Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842."Sie wußten nicht, wie ihnen war, als der so "Es war ein feierlicher Tag, als das ganze Thal "Als in der Kirche und auf dem Kirchhofe viele „Sie wußten nicht, wie ihnen war, als der ſo „Es war ein feierlicher Tag, als das ganze Thal „Als in der Kirche und auf dem Kirchhofe viele <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0117" n="107"/> <p>„Sie wußten nicht, wie ihnen war, als der ſo<lb/> ſchreckliche Schreck, der fort und fort durch ihre Glieder<lb/> zitterte, auf einmal geſchwunden war, und ſie mit Freu¬<lb/> den wieder in den blauen Himmel hinauf ſehen konn¬<lb/> ten, ohne Angſt, die Spinne krieche unterdeſſen auf ihre<lb/> Füße. Sie beſchloſſen viele Meſſen und einen allge¬<lb/> meinen Kilchgang; vor Allem aber wollten ſie die bei¬<lb/> den Leichen beſtatten, Chriſten und ſeine Drängerin,<lb/> dann ſollten auch die andern eine Stätte finden, ſo<lb/> weit es möglich war.</p><lb/> <p>„Es war ein feierlicher Tag, als das ganze Thal<lb/> zur Kirche wanderte, und auch in manchem Herzen<lb/> war es feierlich, manche Sünde ward erkannt, manch<lb/> Gelübde ward gethan; und von dem Tage an wurde<lb/> viel übertriebenes Weſen auf den Geſichtern und in den<lb/> Kleidern nicht mehr geſehen.</p><lb/> <p>„Als in der Kirche und auf dem Kirchhofe viele<lb/> Thränen gefloſſen, viele Gebete geſchehen waren, gingen<lb/> Alle aus der ganzen Thalſchaft, welche zur Begräbniß<lb/> gekommen waren — und gekommen waren Alle, die ihrer<lb/> Glieder mächtig waren — zum üblichen Imbiß ins Wirths¬<lb/> haus. Da geſchah es nun, daß, wie üblich, Weiber und<lb/> Kinder an einem eigenen Tiſche ſaßen, die ſämmtliche<lb/> erwachſene Mannſchaft aber Platz hatte an dem berühm¬<lb/> ten Scheibentiſche, der jetzt noch im Bären in Sumis¬<lb/> wald zu ſehen iſt. Er ward aufbewahrt zum Andenken,<lb/> daß einſt nur noch zwei Dutzend Männer waren, wo<lb/> jetzt an zwei Tauſende wohnen; zum Andenken, daß<lb/> auch das Leben der Zweitauſende in der Hand deſſen<lb/> ſtehe, der die zwei Dutzend gerettet. Damals ſäumte<lb/> man ſich nicht lange an der Gräbt; es waren die Her¬<lb/> zen zu voll, als daß viel Speiſe und Trank Platz ge¬<lb/> habt hätte. Als ſie aus dem Dorfe hervor auf die freie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [107/0117]
„Sie wußten nicht, wie ihnen war, als der ſo
ſchreckliche Schreck, der fort und fort durch ihre Glieder
zitterte, auf einmal geſchwunden war, und ſie mit Freu¬
den wieder in den blauen Himmel hinauf ſehen konn¬
ten, ohne Angſt, die Spinne krieche unterdeſſen auf ihre
Füße. Sie beſchloſſen viele Meſſen und einen allge¬
meinen Kilchgang; vor Allem aber wollten ſie die bei¬
den Leichen beſtatten, Chriſten und ſeine Drängerin,
dann ſollten auch die andern eine Stätte finden, ſo
weit es möglich war.
„Es war ein feierlicher Tag, als das ganze Thal
zur Kirche wanderte, und auch in manchem Herzen
war es feierlich, manche Sünde ward erkannt, manch
Gelübde ward gethan; und von dem Tage an wurde
viel übertriebenes Weſen auf den Geſichtern und in den
Kleidern nicht mehr geſehen.
„Als in der Kirche und auf dem Kirchhofe viele
Thränen gefloſſen, viele Gebete geſchehen waren, gingen
Alle aus der ganzen Thalſchaft, welche zur Begräbniß
gekommen waren — und gekommen waren Alle, die ihrer
Glieder mächtig waren — zum üblichen Imbiß ins Wirths¬
haus. Da geſchah es nun, daß, wie üblich, Weiber und
Kinder an einem eigenen Tiſche ſaßen, die ſämmtliche
erwachſene Mannſchaft aber Platz hatte an dem berühm¬
ten Scheibentiſche, der jetzt noch im Bären in Sumis¬
wald zu ſehen iſt. Er ward aufbewahrt zum Andenken,
daß einſt nur noch zwei Dutzend Männer waren, wo
jetzt an zwei Tauſende wohnen; zum Andenken, daß
auch das Leben der Zweitauſende in der Hand deſſen
ſtehe, der die zwei Dutzend gerettet. Damals ſäumte
man ſich nicht lange an der Gräbt; es waren die Her¬
zen zu voll, als daß viel Speiſe und Trank Platz ge¬
habt hätte. Als ſie aus dem Dorfe hervor auf die freie
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