Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.Die Erbschleicher. Weinhold. Haben Sie nie vom berühmten Saint-Germain gehört, den es, nach einer Pil- grimschaft von fünf Jahrhunderten, gelüstete, ei- nen andern Planeten zu bereisen? Gerhard (ihn anstaunend.) Was? Ein Mensch im neuen Testamente, der fünf hundert Jahre gelebt hat? Weinhold. Und geblüht, wie eine Rose. -- Ich war so glücklich, ihn von Angesicht zu se- hen. Er drückte mich an seinen Busen, schloß mir die Tiefen seiner Kenntnisse auf -- ließ mir -- dem unwürdigsten seiner Jünger -- mir sein Menschen beglückendes Arcanum. Gerhard (äußerst gespannt.) Und dieses Ar- canum? Weinhold (legt den Finger auf den Mund.) So fragt man Kinder aus. Gerhard. O, laß Er doch ein Wort mit sich reden, Vetter! -- Aber vor allen Dingen setz' Er sich! Ich bekomme den Krampf vor Erstau- nen und Ungeduld. (Setzt sich in seinen Sessel; Wein- hold neben ihm.) Vielleicht können wir einen Tausch treffen. Ich hab' auch bewährte Specifica. Weinhold (verächtlich.) Von Zahnärzten oder alten Bademüttern? -- (Lauter und schnell.) Mein Die Erbſchleicher. Weinhold. Haben Sie nie vom beruͤhmten Saint-Germain gehoͤrt, den es, nach einer Pil- grimſchaft von fuͤnf Jahrhunderten, geluͤſtete, ei- nen andern Planeten zu bereiſen? Gerhard (ihn anſtaunend.) Was? Ein Menſch im neuen Teſtamente, der fuͤnf hundert Jahre gelebt hat? Weinhold. Und gebluͤht, wie eine Roſe. — Ich war ſo gluͤcklich, ihn von Angeſicht zu ſe- hen. Er druͤckte mich an ſeinen Buſen, ſchloß mir die Tiefen ſeiner Kenntniſſe auf — ließ mir — dem unwuͤrdigſten ſeiner Juͤnger — mir ſein Menſchen begluͤckendes Arcanum. Gerhard (äußerſt geſpannt.) Und dieſes Ar- canum? Weinhold (legt den Finger auf den Mund.) So fragt man Kinder aus. Gerhard. O, laß Er doch ein Wort mit ſich reden, Vetter! — Aber vor allen Dingen ſetz’ Er ſich! Ich bekomme den Krampf vor Erſtau- nen und Ungeduld. (Setzt ſich in ſeinen Seſſel; Wein- hold neben ihm.) Vielleicht koͤnnen wir einen Tauſch treffen. Ich hab’ auch bewaͤhrte Specifica. Weinhold (verächtlich.) Von Zahnaͤrzten oder alten Bademuͤttern? — (Lauter und ſchnell.) Mein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0120" n="114"/> <fw place="top" type="header">Die Erbſchleicher.</fw><lb/> <sp who="#WEIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Weinhold.</hi> </speaker> <p>Haben Sie nie vom beruͤhmten<lb/> Saint-Germain gehoͤrt, den es, nach einer Pil-<lb/> grimſchaft von fuͤnf Jahrhunderten, geluͤſtete, ei-<lb/> nen andern Planeten zu bereiſen?</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker> <stage>(ihn anſtaunend.)</stage> <p>Was? Ein Menſch<lb/> im <hi rendition="#g">neuen</hi> Teſtamente, der fuͤnf hundert Jahre<lb/> gelebt hat?</p> </sp><lb/> <sp who="#WEIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Weinhold.</hi> </speaker> <p>Und gebluͤht, wie eine Roſe. —<lb/> Ich war ſo gluͤcklich, ihn von Angeſicht zu ſe-<lb/> hen. Er druͤckte mich an ſeinen Buſen, ſchloß<lb/> mir die Tiefen ſeiner Kenntniſſe auf — ließ mir<lb/> — dem unwuͤrdigſten ſeiner Juͤnger — mir ſein<lb/> Menſchen begluͤckendes <hi rendition="#aq">Arcanum</hi>.</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker> <stage>(äußerſt geſpannt.)</stage> <p>Und dieſes <hi rendition="#aq">Ar-<lb/> canum</hi>?</p> </sp><lb/> <sp who="#WEIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Weinhold</hi> </speaker> <stage>(legt den Finger auf den Mund.)</stage> <p>So<lb/> fragt man Kinder aus.</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker> <p>O, laß Er doch ein Wort mit ſich<lb/> reden, Vetter! — Aber vor allen Dingen ſetz’<lb/> Er ſich! Ich bekomme den Krampf vor Erſtau-<lb/> nen und Ungeduld.</p> <stage>(Setzt ſich in ſeinen Seſſel; Wein-<lb/> hold neben ihm.)</stage> <p>Vielleicht koͤnnen wir einen Tauſch<lb/> treffen. Ich hab’ auch bewaͤhrte <hi rendition="#aq">Specifica</hi>.</p> </sp><lb/> <sp who="#WEIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Weinhold</hi> </speaker> <stage>(verächtlich.)</stage> <p>Von Zahnaͤrzten oder<lb/> alten Bademuͤttern? —</p> <stage>(Lauter und ſchnell.)</stage> <p>Mein<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0120]
Die Erbſchleicher.
Weinhold. Haben Sie nie vom beruͤhmten
Saint-Germain gehoͤrt, den es, nach einer Pil-
grimſchaft von fuͤnf Jahrhunderten, geluͤſtete, ei-
nen andern Planeten zu bereiſen?
Gerhard (ihn anſtaunend.) Was? Ein Menſch
im neuen Teſtamente, der fuͤnf hundert Jahre
gelebt hat?
Weinhold. Und gebluͤht, wie eine Roſe. —
Ich war ſo gluͤcklich, ihn von Angeſicht zu ſe-
hen. Er druͤckte mich an ſeinen Buſen, ſchloß
mir die Tiefen ſeiner Kenntniſſe auf — ließ mir
— dem unwuͤrdigſten ſeiner Juͤnger — mir ſein
Menſchen begluͤckendes Arcanum.
Gerhard (äußerſt geſpannt.) Und dieſes Ar-
canum?
Weinhold (legt den Finger auf den Mund.) So
fragt man Kinder aus.
Gerhard. O, laß Er doch ein Wort mit ſich
reden, Vetter! — Aber vor allen Dingen ſetz’
Er ſich! Ich bekomme den Krampf vor Erſtau-
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hold neben ihm.) Vielleicht koͤnnen wir einen Tauſch
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Zitationshilfe: | Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/120>, abgerufen am 30.07.2024. |