Räumen am ersten oder am letzten Platze befinden, ja der Bräutigam Lucianens selbst unterhielt sich oft mit ihr, und zwar um so mehr, als er in einer Angelegenheit die ihn beschäftigte, ihren Rath, ihre Mitwirkung verlangte.
Er hatte den Architecten näher kennen lernen, bey Gelegenheit seiner Kunstsammlung viel über das Geschichtliche mit ihm gespro¬ chen, in andern Fällen auch, besonders bey Betrachtung der Capelle, sein Talent schätzen gelernt. Der Baron war jung, reich; er sammelte, er wollte bauen; seine Liebhaberey war lebhaft, seine Kenntnisse schwach; er glaubte in dem Architecten seinen Mann zu finden, mit dem er mehr als einen Zweck zugleich erreichen könnte. Er hatte seiner Braut von dieser Absicht gesprochen; sie lobte ihn darum und war höchlich mit dem Vor¬ schlag zufrieden, doch vielleicht mehr, um die¬ sen jungen Mann Ottilien zu entziehen --
Raͤumen am erſten oder am letzten Platze befinden, ja der Braͤutigam Lucianens ſelbſt unterhielt ſich oft mit ihr, und zwar um ſo mehr, als er in einer Angelegenheit die ihn beſchaͤftigte, ihren Rath, ihre Mitwirkung verlangte.
Er hatte den Architecten naͤher kennen lernen, bey Gelegenheit ſeiner Kunſtſammlung viel uͤber das Geſchichtliche mit ihm geſpro¬ chen, in andern Faͤllen auch, beſonders bey Betrachtung der Capelle, ſein Talent ſchaͤtzen gelernt. Der Baron war jung, reich; er ſammelte, er wollte bauen; ſeine Liebhaberey war lebhaft, ſeine Kenntniſſe ſchwach; er glaubte in dem Architecten ſeinen Mann zu finden, mit dem er mehr als einen Zweck zugleich erreichen koͤnnte. Er hatte ſeiner Braut von dieſer Abſicht geſprochen; ſie lobte ihn darum und war hoͤchlich mit dem Vor¬ ſchlag zufrieden, doch vielleicht mehr, um die¬ ſen jungen Mann Ottilien zu entziehen —
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0082"n="79"/>
Raͤumen am erſten oder am letzten Platze<lb/>
befinden, ja der Braͤutigam Lucianens ſelbſt<lb/>
unterhielt ſich oft mit ihr, und zwar um ſo<lb/>
mehr, als er in einer Angelegenheit die ihn<lb/>
beſchaͤftigte, ihren Rath, ihre Mitwirkung<lb/>
verlangte.</p><lb/><p>Er hatte den Architecten naͤher kennen<lb/>
lernen, bey Gelegenheit ſeiner Kunſtſammlung<lb/>
viel uͤber das Geſchichtliche mit ihm geſpro¬<lb/>
chen, in andern Faͤllen auch, beſonders bey<lb/>
Betrachtung der Capelle, ſein Talent ſchaͤtzen<lb/>
gelernt. Der Baron war jung, reich; er<lb/>ſammelte, er wollte bauen; ſeine Liebhaberey<lb/>
war lebhaft, ſeine Kenntniſſe ſchwach; er<lb/>
glaubte in dem Architecten ſeinen Mann zu<lb/>
finden, mit dem er mehr als einen Zweck<lb/>
zugleich erreichen koͤnnte. Er hatte ſeiner<lb/>
Braut von dieſer Abſicht geſprochen; ſie lobte<lb/>
ihn darum und war hoͤchlich mit dem Vor¬<lb/>ſchlag zufrieden, doch vielleicht mehr, um die¬<lb/>ſen jungen Mann Ottilien zu entziehen —<lb/></p></div></body></text></TEI>
[79/0082]
Raͤumen am erſten oder am letzten Platze
befinden, ja der Braͤutigam Lucianens ſelbſt
unterhielt ſich oft mit ihr, und zwar um ſo
mehr, als er in einer Angelegenheit die ihn
beſchaͤftigte, ihren Rath, ihre Mitwirkung
verlangte.
Er hatte den Architecten naͤher kennen
lernen, bey Gelegenheit ſeiner Kunſtſammlung
viel uͤber das Geſchichtliche mit ihm geſpro¬
chen, in andern Faͤllen auch, beſonders bey
Betrachtung der Capelle, ſein Talent ſchaͤtzen
gelernt. Der Baron war jung, reich; er
ſammelte, er wollte bauen; ſeine Liebhaberey
war lebhaft, ſeine Kenntniſſe ſchwach; er
glaubte in dem Architecten ſeinen Mann zu
finden, mit dem er mehr als einen Zweck
zugleich erreichen koͤnnte. Er hatte ſeiner
Braut von dieſer Abſicht geſprochen; ſie lobte
ihn darum und war hoͤchlich mit dem Vor¬
ſchlag zufrieden, doch vielleicht mehr, um die¬
ſen jungen Mann Ottilien zu entziehen —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/82>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.