kennen wollen, weil sie arm sind. Kinder! was meynt ihr? wenn ich mit eurer Mutter jetzt in Gera mit abgebrannt wäre, und nichts, gar nichts mehr hätte, als das bloße Leben: keine Kleider, keinen Rock, kein Hemde, keine Schuhe, keine Strümpfe, kein Brod, keinen Pfennig Geld -- wäre noch dazu krank vor Gram und Elend -- müßte andere Leute an- sprechen, und betteln gehen -- Hört wohl zu! Ihr aber wohntet auswärts, und wäret alle wohl versorgt. Du, Franz! wärest ein reicher Amtmann. Und du, Karl! ein Pre- diger. Du, Charlotte! hättest einen Cantor auf dem Dorfe, und nicht viel übrig, und du, Lore! wärest auch ziemlich wohl verhey- rathet. Was würdet ihr denn wohl gegen eure unglückliche, abgebrannte und nun ganz arme Aeltern thun? Fragt einmal hierbey euer Herz? -- Und Thränen fielen dem Vater aus den Augen.
Da
kennen wollen, weil ſie arm ſind. Kinder! was meynt ihr? wenn ich mit eurer Mutter jetzt in Gera mit abgebrannt waͤre, und nichts, gar nichts mehr haͤtte, als das bloße Leben: keine Kleider, keinen Rock, kein Hemde, keine Schuhe, keine Struͤmpfe, kein Brod, keinen Pfennig Geld — waͤre noch dazu krank vor Gram und Elend — muͤßte andere Leute an- ſprechen, und betteln gehen — Hoͤrt wohl zu! Ihr aber wohntet auswaͤrts, und waͤret alle wohl verſorgt. Du, Franz! waͤreſt ein reicher Amtmann. Und du, Karl! ein Pre- diger. Du, Charlotte! haͤtteſt einen Cantor auf dem Dorfe, und nicht viel uͤbrig, und du, Lore! waͤreſt auch ziemlich wohl verhey- rathet. Was wuͤrdet ihr denn wohl gegen eure ungluͤckliche, abgebrannte und nun ganz arme Aeltern thun? Fragt einmal hierbey euer Herz? — Und Thraͤnen fielen dem Vater aus den Augen.
Da
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0145"n="123"/>
kennen wollen, weil ſie arm ſind. Kinder!<lb/>
was meynt ihr? wenn ich mit eurer Mutter<lb/>
jetzt in Gera mit abgebrannt waͤre, und nichts,<lb/>
gar nichts mehr haͤtte, als das bloße Leben:<lb/>
keine Kleider, keinen Rock, kein Hemde, keine<lb/>
Schuhe, keine Struͤmpfe, kein Brod, keinen<lb/>
Pfennig Geld — waͤre noch dazu krank vor<lb/>
Gram und Elend — muͤßte andere Leute an-<lb/>ſprechen, und betteln gehen — Hoͤrt wohl<lb/>
zu! Ihr aber wohntet auswaͤrts, und waͤret<lb/>
alle wohl verſorgt. Du, <hirendition="#fr">Franz</hi>! waͤreſt ein<lb/>
reicher Amtmann. Und du, <hirendition="#fr">Karl</hi>! ein Pre-<lb/>
diger. Du, <hirendition="#fr">Charlotte</hi>! haͤtteſt einen Cantor<lb/>
auf dem Dorfe, und nicht viel uͤbrig, und<lb/>
du, <hirendition="#fr">Lore</hi>! waͤreſt auch ziemlich wohl verhey-<lb/>
rathet. Was wuͤrdet ihr denn wohl gegen<lb/>
eure ungluͤckliche, abgebrannte und nun ganz<lb/>
arme Aeltern thun? Fragt einmal hierbey euer<lb/>
Herz? — Und Thraͤnen fielen dem Vater aus<lb/>
den Augen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Da</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[123/0145]
kennen wollen, weil ſie arm ſind. Kinder!
was meynt ihr? wenn ich mit eurer Mutter
jetzt in Gera mit abgebrannt waͤre, und nichts,
gar nichts mehr haͤtte, als das bloße Leben:
keine Kleider, keinen Rock, kein Hemde, keine
Schuhe, keine Struͤmpfe, kein Brod, keinen
Pfennig Geld — waͤre noch dazu krank vor
Gram und Elend — muͤßte andere Leute an-
ſprechen, und betteln gehen — Hoͤrt wohl
zu! Ihr aber wohntet auswaͤrts, und waͤret
alle wohl verſorgt. Du, Franz! waͤreſt ein
reicher Amtmann. Und du, Karl! ein Pre-
diger. Du, Charlotte! haͤtteſt einen Cantor
auf dem Dorfe, und nicht viel uͤbrig, und
du, Lore! waͤreſt auch ziemlich wohl verhey-
rathet. Was wuͤrdet ihr denn wohl gegen
eure ungluͤckliche, abgebrannte und nun ganz
arme Aeltern thun? Fragt einmal hierbey euer
Herz? — Und Thraͤnen fielen dem Vater aus
den Augen.
Da
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/145>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.