Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.Was mich am meisten nekt, sind die fatalen an-
Was mich am meiſten nekt, ſind die fatalen an-
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Was mich am meiſten nekt, ſind die fatalen
buͤrgerlichen Verhaͤltniſſe. Zwar weis ich ſo gut
als einer, wie noͤthig der Unterſchied der Staͤnde
iſt, wie viel Vortheile er mir ſelbſt verſchafft, nur
ſoll er mir nicht eben grad im Wege ſtehn, wo ich
noch ein wenig Freude, einen Schimmer von
Gluͤk auf dieſer Erden genieſſen koͤnnte. Jch lern-
te neulich auf dem Spaziergange ein Fraͤulein von
B.. kennen, ein liebenswuͤrdiges Geſchoͤpf, das
ſehr viele Natur mitten in dem ſteifen Leben er-
halten hat. Wir gefielen uns in unſerm Geſpraͤ-
che, und da wir ſchieden, bat ich ſie um Erlaub-
niß, ſie bey ſich ſehen zu duͤrfen. Sie geſtattete
mir das mit ſo viel Freymuͤthigkeit, daß ich den
ſchiklichen Augenblik kaum erwarten konnte, zu ihr
zu gehen. Sie iſt nicht von hier, und wohnt bey
einer Tante im Hauſe. Die Phyſiognomie der al-
ten Schachtel gefiel mir nicht. Jch bezeigte ihr
viel Aufmerkſamkeit, mein Geſpraͤch war meiſt an
ſie gewandt, und in minder als einer halben Stun-
de hatte ich ſo ziemlich weg, was mir das Fraͤu-
lein nachher ſelbſt geſtund: daß die liebe Tante
in ihrem Alter, und dem Mangel von allem, vom
an-
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