tragen, ohne daß irgend etwas Gutes, etwas Heiteres daraus entspränge? Würde der glückli¬ che Zustand in dem du dich befindest, dir wohl Freude machen, wenn du gehindert wärst, mich zu besuchen, mit mir zu leben? Und nach dem was vorgegangen ist, würde es doch immer peinlich seyn. Charlotte und ich würden mit allem unserm Vermögen uns nur in einer traurigen Lage befinden. Und wenn du mit andern Weltmenschen glauben magst, daß Jahre, daß Entfernung solche Empfin¬ dungen abstumpfen, so tief eingegrabene Züge auslöschen; so ist ja eben von diesen Jahren die Rede, die man nicht in Schmerz und Entbehren sondern in Freude und Behagen zubringen will. Und nun zuletzt noch das Wichtigste auszusprechen: wenn wir auch, un¬ serm äußern und innern Zustande nach, das allenfalls abwarten könnten, was soll aus Ottilien werden, die unser Haus verlassen, in der Gesellschaft unserer Vorsorge entbehren und sich in der verruchten kalten Welt jäm¬
tragen, ohne daß irgend etwas Gutes, etwas Heiteres daraus entſpraͤnge? Wuͤrde der gluͤckli¬ che Zuſtand in dem du dich befindeſt, dir wohl Freude machen, wenn du gehindert waͤrſt, mich zu beſuchen, mit mir zu leben? Und nach dem was vorgegangen iſt, wuͤrde es doch immer peinlich ſeyn. Charlotte und ich wuͤrden mit allem unſerm Vermoͤgen uns nur in einer traurigen Lage befinden. Und wenn du mit andern Weltmenſchen glauben magſt, daß Jahre, daß Entfernung ſolche Empfin¬ dungen abſtumpfen, ſo tief eingegrabene Zuͤge ausloͤſchen; ſo iſt ja eben von dieſen Jahren die Rede, die man nicht in Schmerz und Entbehren ſondern in Freude und Behagen zubringen will. Und nun zuletzt noch das Wichtigſte auszuſprechen: wenn wir auch, un¬ ſerm aͤußern und innern Zuſtande nach, das allenfalls abwarten koͤnnten, was ſoll aus Ottilien werden, die unſer Haus verlaſſen, in der Geſellſchaft unſerer Vorſorge entbehren und ſich in der verruchten kalten Welt jaͤm¬
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tragen, ohne daß irgend etwas Gutes, etwas
Heiteres daraus entſpraͤnge? Wuͤrde der gluͤckli¬
che Zuſtand in dem du dich befindeſt, dir wohl
Freude machen, wenn du gehindert waͤrſt,
mich zu beſuchen, mit mir zu leben? Und
nach dem was vorgegangen iſt, wuͤrde es
doch immer peinlich ſeyn. Charlotte und ich
wuͤrden mit allem unſerm Vermoͤgen uns nur
in einer traurigen Lage befinden. Und wenn
du mit andern Weltmenſchen glauben magſt,
daß Jahre, daß Entfernung ſolche Empfin¬
dungen abſtumpfen, ſo tief eingegrabene Zuͤge
ausloͤſchen; ſo iſt ja eben von dieſen Jahren
die Rede, die man nicht in Schmerz und
Entbehren ſondern in Freude und Behagen
zubringen will. Und nun zuletzt noch das
Wichtigſte auszuſprechen: wenn wir auch, un¬
ſerm aͤußern und innern Zuſtande nach, das
allenfalls abwarten koͤnnten, was ſoll aus
Ottilien werden, die unſer Haus verlaſſen, in
der Geſellſchaft unſerer Vorſorge entbehren
und ſich in der verruchten kalten Welt jaͤm¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/243>, abgerufen am 21.11.2024.
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