Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.ten sich ihre Vorfahren in großen Höhlen "Man mag sich stellen wie man will, ten ſich ihre Vorfahren in großen Hoͤhlen „Man mag ſich ſtellen wie man will, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0047" n="44"/> ten ſich ihre Vorfahren in großen Hoͤhlen<lb/> rings umher auf Thronen ſitzend in ſtummer<lb/> Unterhaltung. Dem neuen der hereintrat,<lb/> wenn er wuͤrdig genug war, ſtanden ſie auf<lb/> und neigten ihm einen Willkommen. Geſtern<lb/> als ich in der Capelle ſaß und meinem ge¬<lb/> ſchnitzten Stuhle gegenuͤber noch mehrere um¬<lb/> hergeſtellt ſah, erſchien mir jener Gedanke<lb/> gar freundlich und anmuthig. Warum kannſt<lb/> du nicht ſitzen bleiben? dachte ich bey mir<lb/> ſelbſt, ſtill und in dich gekehrt ſitzen bleiben,<lb/> lange lange, bis endlich die Freunde kaͤmen,<lb/> denen du aufſtuͤndeſt und ihren Platz mit<lb/> freundlichem Neigen anwieſeſt. Die farbigen<lb/> Scheiben machen den Tag zur ernſten Daͤm¬<lb/> merung und Jemand muͤßte eine ewige Lampe<lb/> ſtiften, damit auch die Nacht nicht ganz fin¬<lb/> ſter bliebe.“</p><lb/> <p>„Man mag ſich ſtellen wie man will,<lb/> und man denkt ſich immer ſehend. Ich glaube<lb/> der Menſch traͤumt nur, damit er nicht auf¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0047]
ten ſich ihre Vorfahren in großen Hoͤhlen
rings umher auf Thronen ſitzend in ſtummer
Unterhaltung. Dem neuen der hereintrat,
wenn er wuͤrdig genug war, ſtanden ſie auf
und neigten ihm einen Willkommen. Geſtern
als ich in der Capelle ſaß und meinem ge¬
ſchnitzten Stuhle gegenuͤber noch mehrere um¬
hergeſtellt ſah, erſchien mir jener Gedanke
gar freundlich und anmuthig. Warum kannſt
du nicht ſitzen bleiben? dachte ich bey mir
ſelbſt, ſtill und in dich gekehrt ſitzen bleiben,
lange lange, bis endlich die Freunde kaͤmen,
denen du aufſtuͤndeſt und ihren Platz mit
freundlichem Neigen anwieſeſt. Die farbigen
Scheiben machen den Tag zur ernſten Daͤm¬
merung und Jemand muͤßte eine ewige Lampe
ſtiften, damit auch die Nacht nicht ganz fin¬
ſter bliebe.“
„Man mag ſich ſtellen wie man will,
und man denkt ſich immer ſehend. Ich glaube
der Menſch traͤumt nur, damit er nicht auf¬
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