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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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schreiben und ihn mahnen, daß er mir das Vermögen übergebe. Der hätte sich schon lange rühren sollen. Aber auf dem Lande nimmt man so was kaltblütig, und das Rechnunggeben wird ihm nicht pressiren. Enfin, man kann ihm Beine machen! Komm, sitz, Schatzeli, und gib mir an, was du weißt. -- Aber Stößeli, meine Sache ist gar unbedeutend, es ist nicht der Rede werth. Wenn der Vogt Rechnung giebt, so siehst du dann, was es ist. -- Du guts Fraueli, bist immer viel zu bescheiden, ein Vermögen, wo Effecten wie Häuser und Berge vorkommen, wird nicht so unbedeutend sein. Kannst mir sagen, wie viel Kühe sömmert der Küher auf dem Berge, oder wintert er sogar noch auf demselben? Da nahm sich Luise zusammen; einmal müsse es doch sein, dachte sie.

Ich habe weder Haus noch Berg, sagte sie. Wa -- was? stotterte Notar Stößli. Das wird nicht sein, hast es mir ja selbst gesagt! Ja, sagte Luise, aber nicht im Ernste. Du sagtest, es wäre dir lieb, einen Entwurf zu machen, so lernte ich am besten, was man in ein Testament thun müsse. Ich durfte es nicht abschlagen und schämte mich, meine Wenigkeit anzugeben, und weiß Gott, ich weiß nicht, wie mir die Sache in den Mund kam, ich begreife es noch jetzt nicht, gab nun an, was kam. Ich dachte, es hätte ja nichts zu bedeuten. Ich wollte es dir schon öfters sagen, aber dann kam immer Etwas dazwischen, und am Ende dachte ich, du hättest es vergessen, und so vergaß ich es auch. -- Was vergessen, meinst, solches vergesse man? Also zum Narren gehalten hast du mich, hineingesprengt! schrie Stößli, der Notar. Da kam es dick, daß es dem Herrn Stößli im Halse stecken blieb und er fast erstickt wäre. -- Ach mein Gott, verzeih mir das, ich meinte es sicherlich nicht bös, und Geld hin Geld her, bin ja deine Luise, und wie oft hast du mir nicht gesagt, du wolltest den rechten Daumen geben, wenn ich keinen Kreuzer hätte, damit ich sehen könnte, wie lieb ich dir sei, und daß du mich nicht wegem Geld nähmest. Jetzt

schreiben und ihn mahnen, daß er mir das Vermögen übergebe. Der hätte sich schon lange rühren sollen. Aber auf dem Lande nimmt man so was kaltblütig, und das Rechnunggeben wird ihm nicht pressiren. Enfin, man kann ihm Beine machen! Komm, sitz, Schatzeli, und gib mir an, was du weißt. — Aber Stößeli, meine Sache ist gar unbedeutend, es ist nicht der Rede werth. Wenn der Vogt Rechnung giebt, so siehst du dann, was es ist. — Du guts Fraueli, bist immer viel zu bescheiden, ein Vermögen, wo Effecten wie Häuser und Berge vorkommen, wird nicht so unbedeutend sein. Kannst mir sagen, wie viel Kühe sömmert der Küher auf dem Berge, oder wintert er sogar noch auf demselben? Da nahm sich Luise zusammen; einmal müsse es doch sein, dachte sie.

Ich habe weder Haus noch Berg, sagte sie. Wa — was? stotterte Notar Stößli. Das wird nicht sein, hast es mir ja selbst gesagt! Ja, sagte Luise, aber nicht im Ernste. Du sagtest, es wäre dir lieb, einen Entwurf zu machen, so lernte ich am besten, was man in ein Testament thun müsse. Ich durfte es nicht abschlagen und schämte mich, meine Wenigkeit anzugeben, und weiß Gott, ich weiß nicht, wie mir die Sache in den Mund kam, ich begreife es noch jetzt nicht, gab nun an, was kam. Ich dachte, es hätte ja nichts zu bedeuten. Ich wollte es dir schon öfters sagen, aber dann kam immer Etwas dazwischen, und am Ende dachte ich, du hättest es vergessen, und so vergaß ich es auch. — Was vergessen, meinst, solches vergesse man? Also zum Narren gehalten hast du mich, hineingesprengt! schrie Stößli, der Notar. Da kam es dick, daß es dem Herrn Stößli im Halse stecken blieb und er fast erstickt wäre. — Ach mein Gott, verzeih mir das, ich meinte es sicherlich nicht bös, und Geld hin Geld her, bin ja deine Luise, und wie oft hast du mir nicht gesagt, du wolltest den rechten Daumen geben, wenn ich keinen Kreuzer hätte, damit ich sehen könnte, wie lieb ich dir sei, und daß du mich nicht wegem Geld nähmest. Jetzt

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[0044] schreiben und ihn mahnen, daß er mir das Vermögen übergebe. Der hätte sich schon lange rühren sollen. Aber auf dem Lande nimmt man so was kaltblütig, und das Rechnunggeben wird ihm nicht pressiren. Enfin, man kann ihm Beine machen! Komm, sitz, Schatzeli, und gib mir an, was du weißt. — Aber Stößeli, meine Sache ist gar unbedeutend, es ist nicht der Rede werth. Wenn der Vogt Rechnung giebt, so siehst du dann, was es ist. — Du guts Fraueli, bist immer viel zu bescheiden, ein Vermögen, wo Effecten wie Häuser und Berge vorkommen, wird nicht so unbedeutend sein. Kannst mir sagen, wie viel Kühe sömmert der Küher auf dem Berge, oder wintert er sogar noch auf demselben? Da nahm sich Luise zusammen; einmal müsse es doch sein, dachte sie. Ich habe weder Haus noch Berg, sagte sie. Wa — was? stotterte Notar Stößli. Das wird nicht sein, hast es mir ja selbst gesagt! Ja, sagte Luise, aber nicht im Ernste. Du sagtest, es wäre dir lieb, einen Entwurf zu machen, so lernte ich am besten, was man in ein Testament thun müsse. Ich durfte es nicht abschlagen und schämte mich, meine Wenigkeit anzugeben, und weiß Gott, ich weiß nicht, wie mir die Sache in den Mund kam, ich begreife es noch jetzt nicht, gab nun an, was kam. Ich dachte, es hätte ja nichts zu bedeuten. Ich wollte es dir schon öfters sagen, aber dann kam immer Etwas dazwischen, und am Ende dachte ich, du hättest es vergessen, und so vergaß ich es auch. — Was vergessen, meinst, solches vergesse man? Also zum Narren gehalten hast du mich, hineingesprengt! schrie Stößli, der Notar. Da kam es dick, daß es dem Herrn Stößli im Halse stecken blieb und er fast erstickt wäre. — Ach mein Gott, verzeih mir das, ich meinte es sicherlich nicht bös, und Geld hin Geld her, bin ja deine Luise, und wie oft hast du mir nicht gesagt, du wolltest den rechten Daumen geben, wenn ich keinen Kreuzer hätte, damit ich sehen könnte, wie lieb ich dir sei, und daß du mich nicht wegem Geld nähmest. Jetzt

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:45:11Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:45:11Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_notar_1910/44>, abgerufen am 18.04.2024.