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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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seyn? O du erzeigst uns allen eine große
Wohlthat und mir eine überschwängliche.

Laß mich dich wiedersehen, dich mit
Freuden wiedersehen. Laß mich die schöne
Frage mündlich thun, und beantworte sie mir
mit deinem schönen Selbst. An meine Brust,
Ottilie! hieher, wo du manchmal geruht
hast und wo du immer hingehörst! --

Indem er schrieb, ergriff ihn das Gefühl,
sein Höchstersehntes nahe sich, es werde nun
gleich gegenwärtig seyn. Zu dieser Thüre
wird sie hereintreten, diesen Brief wird sie
lesen, wirklich wird sie wie sonst vor mir da¬
stehen, deren Erscheinung ich mir so oft her¬
beysehnte. Wird sie noch dieselbe seyn? Hat
sich ihre Gestalt, haben sich ihre Gesinnungen
verändert? Er hielt die Feder noch in der
Hand, er wollte schreiben wie er dachte; aber
der Wagen rollte in den Hof. Mit flüchti¬

ſeyn? O du erzeigſt uns allen eine große
Wohlthat und mir eine uͤberſchwaͤngliche.

Laß mich dich wiederſehen, dich mit
Freuden wiederſehen. Laß mich die ſchoͤne
Frage muͤndlich thun, und beantworte ſie mir
mit deinem ſchoͤnen Selbſt. An meine Bruſt,
Ottilie! hieher, wo du manchmal geruht
haſt und wo du immer hingehoͤrſt! —

Indem er ſchrieb, ergriff ihn das Gefuͤhl,
ſein Hoͤchſterſehntes nahe ſich, es werde nun
gleich gegenwaͤrtig ſeyn. Zu dieſer Thuͤre
wird ſie hereintreten, dieſen Brief wird ſie
leſen, wirklich wird ſie wie ſonſt vor mir da¬
ſtehen, deren Erſcheinung ich mir ſo oft her¬
beyſehnte. Wird ſie noch dieſelbe ſeyn? Hat
ſich ihre Geſtalt, haben ſich ihre Geſinnungen
veraͤndert? Er hielt die Feder noch in der
Hand, er wollte ſchreiben wie er dachte; aber
der Wagen rollte in den Hof. Mit fluͤchti¬

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[294/0297] ſeyn? O du erzeigſt uns allen eine große Wohlthat und mir eine uͤberſchwaͤngliche. Laß mich dich wiederſehen, dich mit Freuden wiederſehen. Laß mich die ſchoͤne Frage muͤndlich thun, und beantworte ſie mir mit deinem ſchoͤnen Selbſt. An meine Bruſt, Ottilie! hieher, wo du manchmal geruht haſt und wo du immer hingehoͤrſt! — Indem er ſchrieb, ergriff ihn das Gefuͤhl, ſein Hoͤchſterſehntes nahe ſich, es werde nun gleich gegenwaͤrtig ſeyn. Zu dieſer Thuͤre wird ſie hereintreten, dieſen Brief wird ſie leſen, wirklich wird ſie wie ſonſt vor mir da¬ ſtehen, deren Erſcheinung ich mir ſo oft her¬ beyſehnte. Wird ſie noch dieſelbe ſeyn? Hat ſich ihre Geſtalt, haben ſich ihre Geſinnungen veraͤndert? Er hielt die Feder noch in der Hand, er wollte ſchreiben wie er dachte; aber der Wagen rollte in den Hof. Mit fluͤchti¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/297>, abgerufen am 24.11.2024.