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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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suchte, sie heiter und getrosten Muthes. Er
war auf mancherley Verirrungen gefaßt; er
dachte schon, sie werde ihm von nächtlichen
Unterredungen mit Ottilien und von andern
solchen Erscheinungen sprechen: aber sie war
natürlich, ruhig und sich völlig selbstbewußt.
Sie erinnerte sich vollkommen aller früheren
Zeiten, aller Zustände mit großer Genauig¬
keit, und nichts in ihren Reden schritt aus
dem gewöhnlichen Gange des Wahren und
Wirklichen heraus, als nur die Begebenheit
beym Leichenbegängniß, die sie mit Freudig¬
keit oft wiederhohlte: wie Ottilie sich aufge¬
richtet, sie gesegnet, ihr verziehen, und sie
dadurch für immer beruhigt habe.

Der fortdauernd schöne, mehr schlaf- als
todähnliche Zustand Ottiliens zog mehrere
Menschen herbey. Die Bewohner und An¬
wohner wollten sie noch sehen, und Jeder
mochte gern aus Nanny's Munde das Un¬
glaubliche hören; manche um darüber zu spot¬

ſuchte, ſie heiter und getroſten Muthes. Er
war auf mancherley Verirrungen gefaßt; er
dachte ſchon, ſie werde ihm von naͤchtlichen
Unterredungen mit Ottilien und von andern
ſolchen Erſcheinungen ſprechen: aber ſie war
natuͤrlich, ruhig und ſich voͤllig ſelbſtbewußt.
Sie erinnerte ſich vollkommen aller fruͤheren
Zeiten, aller Zuſtaͤnde mit großer Genauig¬
keit, und nichts in ihren Reden ſchritt aus
dem gewoͤhnlichen Gange des Wahren und
Wirklichen heraus, als nur die Begebenheit
beym Leichenbegaͤngniß, die ſie mit Freudig¬
keit oft wiederhohlte: wie Ottilie ſich aufge¬
richtet, ſie geſegnet, ihr verziehen, und ſie
dadurch fuͤr immer beruhigt habe.

Der fortdauernd ſchoͤne, mehr ſchlaf- als
todaͤhnliche Zuſtand Ottiliens zog mehrere
Menſchen herbey. Die Bewohner und An¬
wohner wollten ſie noch ſehen, und Jeder
mochte gern aus Nanny's Munde das Un¬
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[334/0337] ſuchte, ſie heiter und getroſten Muthes. Er war auf mancherley Verirrungen gefaßt; er dachte ſchon, ſie werde ihm von naͤchtlichen Unterredungen mit Ottilien und von andern ſolchen Erſcheinungen ſprechen: aber ſie war natuͤrlich, ruhig und ſich voͤllig ſelbſtbewußt. Sie erinnerte ſich vollkommen aller fruͤheren Zeiten, aller Zuſtaͤnde mit großer Genauig¬ keit, und nichts in ihren Reden ſchritt aus dem gewoͤhnlichen Gange des Wahren und Wirklichen heraus, als nur die Begebenheit beym Leichenbegaͤngniß, die ſie mit Freudig¬ keit oft wiederhohlte: wie Ottilie ſich aufge¬ richtet, ſie geſegnet, ihr verziehen, und ſie dadurch fuͤr immer beruhigt habe. Der fortdauernd ſchoͤne, mehr ſchlaf- als todaͤhnliche Zuſtand Ottiliens zog mehrere Menſchen herbey. Die Bewohner und An¬ wohner wollten ſie noch ſehen, und Jeder mochte gern aus Nanny's Munde das Un¬ glaubliche hoͤren; manche um daruͤber zu ſpot¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/337>, abgerufen am 21.11.2024.