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Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.

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Die Erbschleicher.
(Entfaltet eine Pergamentrolle, se[tz]t die Brille auf, und
sucht mit dem Finger.)
Richtig! Da steht Er! Em-
merich Sylvester, natus anno Christi 1764.
Weinhold. Ihr Stammbaum sieht ja aus,
wie ein Kirchhof. Ist die Familie so zusammen-
gestorben?
Gerhard (bedeutend.) Für mich.
Weinhold. Wie?
Gerhard. Wen ich kenne, dem setz ich
ein Kreuz.
Weinhold. So setzen Sie mir auch eins!
Gerhard. Warum Ihm?
Weinhold. Weil wir uns nun kennen.
Gerhard. O, das ist nicht die Meynung.
Weinhold. Jeder Mensch hat seine Spra-
che, und mir fehlt die Muße, die Ihrige zu
studieren.
Gerhard (kalthöflich.) Will Er schon wieder
fort?
Weinhold. Ich bin auf der Reise.
Gerhard. Ah! einen Reisenden darf man
nicht aufhalten.
Weinhold (vor sich.) Nun bin ich abgefertigt.
Gerhard (vor sich.) Nun wirds aufs Viati-
kum losgehen.
Die Erbſchleicher.
(Entfaltet eine Pergamentrolle, ſe[tz]t die Brille auf, und
ſucht mit dem Finger.)
Richtig! Da ſteht Er! Em-
merich Sylveſter, natus anno Chriſti 1764.
Weinhold. Ihr Stammbaum ſieht ja aus,
wie ein Kirchhof. Iſt die Familie ſo zuſammen-
geſtorben?
Gerhard (bedeutend.) Fuͤr mich.
Weinhold. Wie?
Gerhard. Wen ich kenne, dem ſetz ich
ein Kreuz.
Weinhold. So ſetzen Sie mir auch eins!
Gerhard. Warum Ihm?
Weinhold. Weil wir uns nun kennen.
Gerhard. O, das iſt nicht die Meynung.
Weinhold. Jeder Menſch hat ſeine Spra-
che, und mir fehlt die Muße, die Ihrige zu
ſtudieren.
Gerhard (kalthöflich.) Will Er ſchon wieder
fort?
Weinhold. Ich bin auf der Reiſe.
Gerhard. Ah! einen Reiſenden darf man
nicht aufhalten.
Weinhold (vor ſich.) Nun bin ich abgefertigt.
Gerhard (vor ſich.) Nun wirds aufs Viati-
kum losgehen.
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[111/0117] Die Erbſchleicher. (Entfaltet eine Pergamentrolle, ſetzt die Brille auf, und ſucht mit dem Finger.) Richtig! Da ſteht Er! Em- merich Sylveſter, natus anno Chriſti 1764. Weinhold. Ihr Stammbaum ſieht ja aus, wie ein Kirchhof. Iſt die Familie ſo zuſammen- geſtorben? Gerhard (bedeutend.) Fuͤr mich. Weinhold. Wie? Gerhard. Wen ich kenne, dem ſetz ich ein Kreuz. Weinhold. So ſetzen Sie mir auch eins! Gerhard. Warum Ihm? Weinhold. Weil wir uns nun kennen. Gerhard. O, das iſt nicht die Meynung. Weinhold. Jeder Menſch hat ſeine Spra- che, und mir fehlt die Muße, die Ihrige zu ſtudieren. Gerhard (kalthöflich.) Will Er ſchon wieder fort? Weinhold. Ich bin auf der Reiſe. Gerhard. Ah! einen Reiſenden darf man nicht aufhalten. Weinhold (vor ſich.) Nun bin ich abgefertigt. Gerhard (vor ſich.) Nun wirds aufs Viati- kum losgehen.

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Zitationshilfe: Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/117>, abgerufen am 27.11.2024.