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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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denn sie glaubte so etwas von Neigung bey
ihm zu bemerken -- als daß sie gedacht hätte,
sein Talent zu ihren Absichten zu benutzen.
Denn ob er gleich bey ihren extemporirten
Festen sich sehr thätig erwiesen und manche
Resourcen bey dieser und jener Anstalt dar¬
geboten, so glaubte sie es doch immer selbst
besser zu verstehen; und da ihre Erfindungen
gewöhnlich gemein waren, so reichte, um sie
auszuführen, die Geschicklichkeit eines gewand¬
ten Kammerdieners eben so gut hin, als die
des vorzüglichsten Künstlers. Weiter als zu
einem Altar, worauf geopfert ward, und zu
einer Bekränzung, es mochte nun ein gypfer¬
nes oder ein lebendes Haupt seyn, konnte
ihre Einbildungskraft sich nicht versteigen,
wenn sie irgend Jemand zum Geburts- und
Ehrentage ein festliches Compliment zu machen
gedachte.

Ottilie konnte dem Bräutigam, der sich nach
dem Verhältniß des Architecten zum Hause

denn ſie glaubte ſo etwas von Neigung bey
ihm zu bemerken — als daß ſie gedacht haͤtte,
ſein Talent zu ihren Abſichten zu benutzen.
Denn ob er gleich bey ihren extemporirten
Feſten ſich ſehr thaͤtig erwieſen und manche
Reſourcen bey dieſer und jener Anſtalt dar¬
geboten, ſo glaubte ſie es doch immer ſelbſt
beſſer zu verſtehen; und da ihre Erfindungen
gewoͤhnlich gemein waren, ſo reichte, um ſie
auszufuͤhren, die Geſchicklichkeit eines gewand¬
ten Kammerdieners eben ſo gut hin, als die
des vorzuͤglichſten Kuͤnſtlers. Weiter als zu
einem Altar, worauf geopfert ward, und zu
einer Bekraͤnzung, es mochte nun ein gypfer¬
nes oder ein lebendes Haupt ſeyn, konnte
ihre Einbildungskraft ſich nicht verſteigen,
wenn ſie irgend Jemand zum Geburts- und
Ehrentage ein feſtliches Compliment zu machen
gedachte.

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[80/0083] denn ſie glaubte ſo etwas von Neigung bey ihm zu bemerken — als daß ſie gedacht haͤtte, ſein Talent zu ihren Abſichten zu benutzen. Denn ob er gleich bey ihren extemporirten Feſten ſich ſehr thaͤtig erwieſen und manche Reſourcen bey dieſer und jener Anſtalt dar¬ geboten, ſo glaubte ſie es doch immer ſelbſt beſſer zu verſtehen; und da ihre Erfindungen gewoͤhnlich gemein waren, ſo reichte, um ſie auszufuͤhren, die Geſchicklichkeit eines gewand¬ ten Kammerdieners eben ſo gut hin, als die des vorzuͤglichſten Kuͤnſtlers. Weiter als zu einem Altar, worauf geopfert ward, und zu einer Bekraͤnzung, es mochte nun ein gypfer¬ nes oder ein lebendes Haupt ſeyn, konnte ihre Einbildungskraft ſich nicht verſteigen, wenn ſie irgend Jemand zum Geburts- und Ehrentage ein feſtliches Compliment zu machen gedachte. Ottilie konnte dem Braͤutigam, der ſich nach dem Verhaͤltniß des Architecten zum Hauſe

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/83>, abgerufen am 21.11.2024.