¬ niß, wie man in der Oper immer wieder auf eine neue Decoration wartet, gerade weil ſchon ſo viele da geweſen. Was ich mir von dem beſten und dem ſchlechteſten Wirths¬ hauſe verſprechen darf, iſt mir bekannt: es mag ſo gut oder ſchlimm ſeyn als es will, nirgends find' ich das Gewohnte, und am Ende laͤuft es auf Eins hinaus, ganz von einer nothwendigen Gewohnheit, oder ganz von der willkuͤhrlichſten Zufaͤlligkeit abzuhan¬ gen. Wenigſtens habe ich jetzt nicht den Verdruß, daß etwas verlegt oder verloren iſt, daß mir ein taͤgliches Wohnzimmer un¬ brauchbar wird, weil ich es muß repariren laſſen, daß man mir eine liebe Taſſe zer¬ bricht und es mir eine ganze Zeit aus keiner andern ſchmecken will. Alles deſſen bin ich uͤberhoben, und wenn mir das Haus uͤber dem Kopf zu brennen anfaͤngt, ſo packen
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einen Reiſenden betrachte, der vielem entſagt,
um vieles zu genießen. Ich bin an den
Wechſel gewoͤhnt, ja er wird mir Beduͤrf¬
niß, wie man in der Oper immer wieder auf
eine neue Decoration wartet, gerade weil
ſchon ſo viele da geweſen. Was ich mir
von dem beſten und dem ſchlechteſten Wirths¬
hauſe verſprechen darf, iſt mir bekannt: es
mag ſo gut oder ſchlimm ſeyn als es will,
nirgends find' ich das Gewohnte, und am
Ende laͤuft es auf Eins hinaus, ganz von
einer nothwendigen Gewohnheit, oder ganz
von der willkuͤhrlichſten Zufaͤlligkeit abzuhan¬
gen. Wenigſtens habe ich jetzt nicht den
Verdruß, daß etwas verlegt oder verloren
iſt, daß mir ein taͤgliches Wohnzimmer un¬
brauchbar wird, weil ich es muß repariren
laſſen, daß man mir eine liebe Taſſe zer¬
bricht und es mir eine ganze Zeit aus keiner
andern ſchmecken will. Alles deſſen bin ich
uͤberhoben, und wenn mir das Haus uͤber
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/195>, abgerufen am 24.11.2024.
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