sehr, so soll es mir glücken. An jenem Orte will ich mich erinnern, wie manche Prüfun¬ gen ich ausgestanden, und wie klein, wie nich¬ tig sie waren gegen die, die ich nachher er¬ fahren mußte. Wie heiter werde ich die Ver¬ legenheiten der jungen Aufschößlinge betrach¬ ten, bey ihren kindlichen Schmerzen lächeln und sie mit leiser Hand aus allen kleinen Ver¬ irrungen herausführen. Der Glückliche ist nicht geeignet Glücklichen vorzustehen: es liegt in der menschlichen Natur, immer mehr von sich und von andern zu fordern je mehr man empfangen hat. Nur der Unglückliche der sich erhohlt, weiß für sich und andre das Gefühl zu nähren, daß auch ein mäßiges Gute mit Entzücken genossen werden soll.
Laß mich gegen deinen Vorsatz, sagte Char¬ lotte zuletzt nach einigem Bedenken, noch ei¬ nen Einwurf anführen, der mir der wichtigste scheint. Es ist nicht von dir, es ist von ei¬ nem Dritten die Rede. Die Gesinnungen
ſehr, ſo ſoll es mir gluͤcken. An jenem Orte will ich mich erinnern, wie manche Pruͤfun¬ gen ich ausgeſtanden, und wie klein, wie nich¬ tig ſie waren gegen die, die ich nachher er¬ fahren mußte. Wie heiter werde ich die Ver¬ legenheiten der jungen Aufſchoͤßlinge betrach¬ ten, bey ihren kindlichen Schmerzen laͤcheln und ſie mit leiſer Hand aus allen kleinen Ver¬ irrungen herausfuͤhren. Der Gluͤckliche iſt nicht geeignet Gluͤcklichen vorzuſtehen: es liegt in der menſchlichen Natur, immer mehr von ſich und von andern zu fordern je mehr man empfangen hat. Nur der Ungluͤckliche der ſich erhohlt, weiß fuͤr ſich und andre das Gefuͤhl zu naͤhren, daß auch ein maͤßiges Gute mit Entzuͤcken genoſſen werden ſoll.
Laß mich gegen deinen Vorſatz, ſagte Char¬ lotte zuletzt nach einigem Bedenken, noch ei¬ nen Einwurf anfuͤhren, der mir der wichtigſte ſcheint. Es iſt nicht von dir, es iſt von ei¬ nem Dritten die Rede. Die Geſinnungen
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ſehr, ſo ſoll es mir gluͤcken. An jenem Orte
will ich mich erinnern, wie manche Pruͤfun¬
gen ich ausgeſtanden, und wie klein, wie nich¬
tig ſie waren gegen die, die ich nachher er¬
fahren mußte. Wie heiter werde ich die Ver¬
legenheiten der jungen Aufſchoͤßlinge betrach¬
ten, bey ihren kindlichen Schmerzen laͤcheln
und ſie mit leiſer Hand aus allen kleinen Ver¬
irrungen herausfuͤhren. Der Gluͤckliche iſt
nicht geeignet Gluͤcklichen vorzuſtehen: es liegt
in der menſchlichen Natur, immer mehr von
ſich und von andern zu fordern je mehr man
empfangen hat. Nur der Ungluͤckliche der ſich
erhohlt, weiß fuͤr ſich und andre das Gefuͤhl
zu naͤhren, daß auch ein maͤßiges Gute mit
Entzuͤcken genoſſen werden ſoll.
Laß mich gegen deinen Vorſatz, ſagte Char¬
lotte zuletzt nach einigem Bedenken, noch ei¬
nen Einwurf anfuͤhren, der mir der wichtigſte
ſcheint. Es iſt nicht von dir, es iſt von ei¬
nem Dritten die Rede. Die Geſinnungen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/283>, abgerufen am 24.11.2024.
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