Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.so will ich zehn Jahre noch mich auf der Galeere abarbeiten, auf der ich nun angeschmiedet bin. Und das glänzende Elend die Langeweile un- Zwar ich merke täglich mehr, mein Lieber, Was H 5
ſo will ich zehn Jahre noch mich auf der Galeere abarbeiten, auf der ich nun angeſchmiedet bin. Und das glaͤnzende Elend die Langeweile un- Zwar ich merke taͤglich mehr, mein Lieber, Was H 5
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ſo will ich zehn Jahre noch mich auf der Galeere
abarbeiten, auf der ich nun angeſchmiedet bin.
Und das glaͤnzende Elend die Langeweile un-
ter dem garſtigen Volke das ſich hier neben ein-
ander ſieht. Die Rangſucht unter ihnen, wie ſie
nur wachen und aufpaſſen, einander ein Schrittgen
abzugewinnen, die elendeſien erbaͤrmlichſten Leiden-
ſchaften, ganz ohne Roͤkgen! Da iſt ein Weib,
zum Exempel, die jederman von ihrem Adel und
ihrem Lande unterhaͤlt, daß nun jeder Fremde den-
ken muß: das iſt eine Naͤrrin, die ſich auf das
Bißgen Adel und auf den Ruf ihres Landes Wun-
derſttreiche einbildet — Aber es iſt noch viel
aͤrger, eben das Weib iſt hier aus der Nachbar-
ſchaft eine Amtſchreibers Tochter. — Sieh, ich kann
das Menſchengeſchlecht nicht begreifen, das ſo we-
nig Sinn hat, um ſich ſo platt zu proſtituiren.
Zwar ich merke taͤglich mehr, mein Lieber,
wie thoͤricht man iſt andre nach ſich zu berechnen.
Und weil ich ſo viel mit mir ſelbſt zu thun ha-
be, und dieſes Herz und Sinn ſo ſtuͤrmiſch iſt,
ach ich laſſe gern die andern ihres Pfads gehen,
wenn ſie mich nur auch koͤnnten gehn laſſen.
Was
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