Umhergedrängt stand die Menge; sie wa¬ ren erstaunt, sie horchten und sahen hin und wieder, und kaum wußte Jemand was er beginnen sollte. Tragt sie nun zur Ruhe! sagte das Mädchen: sie hat das Ihrige ge¬ than und gelitten, und kann nicht mehr unter uns wohnen. Die Baare bewegte sich weiter, Nanny folgte zuerst und man gelangte zur Kirche, zur Capelle.
So stand nun der Sarg Ottiliens, zu ihren Häupten der Sarg des Kindes, zu ih¬ ren Füßen das Köfferchen, in ein starkes eichenes Behältniß eingeschlossen. Man hatte für eine Wächterinn gesorgt, welche in der ersten Zeit des Leichnams wahrnehmen sollte, der unter seiner Glasdecke gar liebenswürdig dalag. Aber Nanny wollte sich dieses Amt nicht nehmen lassen; sie wollte allein, ohne
hen, und Niemand kann mir mehr etwas anhaben.
Umhergedraͤngt ſtand die Menge; ſie wa¬ ren erſtaunt, ſie horchten und ſahen hin und wieder, und kaum wußte Jemand was er beginnen ſollte. Tragt ſie nun zur Ruhe! ſagte das Maͤdchen: ſie hat das Ihrige ge¬ than und gelitten, und kann nicht mehr unter uns wohnen. Die Baare bewegte ſich weiter, Nanny folgte zuerſt und man gelangte zur Kirche, zur Capelle.
So ſtand nun der Sarg Ottiliens, zu ihren Haͤupten der Sarg des Kindes, zu ih¬ ren Fuͤßen das Koͤfferchen, in ein ſtarkes eichenes Behaͤltniß eingeſchloſſen. Man hatte fuͤr eine Waͤchterinn geſorgt, welche in der erſten Zeit des Leichnams wahrnehmen ſollte, der unter ſeiner Glasdecke gar liebenswuͤrdig dalag. Aber Nanny wollte ſich dieſes Amt nicht nehmen laſſen; ſie wollte allein, ohne
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0333"n="330"/>
hen, und Niemand kann mir mehr etwas<lb/>
anhaben.</p><lb/><p>Umhergedraͤngt ſtand die Menge; ſie wa¬<lb/>
ren erſtaunt, ſie horchten und ſahen hin und<lb/>
wieder, und kaum wußte Jemand was er<lb/>
beginnen ſollte. Tragt ſie nun zur Ruhe!<lb/>ſagte das Maͤdchen: ſie hat das Ihrige ge¬<lb/>
than und gelitten, und kann nicht mehr unter<lb/>
uns wohnen. Die Baare bewegte ſich weiter,<lb/>
Nanny folgte zuerſt und man gelangte zur<lb/>
Kirche, zur Capelle.</p><lb/><p>So ſtand nun der Sarg Ottiliens, zu<lb/>
ihren Haͤupten der Sarg des Kindes, zu ih¬<lb/>
ren Fuͤßen das Koͤfferchen, in ein ſtarkes<lb/>
eichenes Behaͤltniß eingeſchloſſen. Man hatte<lb/>
fuͤr eine Waͤchterinn geſorgt, welche in der<lb/>
erſten Zeit des Leichnams wahrnehmen ſollte,<lb/>
der unter ſeiner Glasdecke gar liebenswuͤrdig<lb/>
dalag. Aber Nanny wollte ſich dieſes Amt<lb/>
nicht nehmen laſſen; ſie wollte allein, ohne<lb/></p></div></body></text></TEI>
[330/0333]
hen, und Niemand kann mir mehr etwas
anhaben.
Umhergedraͤngt ſtand die Menge; ſie wa¬
ren erſtaunt, ſie horchten und ſahen hin und
wieder, und kaum wußte Jemand was er
beginnen ſollte. Tragt ſie nun zur Ruhe!
ſagte das Maͤdchen: ſie hat das Ihrige ge¬
than und gelitten, und kann nicht mehr unter
uns wohnen. Die Baare bewegte ſich weiter,
Nanny folgte zuerſt und man gelangte zur
Kirche, zur Capelle.
So ſtand nun der Sarg Ottiliens, zu
ihren Haͤupten der Sarg des Kindes, zu ih¬
ren Fuͤßen das Koͤfferchen, in ein ſtarkes
eichenes Behaͤltniß eingeſchloſſen. Man hatte
fuͤr eine Waͤchterinn geſorgt, welche in der
erſten Zeit des Leichnams wahrnehmen ſollte,
der unter ſeiner Glasdecke gar liebenswuͤrdig
dalag. Aber Nanny wollte ſich dieſes Amt
nicht nehmen laſſen; ſie wollte allein, ohne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/333>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.