Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

auch kein Sperling vom Dache. Das ist
eben seine Vorsehung und Kegierung.

Gottlieb. Aber mit den Raben?

Vater. Weil Gott Minchen erhalten woll-
te, so waren dazu schon alle Umstände vorher
gefüget, wie sie der liebe Gott vorhergesehen
hatte, daß es just zu der Zeit geschahe, da
eben Raben am Ufer saßen. Diese wurden
durch das Hineinfallen des Kindes ins Was-
ser erschreckt, flogen auf, sahen das Kind
fortschwimmen -- dachten, es wäre ein Stück
Fleisch für sie -- schwärmten über dem Kinde
herum, und schrien, bis es die Leute hörten.
Die Raben selbst aber thaten das gar nicht in
der Absicht, daß die Leute das schwimmende
Kind sehen und retten sollten, sondern sie tha-
ten das bloß nach ihren natürlichen Trieben.

Aber nach den Absichten Gottes wur-
de dieser Umstand ein Mittel seiner
Vorsehung, die Leute aufmerksam zu

machen,

auch kein Sperling vom Dache. Das iſt
eben ſeine Vorſehung und Kegierung.

Gottlieb. Aber mit den Raben?

Vater. Weil Gott Minchen erhalten woll-
te, ſo waren dazu ſchon alle Umſtaͤnde vorher
gefuͤget, wie ſie der liebe Gott vorhergeſehen
hatte, daß es juſt zu der Zeit geſchahe, da
eben Raben am Ufer ſaßen. Dieſe wurden
durch das Hineinfallen des Kindes ins Waſ-
ſer erſchreckt, flogen auf, ſahen das Kind
fortſchwimmen — dachten, es waͤre ein Stuͤck
Fleiſch fuͤr ſie — ſchwaͤrmten uͤber dem Kinde
herum, und ſchrien, bis es die Leute hoͤrten.
Die Raben ſelbſt aber thaten das gar nicht in
der Abſicht, daß die Leute das ſchwimmende
Kind ſehen und retten ſollten, ſondern ſie tha-
ten das bloß nach ihren natuͤrlichen Trieben.

Aber nach den Abſichten Gottes wur-
de dieſer Umſtand ein Mittel ſeiner
Vorſehung, die Leute aufmerkſam zu

machen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0324" n="302"/>
auch kein <hi rendition="#fr">Sperling vom Dache</hi>. Das i&#x017F;t<lb/>
eben &#x017F;eine <hi rendition="#fr">Vor&#x017F;ehung und Kegierung</hi>.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Gottlieb</hi>. Aber mit den Raben?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Vater</hi>. Weil Gott Minchen erhalten woll-<lb/>
te, &#x017F;o waren dazu &#x017F;chon alle Um&#x017F;ta&#x0364;nde vorher<lb/>
gefu&#x0364;get, wie &#x017F;ie der liebe Gott vorherge&#x017F;ehen<lb/>
hatte, daß es ju&#x017F;t zu der Zeit ge&#x017F;chahe, da<lb/>
eben Raben am Ufer &#x017F;aßen. Die&#x017F;e wurden<lb/>
durch das Hineinfallen des Kindes ins Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er er&#x017F;chreckt, flogen auf, &#x017F;ahen das Kind<lb/>
fort&#x017F;chwimmen &#x2014; dachten, es wa&#x0364;re ein Stu&#x0364;ck<lb/>
Flei&#x017F;ch fu&#x0364;r &#x017F;ie &#x2014; &#x017F;chwa&#x0364;rmten u&#x0364;ber dem Kinde<lb/>
herum, und &#x017F;chrien, bis es die Leute ho&#x0364;rten.<lb/>
Die Raben &#x017F;elb&#x017F;t aber thaten das gar nicht in<lb/>
der Ab&#x017F;icht, daß die Leute das &#x017F;chwimmende<lb/>
Kind &#x017F;ehen und retten &#x017F;ollten, &#x017F;ondern &#x017F;ie tha-<lb/>
ten das bloß nach ihren natu&#x0364;rlichen Trieben.</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">Aber nach den Ab&#x017F;ichten Gottes wur-<lb/>
de die&#x017F;er Um&#x017F;tand ein Mittel &#x017F;einer<lb/>
Vor&#x017F;ehung, die Leute aufmerk&#x017F;am zu</hi><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">machen,</fw><lb/>
        </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0324] auch kein Sperling vom Dache. Das iſt eben ſeine Vorſehung und Kegierung. Gottlieb. Aber mit den Raben? Vater. Weil Gott Minchen erhalten woll- te, ſo waren dazu ſchon alle Umſtaͤnde vorher gefuͤget, wie ſie der liebe Gott vorhergeſehen hatte, daß es juſt zu der Zeit geſchahe, da eben Raben am Ufer ſaßen. Dieſe wurden durch das Hineinfallen des Kindes ins Waſ- ſer erſchreckt, flogen auf, ſahen das Kind fortſchwimmen — dachten, es waͤre ein Stuͤck Fleiſch fuͤr ſie — ſchwaͤrmten uͤber dem Kinde herum, und ſchrien, bis es die Leute hoͤrten. Die Raben ſelbſt aber thaten das gar nicht in der Abſicht, daß die Leute das ſchwimmende Kind ſehen und retten ſollten, ſondern ſie tha- ten das bloß nach ihren natuͤrlichen Trieben. Aber nach den Abſichten Gottes wur- de dieſer Umſtand ein Mittel ſeiner Vorſehung, die Leute aufmerkſam zu machen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/324
Zitationshilfe: Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/324>, abgerufen am 22.11.2024.