Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.Zapfen los, und wolle sehen was drinnen sei, und "Das soll aber auch ein seltsamer Mensch gewesen I. 7
Zapfen los, und wolle ſehen was drinnen ſei, und „Das ſoll aber auch ein ſeltſamer Menſch geweſen I. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0107" n="97"/> Zapfen los, und wolle ſehen was drinnen ſei, und<lb/> ſie müßten einmal auch was neues ſehn. Das weckte<lb/> neues Entſetzen, und der Burſche, der das that, ward<lb/> Allen Meiſter, und konnte zwingen was er wollte,<lb/> beſonders bei den Mägden.</p><lb/> <p>„Das ſoll aber auch ein ſeltſamer Menſch geweſen<lb/> ſein, man wußte nicht woher er kam. Er konnte ſanft<lb/> thun wie ein Lamm, und reißend wie ein Wolf; war<lb/> er alleine bei einem Weibsbilde, ſo war er ein ſanftes<lb/> Lamm, vor der Geſellſchaft aber war er wie ein reißen¬<lb/> der Wolf und that als ob er Alle haßte, als ob er<lb/> über Alles aus wolle mit wüſten Thaten und Worten;<lb/> ſolche ſollen den Weibsbildern aber gerade die liebſten<lb/> ſein. Darum entſetzten ſich die Mägde öffentlich vor<lb/> ihm, ſollen ihn aber doch, wenn ſie alleine waren, am<lb/> liebſten von Allen gehabt haben. Er hatte ungleiche<lb/> Augen, aber man wußte nicht von welcher Farbe, und<lb/> beide haßten einander, ſahen nie den gleichen Weg,<lb/> aber unter langem Augenhaar und demüthigem Nieder¬<lb/> ſehen wußte er es zu verbergen. Sein Haar war ſchön<lb/> gelockt, aber man wußte nicht war es roth oder falb;<lb/> im Schatten war es das ſchönſte Flachshaar, ſchien<lb/> aber die Sonne darauf, ſo hatte kein Eichhörnchen<lb/> einen röthern Pelz. Er quälte wie Keiner das Vieh.<lb/> Daſſelbe haßte ihn auch darnach. Von den Knechten<lb/> meinte ein Jeder, er ſei ſein Freund, und gegen Jeden<lb/> wies er die Andern auf. Den Meiſterweibern war er<lb/> unter Allen alleine recht; er alleine war oft im obern<lb/> Hauſe, dann thaten unten die Mägde wüſt; ſo bald<lb/> er es merkte, ſteckte er ſein Meſſer an den Zapfen und<lb/> begann ſein Drohen, bis die Mägde zum Kreuze kro¬<lb/> chen. Doch behielt dieſes Spiel auch nicht lange ſeine<lb/> Wirkung. Die Mägde wurden deſſen gewohnt und<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I</hi>. 7<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [97/0107]
Zapfen los, und wolle ſehen was drinnen ſei, und
ſie müßten einmal auch was neues ſehn. Das weckte
neues Entſetzen, und der Burſche, der das that, ward
Allen Meiſter, und konnte zwingen was er wollte,
beſonders bei den Mägden.
„Das ſoll aber auch ein ſeltſamer Menſch geweſen
ſein, man wußte nicht woher er kam. Er konnte ſanft
thun wie ein Lamm, und reißend wie ein Wolf; war
er alleine bei einem Weibsbilde, ſo war er ein ſanftes
Lamm, vor der Geſellſchaft aber war er wie ein reißen¬
der Wolf und that als ob er Alle haßte, als ob er
über Alles aus wolle mit wüſten Thaten und Worten;
ſolche ſollen den Weibsbildern aber gerade die liebſten
ſein. Darum entſetzten ſich die Mägde öffentlich vor
ihm, ſollen ihn aber doch, wenn ſie alleine waren, am
liebſten von Allen gehabt haben. Er hatte ungleiche
Augen, aber man wußte nicht von welcher Farbe, und
beide haßten einander, ſahen nie den gleichen Weg,
aber unter langem Augenhaar und demüthigem Nieder¬
ſehen wußte er es zu verbergen. Sein Haar war ſchön
gelockt, aber man wußte nicht war es roth oder falb;
im Schatten war es das ſchönſte Flachshaar, ſchien
aber die Sonne darauf, ſo hatte kein Eichhörnchen
einen röthern Pelz. Er quälte wie Keiner das Vieh.
Daſſelbe haßte ihn auch darnach. Von den Knechten
meinte ein Jeder, er ſei ſein Freund, und gegen Jeden
wies er die Andern auf. Den Meiſterweibern war er
unter Allen alleine recht; er alleine war oft im obern
Hauſe, dann thaten unten die Mägde wüſt; ſo bald
er es merkte, ſteckte er ſein Meſſer an den Zapfen und
begann ſein Drohen, bis die Mägde zum Kreuze kro¬
chen. Doch behielt dieſes Spiel auch nicht lange ſeine
Wirkung. Die Mägde wurden deſſen gewohnt und
I. 7
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |