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Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Rund um die Stadt zogen sie sich; in einiger Entfernung folgten ihnen Kanonen auf Schlitten.

Auf der Hauptstraße schob sich die Infanterie vor gegen den Ort. Diese war gesichert gegen Entdeckung durch die Windung des Weges und durch die Allee, mit welcher er besetzt war. Auch sie hatte Kanonen in ihrer Mitte.

Im Städtchen schlief Alles. Den ganzen Tag hatte es Scharmützel gegeben; die Franzosen waren müde zum Sterben. Manch junges Blut mochte träumen von Frankreich, vom Vater, von der Mutter, von der Geliebten -- oder von seinem Kaiser und der umflorten Gloire! Selbst die beiden Wachen in der Backstube des Juden waren eingenickt und lagen mit dem Rücken gegen den Ofen; die Lampe, bei welcher die Gesellen ihre schläfrige Arbeit verrichteten, brannte mit einer großen Schnuppe und blakte eine Wolke gegen die Decke. -- --

Plautz! donnert's auf einmal, als berste der Himmel auseinander.

Die befrorenen Fenster zersprangen, die Wachen flogen in die Höhe, und gegen den Backtisch lehnten die ermunterten Gesellen wie vom Fieber geschüttelt.

Adieu, Kameraden! riefen die Franzosen und waren zur Stube hinaus.

Die Russen sind in der Stadt! mit diesem Angstruf sprang der Meister herein.

An Arbeit war nicht mehr zu denken; Alles lief zusammen auf den Hof: der Meister, die Frau, die Ge-

Rund um die Stadt zogen sie sich; in einiger Entfernung folgten ihnen Kanonen auf Schlitten.

Auf der Hauptstraße schob sich die Infanterie vor gegen den Ort. Diese war gesichert gegen Entdeckung durch die Windung des Weges und durch die Allee, mit welcher er besetzt war. Auch sie hatte Kanonen in ihrer Mitte.

Im Städtchen schlief Alles. Den ganzen Tag hatte es Scharmützel gegeben; die Franzosen waren müde zum Sterben. Manch junges Blut mochte träumen von Frankreich, vom Vater, von der Mutter, von der Geliebten — oder von seinem Kaiser und der umflorten Gloire! Selbst die beiden Wachen in der Backstube des Juden waren eingenickt und lagen mit dem Rücken gegen den Ofen; die Lampe, bei welcher die Gesellen ihre schläfrige Arbeit verrichteten, brannte mit einer großen Schnuppe und blakte eine Wolke gegen die Decke. — —

Plautz! donnert's auf einmal, als berste der Himmel auseinander.

Die befrorenen Fenster zersprangen, die Wachen flogen in die Höhe, und gegen den Backtisch lehnten die ermunterten Gesellen wie vom Fieber geschüttelt.

Adieu, Kameraden! riefen die Franzosen und waren zur Stube hinaus.

Die Russen sind in der Stadt! mit diesem Angstruf sprang der Meister herein.

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[0012] Rund um die Stadt zogen sie sich; in einiger Entfernung folgten ihnen Kanonen auf Schlitten. Auf der Hauptstraße schob sich die Infanterie vor gegen den Ort. Diese war gesichert gegen Entdeckung durch die Windung des Weges und durch die Allee, mit welcher er besetzt war. Auch sie hatte Kanonen in ihrer Mitte. Im Städtchen schlief Alles. Den ganzen Tag hatte es Scharmützel gegeben; die Franzosen waren müde zum Sterben. Manch junges Blut mochte träumen von Frankreich, vom Vater, von der Mutter, von der Geliebten — oder von seinem Kaiser und der umflorten Gloire! Selbst die beiden Wachen in der Backstube des Juden waren eingenickt und lagen mit dem Rücken gegen den Ofen; die Lampe, bei welcher die Gesellen ihre schläfrige Arbeit verrichteten, brannte mit einer großen Schnuppe und blakte eine Wolke gegen die Decke. — — Plautz! donnert's auf einmal, als berste der Himmel auseinander. Die befrorenen Fenster zersprangen, die Wachen flogen in die Höhe, und gegen den Backtisch lehnten die ermunterten Gesellen wie vom Fieber geschüttelt. Adieu, Kameraden! riefen die Franzosen und waren zur Stube hinaus. Die Russen sind in der Stadt! mit diesem Angstruf sprang der Meister herein. An Arbeit war nicht mehr zu denken; Alles lief zusammen auf den Hof: der Meister, die Frau, die Ge-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T16:05:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T16:05:09Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910/12>, abgerufen am 27.04.2024.