wenn sie auch noch so unschuldig war, und durch den Scharfrichter so lange gemartert, bis sie vor Schmerz und Angst Dinge bekann- te, die sie nie gethan hatte, um nur der Qual abzukommen. Und dann wurde sie lebendig verbrannt.
Albertine. Ach! das müssen ja erschreck- liche Zeiten gewesen seyn! Jetzt sind doch die Leute so dumm nicht mehr.
Liebmann. Zuweilen noch dumm genug. Nur der Aberglaube hat die Macht nicht mehr, die er sonst hatte. Denn damals glaubten die Obrigkeiten und Geistlichen selbst solch Zeug noch. Als ich mich neulich einige Tage in Q **** aufhielt, hab' ich auf dem Rathhause Hexenakten gesehen von 1570, 1578, 1579, 1581, und von 1663, also noch vor hundert- undzwanzig Jahren. Da war ein alt Weib, das wurde als eine Hexe angegeben. Es hät- te es der Knecht nicht mit übers Wasser auf
dem
wenn ſie auch noch ſo unſchuldig war, und durch den Scharfrichter ſo lange gemartert, bis ſie vor Schmerz und Angſt Dinge bekann- te, die ſie nie gethan hatte, um nur der Qual abzukommen. Und dann wurde ſie lebendig verbrannt.
Albertine. Ach! das muͤſſen ja erſchreck- liche Zeiten geweſen ſeyn! Jetzt ſind doch die Leute ſo dumm nicht mehr.
Liebmann. Zuweilen noch dumm genug. Nur der Aberglaube hat die Macht nicht mehr, die er ſonſt hatte. Denn damals glaubten die Obrigkeiten und Geiſtlichen ſelbſt ſolch Zeug noch. Als ich mich neulich einige Tage in Q **** aufhielt, hab’ ich auf dem Rathhauſe Hexenakten geſehen von 1570, 1578, 1579, 1581, und von 1663, alſo noch vor hundert- undzwanzig Jahren. Da war ein alt Weib, das wurde als eine Hexe angegeben. Es haͤt- te es der Knecht nicht mit uͤbers Waſſer auf
dem
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0204"n="182"/>
wenn ſie auch noch ſo unſchuldig war, und<lb/>
durch den Scharfrichter ſo lange gemartert,<lb/>
bis ſie vor Schmerz und Angſt Dinge bekann-<lb/>
te, die ſie nie gethan hatte, um nur der Qual<lb/>
abzukommen. Und dann wurde ſie lebendig<lb/>
verbrannt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Albertine</hi>. Ach! das muͤſſen ja erſchreck-<lb/>
liche Zeiten geweſen ſeyn! Jetzt ſind doch die<lb/>
Leute ſo dumm nicht mehr.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Liebmann</hi>. Zuweilen noch dumm genug.<lb/>
Nur der Aberglaube hat die Macht nicht mehr,<lb/>
die er ſonſt hatte. Denn damals glaubten die<lb/>
Obrigkeiten und Geiſtlichen ſelbſt ſolch Zeug<lb/>
noch. Als ich mich neulich einige Tage in<lb/>
Q **** aufhielt, hab’ ich auf dem Rathhauſe<lb/>
Hexenakten geſehen von 1570, 1578, 1579,<lb/>
1581, und von 1663, alſo noch vor hundert-<lb/>
undzwanzig Jahren. Da war ein alt Weib,<lb/>
das wurde als eine Hexe angegeben. Es haͤt-<lb/>
te es der Knecht nicht mit uͤbers Waſſer auf<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dem</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[182/0204]
wenn ſie auch noch ſo unſchuldig war, und
durch den Scharfrichter ſo lange gemartert,
bis ſie vor Schmerz und Angſt Dinge bekann-
te, die ſie nie gethan hatte, um nur der Qual
abzukommen. Und dann wurde ſie lebendig
verbrannt.
Albertine. Ach! das muͤſſen ja erſchreck-
liche Zeiten geweſen ſeyn! Jetzt ſind doch die
Leute ſo dumm nicht mehr.
Liebmann. Zuweilen noch dumm genug.
Nur der Aberglaube hat die Macht nicht mehr,
die er ſonſt hatte. Denn damals glaubten die
Obrigkeiten und Geiſtlichen ſelbſt ſolch Zeug
noch. Als ich mich neulich einige Tage in
Q **** aufhielt, hab’ ich auf dem Rathhauſe
Hexenakten geſehen von 1570, 1578, 1579,
1581, und von 1663, alſo noch vor hundert-
undzwanzig Jahren. Da war ein alt Weib,
das wurde als eine Hexe angegeben. Es haͤt-
te es der Knecht nicht mit uͤbers Waſſer auf
dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/204>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.