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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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heißer Tageszeit in den untern Räumen ver¬
sammelt, um sich an Geistes- und Glücks¬
spielen zu ergetzen. Der junge Wirth, der
niemals unthätig bleiben konnte, hatte sich
ans Steuer gesetzt, den alten Schiffsmeister
abzulösen, der an seiner Seite eingeschlafen
war; und eben brauchte der Wachende alle
seine Vorsicht, da er sich einer Stelle nahte,
wo zwey Inseln das Flußbette verengten und
indem sie ihre flachen Kiesufer, bald an der
einen bald an der andern Seite hereinstreck¬
ten, ein gefährliches Fahrwasser zubereiteten.
Fast war der sorgsame und scharfblickende
Steurer in Versuchung den Meister zu wecken,
aber er getraute sich's zu und fuhr gegen die
Enge. In dem Augenblick erschien auf dem
Verdeck seine schöne Feindinn mit einem Blu¬
menkranz in den Haaren. Sie nahm ihn ab
und warf ihn auf den Steuernden. Nimm
dieß zum Andenken! rief sie aus. Störe mich
nicht! rief er ihr entgegen, indem er den Kranz
auffing: ich bedarf aller meiner Kräfte und

II. 14

heißer Tageszeit in den untern Raͤumen ver¬
ſammelt, um ſich an Geiſtes- und Gluͤcks¬
ſpielen zu ergetzen. Der junge Wirth, der
niemals unthaͤtig bleiben konnte, hatte ſich
ans Steuer geſetzt, den alten Schiffsmeiſter
abzuloͤſen, der an ſeiner Seite eingeſchlafen
war; und eben brauchte der Wachende alle
ſeine Vorſicht, da er ſich einer Stelle nahte,
wo zwey Inſeln das Flußbette verengten und
indem ſie ihre flachen Kiesufer, bald an der
einen bald an der andern Seite hereinſtreck¬
ten, ein gefaͤhrliches Fahrwaſſer zubereiteten.
Faſt war der ſorgſame und ſcharfblickende
Steurer in Verſuchung den Meiſter zu wecken,
aber er getraute ſich's zu und fuhr gegen die
Enge. In dem Augenblick erſchien auf dem
Verdeck ſeine ſchoͤne Feindinn mit einem Blu¬
menkranz in den Haaren. Sie nahm ihn ab
und warf ihn auf den Steuernden. Nimm
dieß zum Andenken! rief ſie aus. Stoͤre mich
nicht! rief er ihr entgegen, indem er den Kranz
auffing: ich bedarf aller meiner Kraͤfte und

II. 14
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[209/0212] heißer Tageszeit in den untern Raͤumen ver¬ ſammelt, um ſich an Geiſtes- und Gluͤcks¬ ſpielen zu ergetzen. Der junge Wirth, der niemals unthaͤtig bleiben konnte, hatte ſich ans Steuer geſetzt, den alten Schiffsmeiſter abzuloͤſen, der an ſeiner Seite eingeſchlafen war; und eben brauchte der Wachende alle ſeine Vorſicht, da er ſich einer Stelle nahte, wo zwey Inſeln das Flußbette verengten und indem ſie ihre flachen Kiesufer, bald an der einen bald an der andern Seite hereinſtreck¬ ten, ein gefaͤhrliches Fahrwaſſer zubereiteten. Faſt war der ſorgſame und ſcharfblickende Steurer in Verſuchung den Meiſter zu wecken, aber er getraute ſich's zu und fuhr gegen die Enge. In dem Augenblick erſchien auf dem Verdeck ſeine ſchoͤne Feindinn mit einem Blu¬ menkranz in den Haaren. Sie nahm ihn ab und warf ihn auf den Steuernden. Nimm dieß zum Andenken! rief ſie aus. Stoͤre mich nicht! rief er ihr entgegen, indem er den Kranz auffing: ich bedarf aller meiner Kraͤfte und II. 14

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/212>, abgerufen am 24.11.2024.