oder Mutter nach der Arzney Zuckerstücken nahmen, oder die Mienen verzogen, und vor Ekel sich brechen wollten. Sehen das die Kinder einmal an den Aeltern, so ist alles verloren. Ich rathe daher allen zärtlichen Müttern, denen der Abscheu vor Arzeneyen natürlich ist, daß sie ja solchen vor den Kin- dern nicht merken, und sie daher lieber nicht zusehen lassen, wenn sie was einnehmen.
Je mehr nun der Verstand bey dieser me- chanischen Gewohnheit zunimmt, und sie die Absicht und den Nutzen der Sache einsehen lernen; desto weniger scheuen sie sich vor dem Einnehmen. Ist aber diese Gewohnheit nicht von Kindheit auf da, so mag der Verstand nachher sprechen was er will; es wird ih- nen Zeitlebens der Ekel und Abscheu vor dem Einnehmen natürlich bleiben.
Dorchen, ein Kind von fünf Jahren, kam neulich zu Carln, der die Pocken hatte,
und
oder Mutter nach der Arzney Zuckerſtuͤcken nahmen, oder die Mienen verzogen, und vor Ekel ſich brechen wollten. Sehen das die Kinder einmal an den Aeltern, ſo iſt alles verloren. Ich rathe daher allen zaͤrtlichen Muͤttern, denen der Abſcheu vor Arzeneyen natuͤrlich iſt, daß ſie ja ſolchen vor den Kin- dern nicht merken, und ſie daher lieber nicht zuſehen laſſen, wenn ſie was einnehmen.
Je mehr nun der Verſtand bey dieſer me- chaniſchen Gewohnheit zunimmt, und ſie die Abſicht und den Nutzen der Sache einſehen lernen; deſto weniger ſcheuen ſie ſich vor dem Einnehmen. Iſt aber dieſe Gewohnheit nicht von Kindheit auf da, ſo mag der Verſtand nachher ſprechen was er will; es wird ih- nen Zeitlebens der Ekel und Abſcheu vor dem Einnehmen natuͤrlich bleiben.
Dorchen, ein Kind von fuͤnf Jahren, kam neulich zu Carln, der die Pocken hatte,
und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0096"n="74"/>
oder Mutter nach der Arzney Zuckerſtuͤcken<lb/>
nahmen, oder die Mienen verzogen, und vor<lb/>
Ekel ſich brechen wollten. Sehen das die<lb/>
Kinder einmal an den Aeltern, ſo iſt alles<lb/>
verloren. Ich rathe daher allen zaͤrtlichen<lb/>
Muͤttern, denen der Abſcheu vor Arzeneyen<lb/>
natuͤrlich iſt, daß ſie ja ſolchen vor den Kin-<lb/>
dern nicht merken, und ſie daher lieber nicht<lb/>
zuſehen laſſen, wenn ſie was einnehmen.</p><lb/><p>Je mehr nun der Verſtand bey dieſer me-<lb/>
chaniſchen Gewohnheit zunimmt, und ſie die<lb/>
Abſicht und den Nutzen der Sache einſehen<lb/>
lernen; deſto weniger ſcheuen ſie ſich vor dem<lb/>
Einnehmen. Iſt aber dieſe Gewohnheit nicht<lb/>
von Kindheit auf da, ſo mag der Verſtand<lb/>
nachher ſprechen was er will; es wird ih-<lb/>
nen Zeitlebens der Ekel und Abſcheu vor dem<lb/>
Einnehmen natuͤrlich bleiben.</p><lb/><p>Dorchen, ein Kind von fuͤnf Jahren,<lb/>
kam neulich zu Carln, der die Pocken hatte,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[74/0096]
oder Mutter nach der Arzney Zuckerſtuͤcken
nahmen, oder die Mienen verzogen, und vor
Ekel ſich brechen wollten. Sehen das die
Kinder einmal an den Aeltern, ſo iſt alles
verloren. Ich rathe daher allen zaͤrtlichen
Muͤttern, denen der Abſcheu vor Arzeneyen
natuͤrlich iſt, daß ſie ja ſolchen vor den Kin-
dern nicht merken, und ſie daher lieber nicht
zuſehen laſſen, wenn ſie was einnehmen.
Je mehr nun der Verſtand bey dieſer me-
chaniſchen Gewohnheit zunimmt, und ſie die
Abſicht und den Nutzen der Sache einſehen
lernen; deſto weniger ſcheuen ſie ſich vor dem
Einnehmen. Iſt aber dieſe Gewohnheit nicht
von Kindheit auf da, ſo mag der Verſtand
nachher ſprechen was er will; es wird ih-
nen Zeitlebens der Ekel und Abſcheu vor dem
Einnehmen natuͤrlich bleiben.
Dorchen, ein Kind von fuͤnf Jahren,
kam neulich zu Carln, der die Pocken hatte,
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/96>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.