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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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Höhe kamen, sahen sie eine Röthe am Himmel, und
als sie heim kamen, fanden sie das neue Haus nieder¬
gebrannt bis auf den Boden; wie es zugegangen, er¬
fuhr man nie.

"Aber was Christen an ihnen gethan, vergaßen
die Leute nicht, an seinen Kindern vergalten sie es.
Fromm und wacker erzogen sie dieselben in den frömm¬
sten Häusern; an ihrem Gute vergriff sich keine Hand,
obgleich keine Rechnung zu sehen war. Es wurde ge¬
mehret und wohl besorgt, und als die Kinder aufer¬
wachsen waren, so waren sie nicht nur nicht um ihr
Gut betrogen, sondern noch viel weniger um ihre See¬
len. Es wurden rechtschaffene gottesfürchtige Menschen,
die Gnade bei Gott hatten und Wohlgefallen bei den
Menschen, die Segen im Leben fanden und im Himmel
noch mehr. Und so blieb es in der Familie, und man
fürchtete die Spinne nicht, denn man fürchtete Gott,
und wie es gewesen war, so soll es, so Gott will,
auch bleiben, so lange hier ein Haus steht, so lange
Kinder den Eltern folgen in Wegen und Gedanken."

Hier schwieg der Großvater, und lange schwiegen
Alle, und die Einen sannen dem Gehörten nach, und
die Andern meinten, er schöpfe Athem und fahre dann
weiters fort.

Endlich sagte der ältere Götti: "An dem Scheiben¬
tisch bin ich manchmal gesessen und habe vom Sterbet
gehört und daß nach demselben sämmtliche Mannschaft
in der Gemeinde daran Platz gehabt. Aber wie Punk¬
tum alles zugegangen, das konnte mir Niemand sagen.
Die Einen stürmten dieß, und Andere anders. Aber
sage mir, wo hast du denn Alles das vernommen?"

"He, sagte der Großvater, das erbte sich bei uns
vom Vater auf den Sohn, und als das Andenken da¬

Höhe kamen, ſahen ſie eine Röthe am Himmel, und
als ſie heim kamen, fanden ſie das neue Haus nieder¬
gebrannt bis auf den Boden; wie es zugegangen, er¬
fuhr man nie.

„Aber was Chriſten an ihnen gethan, vergaßen
die Leute nicht, an ſeinen Kindern vergalten ſie es.
Fromm und wacker erzogen ſie dieſelben in den frömm¬
ſten Häuſern; an ihrem Gute vergriff ſich keine Hand,
obgleich keine Rechnung zu ſehen war. Es wurde ge¬
mehret und wohl beſorgt, und als die Kinder aufer¬
wachſen waren, ſo waren ſie nicht nur nicht um ihr
Gut betrogen, ſondern noch viel weniger um ihre See¬
len. Es wurden rechtſchaffene gottesfürchtige Menſchen,
die Gnade bei Gott hatten und Wohlgefallen bei den
Menſchen, die Segen im Leben fanden und im Himmel
noch mehr. Und ſo blieb es in der Familie, und man
fürchtete die Spinne nicht, denn man fürchtete Gott,
und wie es geweſen war, ſo ſoll es, ſo Gott will,
auch bleiben, ſo lange hier ein Haus ſteht, ſo lange
Kinder den Eltern folgen in Wegen und Gedanken.“

Hier ſchwieg der Großvater, und lange ſchwiegen
Alle, und die Einen ſannen dem Gehörten nach, und
die Andern meinten, er ſchöpfe Athem und fahre dann
weiters fort.

Endlich ſagte der ältere Götti: „An dem Scheiben¬
tiſch bin ich manchmal geſeſſen und habe vom Sterbet
gehört und daß nach demſelben ſämmtliche Mannſchaft
in der Gemeinde daran Platz gehabt. Aber wie Punk¬
tum alles zugegangen, das konnte mir Niemand ſagen.
Die Einen ſtürmten dieß, und Andere anders. Aber
ſage mir, wo haſt du denn Alles das vernommen?“

„He, ſagte der Großvater, das erbte ſich bei uns
vom Vater auf den Sohn, und als das Andenken da¬

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[108/0118] Höhe kamen, ſahen ſie eine Röthe am Himmel, und als ſie heim kamen, fanden ſie das neue Haus nieder¬ gebrannt bis auf den Boden; wie es zugegangen, er¬ fuhr man nie. „Aber was Chriſten an ihnen gethan, vergaßen die Leute nicht, an ſeinen Kindern vergalten ſie es. Fromm und wacker erzogen ſie dieſelben in den frömm¬ ſten Häuſern; an ihrem Gute vergriff ſich keine Hand, obgleich keine Rechnung zu ſehen war. Es wurde ge¬ mehret und wohl beſorgt, und als die Kinder aufer¬ wachſen waren, ſo waren ſie nicht nur nicht um ihr Gut betrogen, ſondern noch viel weniger um ihre See¬ len. Es wurden rechtſchaffene gottesfürchtige Menſchen, die Gnade bei Gott hatten und Wohlgefallen bei den Menſchen, die Segen im Leben fanden und im Himmel noch mehr. Und ſo blieb es in der Familie, und man fürchtete die Spinne nicht, denn man fürchtete Gott, und wie es geweſen war, ſo ſoll es, ſo Gott will, auch bleiben, ſo lange hier ein Haus ſteht, ſo lange Kinder den Eltern folgen in Wegen und Gedanken.“ Hier ſchwieg der Großvater, und lange ſchwiegen Alle, und die Einen ſannen dem Gehörten nach, und die Andern meinten, er ſchöpfe Athem und fahre dann weiters fort. Endlich ſagte der ältere Götti: „An dem Scheiben¬ tiſch bin ich manchmal geſeſſen und habe vom Sterbet gehört und daß nach demſelben ſämmtliche Mannſchaft in der Gemeinde daran Platz gehabt. Aber wie Punk¬ tum alles zugegangen, das konnte mir Niemand ſagen. Die Einen ſtürmten dieß, und Andere anders. Aber ſage mir, wo haſt du denn Alles das vernommen?“ „He, ſagte der Großvater, das erbte ſich bei uns vom Vater auf den Sohn, und als das Andenken da¬

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/118>, abgerufen am 21.11.2024.