Wenn sich in einem glücklichen friedlichen Zusammenleben Verwandte, Freunde, Haus¬ genossen, mehr als nöthig und billig ist, von dem unterhalten was geschieht oder geschehen soll; wenn sie sich einander ihre Vorsätze, Unter¬ nehmungen, Beschäftigungen wiederhohlt mit¬ theilen, und ohne gerade wechselseitigen Rath anzunehmen, doch immer das ganze Leben gleich¬ sam rathschlagend behandeln: so findet man dagegen, in wichtigen Momenten, eben da wo es scheinen sollte, der Mensch bedürfe frem¬ den Beystandes, fremder Bestätigung am al¬ lermeisten, daß sich die einzelnen auf sich selbst zurückziehen, jedes für sich zu handeln, jedes auf seine Weise zu wirken strebt, und indem
Funfzehntes Kapitel.
Wenn ſich in einem gluͤcklichen friedlichen Zuſammenleben Verwandte, Freunde, Haus¬ genoſſen, mehr als noͤthig und billig iſt, von dem unterhalten was geſchieht oder geſchehen ſoll; wenn ſie ſich einander ihre Vorſaͤtze, Unter¬ nehmungen, Beſchaͤftigungen wiederhohlt mit¬ theilen, und ohne gerade wechſelſeitigen Rath anzunehmen, doch immer das ganze Leben gleich¬ ſam rathſchlagend behandeln: ſo findet man dagegen, in wichtigen Momenten, eben da wo es ſcheinen ſollte, der Menſch beduͤrfe frem¬ den Beyſtandes, fremder Beſtaͤtigung am al¬ lermeiſten, daß ſich die einzelnen auf ſich ſelbſt zuruͤckziehen, jedes fuͤr ſich zu handeln, jedes auf ſeine Weiſe zu wirken ſtrebt, und indem
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[[271]/0274]
Funfzehntes Kapitel.
Wenn ſich in einem gluͤcklichen friedlichen
Zuſammenleben Verwandte, Freunde, Haus¬
genoſſen, mehr als noͤthig und billig iſt, von
dem unterhalten was geſchieht oder geſchehen
ſoll; wenn ſie ſich einander ihre Vorſaͤtze, Unter¬
nehmungen, Beſchaͤftigungen wiederhohlt mit¬
theilen, und ohne gerade wechſelſeitigen Rath
anzunehmen, doch immer das ganze Leben gleich¬
ſam rathſchlagend behandeln: ſo findet man
dagegen, in wichtigen Momenten, eben da
wo es ſcheinen ſollte, der Menſch beduͤrfe frem¬
den Beyſtandes, fremder Beſtaͤtigung am al¬
lermeiſten, daß ſich die einzelnen auf ſich ſelbſt
zuruͤckziehen, jedes fuͤr ſich zu handeln, jedes
auf ſeine Weiſe zu wirken ſtrebt, und indem
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. [271]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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