Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.deren größte Wirkung er nicht mitgenießt. "Eine Vorstellung der alten Völker ist deren groͤßte Wirkung er nicht mitgenießt. „Eine Vorſtellung der alten Voͤlker iſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0046" n="43"/> deren groͤßte Wirkung er nicht mitgenießt.<lb/> In den Tempeln zieht er eine Graͤnze zwi¬<lb/> ſchen ſich und dem Allerheiligſten; er darf die<lb/> Stufen nicht mehr betreten, die er zur Herz<lb/> erhebenden Feyerlichkeit gruͤndete, ſo wie der<lb/> Goldſchmid die Monſtranz nur von fern an¬<lb/> betet, deren Schmelz und Edelſteine er zu¬<lb/> ſammengeordnet hat. Dem Reichen uͤbergiebt<lb/> der Baumeiſter mit dem Schluͤſſel des Palla¬<lb/> ſtes alle Bequemlichkeit und Behaͤbigkeit, ohne<lb/> irgend etwas davon mitzugenießen. Muß ſich<lb/> nicht allgemach auf dieſe Weiſe die Kunſt von<lb/> dem Kuͤnſtler entfernen, wenn das Werk, wie<lb/> ein ausgeſtattetes Kind, nicht mehr auf den<lb/> Vater zuruͤckwirkt? und wie ſehr mußte die<lb/> Kunſt ſich ſelbſt befoͤrdern, als ſie faſt al¬<lb/> lein mit dem Oeffentlichen, mit dem was<lb/> allen und alſo auch dem Kuͤnſtler gehoͤrte, ſich<lb/> zu beſchaͤftigen beſtimmt war!“</p><lb/> <p>„Eine Vorſtellung der alten Voͤlker iſt<lb/> ernſt und kann furchtbar ſcheinen. Sie dach¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0046]
deren groͤßte Wirkung er nicht mitgenießt.
In den Tempeln zieht er eine Graͤnze zwi¬
ſchen ſich und dem Allerheiligſten; er darf die
Stufen nicht mehr betreten, die er zur Herz
erhebenden Feyerlichkeit gruͤndete, ſo wie der
Goldſchmid die Monſtranz nur von fern an¬
betet, deren Schmelz und Edelſteine er zu¬
ſammengeordnet hat. Dem Reichen uͤbergiebt
der Baumeiſter mit dem Schluͤſſel des Palla¬
ſtes alle Bequemlichkeit und Behaͤbigkeit, ohne
irgend etwas davon mitzugenießen. Muß ſich
nicht allgemach auf dieſe Weiſe die Kunſt von
dem Kuͤnſtler entfernen, wenn das Werk, wie
ein ausgeſtattetes Kind, nicht mehr auf den
Vater zuruͤckwirkt? und wie ſehr mußte die
Kunſt ſich ſelbſt befoͤrdern, als ſie faſt al¬
lein mit dem Oeffentlichen, mit dem was
allen und alſo auch dem Kuͤnſtler gehoͤrte, ſich
zu beſchaͤftigen beſtimmt war!“
„Eine Vorſtellung der alten Voͤlker iſt
ernſt und kann furchtbar ſcheinen. Sie dach¬
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