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Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783.

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kennen wollen, weil sie arm sind. Kinder!
was meynt ihr? wenn ich mit eurer Mutter
jetzt in Gera mit abgebrannt wäre, und nichts,
gar nichts mehr hätte, als das bloße Leben:
keine Kleider, keinen Rock, kein Hemde, keine
Schuhe, keine Strümpfe, kein Brod, keinen
Pfennig Geld -- wäre noch dazu krank vor
Gram und Elend -- müßte andere Leute an-
sprechen, und betteln gehen -- Hört wohl
zu! Ihr aber wohntet auswärts, und wäret
alle wohl versorgt. Du, Franz! wärest ein
reicher Amtmann. Und du, Karl! ein Pre-
diger. Du, Charlotte! hättest einen Cantor
auf dem Dorfe, und nicht viel übrig, und
du, Lore! wärest auch ziemlich wohl verhey-
rathet. Was würdet ihr denn wohl gegen
eure unglückliche, abgebrannte und nun ganz
arme Aeltern thun? Fragt einmal hierbey euer
Herz? -- Und Thränen fielen dem Vater aus
den Augen.

Da

kennen wollen, weil ſie arm ſind. Kinder!
was meynt ihr? wenn ich mit eurer Mutter
jetzt in Gera mit abgebrannt waͤre, und nichts,
gar nichts mehr haͤtte, als das bloße Leben:
keine Kleider, keinen Rock, kein Hemde, keine
Schuhe, keine Struͤmpfe, kein Brod, keinen
Pfennig Geld — waͤre noch dazu krank vor
Gram und Elend — muͤßte andere Leute an-
ſprechen, und betteln gehen — Hoͤrt wohl
zu! Ihr aber wohntet auswaͤrts, und waͤret
alle wohl verſorgt. Du, Franz! waͤreſt ein
reicher Amtmann. Und du, Karl! ein Pre-
diger. Du, Charlotte! haͤtteſt einen Cantor
auf dem Dorfe, und nicht viel uͤbrig, und
du, Lore! waͤreſt auch ziemlich wohl verhey-
rathet. Was wuͤrdet ihr denn wohl gegen
eure ungluͤckliche, abgebrannte und nun ganz
arme Aeltern thun? Fragt einmal hierbey euer
Herz? — Und Thraͤnen fielen dem Vater aus
den Augen.

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[123/0145] kennen wollen, weil ſie arm ſind. Kinder! was meynt ihr? wenn ich mit eurer Mutter jetzt in Gera mit abgebrannt waͤre, und nichts, gar nichts mehr haͤtte, als das bloße Leben: keine Kleider, keinen Rock, kein Hemde, keine Schuhe, keine Struͤmpfe, kein Brod, keinen Pfennig Geld — waͤre noch dazu krank vor Gram und Elend — muͤßte andere Leute an- ſprechen, und betteln gehen — Hoͤrt wohl zu! Ihr aber wohntet auswaͤrts, und waͤret alle wohl verſorgt. Du, Franz! waͤreſt ein reicher Amtmann. Und du, Karl! ein Pre- diger. Du, Charlotte! haͤtteſt einen Cantor auf dem Dorfe, und nicht viel uͤbrig, und du, Lore! waͤreſt auch ziemlich wohl verhey- rathet. Was wuͤrdet ihr denn wohl gegen eure ungluͤckliche, abgebrannte und nun ganz arme Aeltern thun? Fragt einmal hierbey euer Herz? — Und Thraͤnen fielen dem Vater aus den Augen. Da

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Zitationshilfe: Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/145>, abgerufen am 21.11.2024.