Der Major und Mittler kamen heran, sie fanden Charlotten thätig in Gesellschaft des Arztes. Das bleiche himmlische Kind saß, sich selbst bewußt wie es schien, in der Ecke des Sophas. Man bittet sie sich niederzule¬ gen; sie verweigert's, winkt aber daß man das Köfferchen herbeybringe. Sie setzt ihre Füße darauf und findet sich in einer halb lie¬ genden bequemen Stellung. Sie scheint Ab¬ schied nehmen zu wollen, ihre Gebärden drücken den Umstehenden die zarteste Anhäng¬ lichkeit aus, Liebe, Dankbarkeit, Abbitte und das herzlichste Lebewohl.
Eduard der vom Pferde steigt, vernimmt den Zustand, er stürzt in das Zimmer, er wirft sich an ihre Seite nieder, faßt ihre Hand und überschwemmt sie mit stummen Thränen. So bleibt er lange. Endlich ruft er aus: Soll ich deine Stimme nicht wieder¬ hören? wirst du nicht mit einem Wort für mich ins Leben zurückkehren? Gut, gut! ich
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Der Major und Mittler kamen heran, ſie fanden Charlotten thaͤtig in Geſellſchaft des Arztes. Das bleiche himmliſche Kind ſaß, ſich ſelbſt bewußt wie es ſchien, in der Ecke des Sophas. Man bittet ſie ſich niederzule¬ gen; ſie verweigert's, winkt aber daß man das Koͤfferchen herbeybringe. Sie ſetzt ihre Fuͤße darauf und findet ſich in einer halb lie¬ genden bequemen Stellung. Sie ſcheint Ab¬ ſchied nehmen zu wollen, ihre Gebaͤrden druͤcken den Umſtehenden die zarteſte Anhaͤng¬ lichkeit aus, Liebe, Dankbarkeit, Abbitte und das herzlichſte Lebewohl.
Eduard der vom Pferde ſteigt, vernimmt den Zuſtand, er ſtuͤrzt in das Zimmer, er wirft ſich an ihre Seite nieder, faßt ihre Hand und uͤberſchwemmt ſie mit ſtummen Thraͤnen. So bleibt er lange. Endlich ruft er aus: Soll ich deine Stimme nicht wieder¬ hoͤren? wirſt du nicht mit einem Wort fuͤr mich ins Leben zuruͤckkehren? Gut, gut! ich
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Der Major und Mittler kamen heran, ſie
fanden Charlotten thaͤtig in Geſellſchaft des
Arztes. Das bleiche himmliſche Kind ſaß,
ſich ſelbſt bewußt wie es ſchien, in der Ecke
des Sophas. Man bittet ſie ſich niederzule¬
gen; ſie verweigert's, winkt aber daß man
das Koͤfferchen herbeybringe. Sie ſetzt ihre
Fuͤße darauf und findet ſich in einer halb lie¬
genden bequemen Stellung. Sie ſcheint Ab¬
ſchied nehmen zu wollen, ihre Gebaͤrden
druͤcken den Umſtehenden die zarteſte Anhaͤng¬
lichkeit aus, Liebe, Dankbarkeit, Abbitte und
das herzlichſte Lebewohl.
Eduard der vom Pferde ſteigt, vernimmt
den Zuſtand, er ſtuͤrzt in das Zimmer, er
wirft ſich an ihre Seite nieder, faßt ihre
Hand und uͤberſchwemmt ſie mit ſtummen
Thraͤnen. So bleibt er lange. Endlich ruft
er aus: Soll ich deine Stimme nicht wieder¬
hoͤren? wirſt du nicht mit einem Wort fuͤr
mich ins Leben zuruͤckkehren? Gut, gut! ich
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/326>, abgerufen am 24.11.2024.
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