Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sich Mutter und Großmutter verbissen, hinten schlug der Vater seine Zähne ein, die ganze Verwandtschaft hing sich in sein Fleisch; da konnte er nicht mehr fort, er war gestellt, heranbraus'ten die schrecklichen Jäger, voran der Ritter auf dem Rosse der Nacht, mit dem Gesichte, flammend wie Höllenglut. Der Ritter stieß ihm den Speer in den Nacken, er fühlte, wie sein Leben durchschnitten war, der Knoten zerhauen, der die Seele festhielt im Leibe. Aber er starb doch nicht, Höllenschmerz flutete ihm durch Mark und Bein; Glied um Glied zischte, und wie abgebrannt durch höllisches Feuer fiel es vom Körper, schien ein eigenes Leben zu erhalten, zu einem besondern Wesen sich zu gestalten, und als die Glieder alle abgefallen waren, da traf ihn der Reiter auf dem schwarzen Rosse mit grimmigem Peitschenschlage, daß ein Wehgeheul ihm aus dem Munde fuhr. Plötzlich war er zum Hunde geworden, zum alleinigen Hunde der Jagd, zum Höllenhunde; die andern Hunde waren verschwunden oder saßen hoch zu Roß unter den Jägern. Nun braus'te auf ihn Jagdgeschrei mit Hollah und Hussassa, mit Speer und Peitsche hetzten sie den einzigen Hund zur neuen wilden, wüsten Jagd; mit gräßlichem Geheule jagte er dem Gewilde nach, das vor ihm dahin stob. Es waren seine eigenen Glieder, zu seinem Weibe und Kindern hatten sie sich gestaltet, sein eigen Weib und seine Kinder waren es, die er jagte als Höllenhund mit gräßlichem Geheule; weinend und schreiend sich Mutter und Großmutter verbissen, hinten schlug der Vater seine Zähne ein, die ganze Verwandtschaft hing sich in sein Fleisch; da konnte er nicht mehr fort, er war gestellt, heranbraus'ten die schrecklichen Jäger, voran der Ritter auf dem Rosse der Nacht, mit dem Gesichte, flammend wie Höllenglut. Der Ritter stieß ihm den Speer in den Nacken, er fühlte, wie sein Leben durchschnitten war, der Knoten zerhauen, der die Seele festhielt im Leibe. Aber er starb doch nicht, Höllenschmerz flutete ihm durch Mark und Bein; Glied um Glied zischte, und wie abgebrannt durch höllisches Feuer fiel es vom Körper, schien ein eigenes Leben zu erhalten, zu einem besondern Wesen sich zu gestalten, und als die Glieder alle abgefallen waren, da traf ihn der Reiter auf dem schwarzen Rosse mit grimmigem Peitschenschlage, daß ein Wehgeheul ihm aus dem Munde fuhr. Plötzlich war er zum Hunde geworden, zum alleinigen Hunde der Jagd, zum Höllenhunde; die andern Hunde waren verschwunden oder saßen hoch zu Roß unter den Jägern. Nun braus'te auf ihn Jagdgeschrei mit Hollah und Hussassa, mit Speer und Peitsche hetzten sie den einzigen Hund zur neuen wilden, wüsten Jagd; mit gräßlichem Geheule jagte er dem Gewilde nach, das vor ihm dahin stob. Es waren seine eigenen Glieder, zu seinem Weibe und Kindern hatten sie sich gestaltet, sein eigen Weib und seine Kinder waren es, die er jagte als Höllenhund mit gräßlichem Geheule; weinend und schreiend <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0174"/> sich Mutter und Großmutter verbissen, hinten schlug der Vater seine Zähne ein, die ganze Verwandtschaft hing sich in sein Fleisch; da konnte er nicht mehr fort, er war gestellt, heranbraus'ten die schrecklichen Jäger, voran der Ritter auf dem Rosse der Nacht, mit dem Gesichte, flammend wie Höllenglut. Der Ritter stieß ihm den Speer in den Nacken, er fühlte, wie sein Leben durchschnitten war, der Knoten zerhauen, der die Seele festhielt im Leibe. Aber er starb doch nicht, Höllenschmerz flutete ihm durch Mark und Bein; Glied um Glied zischte, und wie abgebrannt durch höllisches Feuer fiel es vom Körper, schien ein eigenes Leben zu erhalten, zu einem besondern Wesen sich zu gestalten, und als die Glieder alle abgefallen waren, da traf ihn der Reiter auf dem schwarzen Rosse mit grimmigem Peitschenschlage, daß ein Wehgeheul ihm aus dem Munde fuhr. Plötzlich war er zum Hunde geworden, zum alleinigen Hunde der Jagd, zum Höllenhunde; die andern Hunde waren verschwunden oder saßen hoch zu Roß unter den Jägern. Nun braus'te auf ihn Jagdgeschrei mit Hollah und Hussassa, mit Speer und Peitsche hetzten sie den einzigen Hund zur neuen wilden, wüsten Jagd; mit gräßlichem Geheule jagte er dem Gewilde nach, das vor ihm dahin stob. Es waren seine eigenen Glieder, zu seinem Weibe und Kindern hatten sie sich gestaltet, sein eigen Weib und seine Kinder waren es, die er jagte als Höllenhund mit gräßlichem Geheule; weinend und schreiend<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0174]
sich Mutter und Großmutter verbissen, hinten schlug der Vater seine Zähne ein, die ganze Verwandtschaft hing sich in sein Fleisch; da konnte er nicht mehr fort, er war gestellt, heranbraus'ten die schrecklichen Jäger, voran der Ritter auf dem Rosse der Nacht, mit dem Gesichte, flammend wie Höllenglut. Der Ritter stieß ihm den Speer in den Nacken, er fühlte, wie sein Leben durchschnitten war, der Knoten zerhauen, der die Seele festhielt im Leibe. Aber er starb doch nicht, Höllenschmerz flutete ihm durch Mark und Bein; Glied um Glied zischte, und wie abgebrannt durch höllisches Feuer fiel es vom Körper, schien ein eigenes Leben zu erhalten, zu einem besondern Wesen sich zu gestalten, und als die Glieder alle abgefallen waren, da traf ihn der Reiter auf dem schwarzen Rosse mit grimmigem Peitschenschlage, daß ein Wehgeheul ihm aus dem Munde fuhr. Plötzlich war er zum Hunde geworden, zum alleinigen Hunde der Jagd, zum Höllenhunde; die andern Hunde waren verschwunden oder saßen hoch zu Roß unter den Jägern. Nun braus'te auf ihn Jagdgeschrei mit Hollah und Hussassa, mit Speer und Peitsche hetzten sie den einzigen Hund zur neuen wilden, wüsten Jagd; mit gräßlichem Geheule jagte er dem Gewilde nach, das vor ihm dahin stob. Es waren seine eigenen Glieder, zu seinem Weibe und Kindern hatten sie sich gestaltet, sein eigen Weib und seine Kinder waren es, die er jagte als Höllenhund mit gräßlichem Geheule; weinend und schreiend
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/174>, abgerufen am 16.02.2025. |