Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.nahe am Himmel läge! Wie oft habe ich das Jagdhaus, das nun alle meine Wünsche einschließt, auf meinen weiten Wandrungen bald vom Berge, bald in der Ebne über den Fluß gesehn. Lieber Wilhelm, ich habe allerley nachgedacht, Es ist wunderbar, wie ich hierher kam und darinne,
nahe am Himmel laͤge! Wie oft habe ich das Jagdhaus, das nun alle meine Wuͤnſche einſchließt, auf meinen weiten Wandrungen bald vom Berge, bald in der Ebne uͤber den Fluß geſehn. Lieber Wilhelm, ich habe allerley nachgedacht, Es iſt wunderbar, wie ich hierher kam und darinne,
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nahe am Himmel laͤge! Wie oft habe ich das
Jagdhaus, das nun alle meine Wuͤnſche einſchließt,
auf meinen weiten Wandrungen bald vom Berge,
bald in der Ebne uͤber den Fluß geſehn.
Lieber Wilhelm, ich habe allerley nachgedacht,
uͤber die Begier im Menſchen ſich auszubreiten,
neue Entdekkungen zu machen, herumzuſchweifen;
und dann wieder uͤber den innern Trieb, ſich der
Einſchraͤnkung willig zu ergeben, und in dem Glei-
ſe der Gewohnheit ſo hinzufahren, und ſich weder
um rechts noch links zu bekuͤmmern.
Es iſt wunderbar, wie ich hierher kam und
vom Huͤgel in das ſchoͤne Thal ſchaute, wie es mich
rings umher anzog. Dort das Waͤldchen! Ach
koͤnnteſt du dich in ſeine Schatten miſchen! Dort
die Spizze des Bergs! Ach koͤnnteſt du von da
die weite Gegend uͤberſchauen! Die in einander
gekettete Huͤgel und vertrauliche Thaͤler. O koͤnnte
ich mich in ihnen verliehren! — Jch eilte hin!
und kehrte zuruͤk, und hatte nicht gefunden was ich
hoffte. O es iſt mit der Ferne wie mit der Zu-
kunft! Ein groſſes daͤmmerndes Ganze ruht vor
unſerer Seele, unſere Empfindung verſchwimmt ſich
darinne,
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