Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Sonntag Abends den 13. August 1837 stand auf der
Brücke zu Lützelflüh, welche auf der Straße von Luzern
nach Bern über die bernerische Emme führt, eine be¬
bende Menge.

Eine angstvolle, seltsame Woche war dem Tage des
Herrn vorangegangen.

Ein schwer Gewitter, den 4. August, schien den Herbst
herbeigerufen zu haben, der nun einen gräulichen Kampf
mit dem Sommer rang. Nebelvoll, herbstlich waren
die Morgen, man glaubte das Läuten der Kühe, der
Hunde Jagdgebell hören zu müssen; gegen Mittag
brannte die Sonne durch die Dünste in verdoppelter
Gluth, und am Abend hallten von des Donners ge¬
waltiger Stimme die Berge wieder.

Ganze Nebelheere hatten in die Schweiz sich gezo¬
gen, waren über die Berge gestiegen, hatten in die
Thäler sich gestürzt und lagerten sich grau und wüst
über den Thalgründen und an den Thalwänden. Von
allen Seiten waren sie hergekommen, als ob alle Mächte
der ehemaligen sogenannten heiligen Allianz, die rings
uns umwohnen, in ihren Ländern alle Dünste, alles
die Luft trübende zusammengeblasen und fortgeblasen
hätten über ihre Gränzen, über unsere Berge herein,
daß es sich da ablagere und niederschlage zu Graus
und Verderben der arglosen Schweizer. Astronomen

Sonntag Abends den 13. Auguſt 1837 ſtand auf der
Brücke zu Lützelflüh, welche auf der Straße von Luzern
nach Bern über die berneriſche Emme führt, eine be¬
bende Menge.

Eine angſtvolle, ſeltſame Woche war dem Tage des
Herrn vorangegangen.

Ein ſchwer Gewitter, den 4. Auguſt, ſchien den Herbſt
herbeigerufen zu haben, der nun einen gräulichen Kampf
mit dem Sommer rang. Nebelvoll, herbſtlich waren
die Morgen, man glaubte das Läuten der Kühe, der
Hunde Jagdgebell hören zu müſſen; gegen Mittag
brannte die Sonne durch die Dünſte in verdoppelter
Gluth, und am Abend hallten von des Donners ge¬
waltiger Stimme die Berge wieder.

Ganze Nebelheere hatten in die Schweiz ſich gezo¬
gen, waren über die Berge geſtiegen, hatten in die
Thäler ſich geſtürzt und lagerten ſich grau und wüſt
über den Thalgründen und an den Thalwänden. Von
allen Seiten waren ſie hergekommen, als ob alle Mächte
der ehemaligen ſogenannten heiligen Allianz, die rings
uns umwohnen, in ihren Ländern alle Dünſte, alles
die Luft trübende zuſammengeblaſen und fortgeblaſen
hätten über ihre Gränzen, über unſere Berge herein,
daß es ſich da ablagere und niederſchlage zu Graus
und Verderben der argloſen Schweizer. Aſtronomen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0125" n="115"/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>onntag Abends den 13. Augu&#x017F;t 1837 &#x017F;tand auf der<lb/>
Brücke zu Lützelflüh, welche auf der Straße von Luzern<lb/>
nach Bern über die berneri&#x017F;che Emme führt, eine be¬<lb/>
bende Menge.</p><lb/>
        <p>Eine ang&#x017F;tvolle, &#x017F;elt&#x017F;ame Woche war dem Tage des<lb/>
Herrn vorangegangen.</p><lb/>
        <p>Ein &#x017F;chwer Gewitter, den 4. Augu&#x017F;t, &#x017F;chien den Herb&#x017F;t<lb/>
herbeigerufen zu haben, der nun einen gräulichen Kampf<lb/>
mit dem Sommer rang. Nebelvoll, herb&#x017F;tlich waren<lb/>
die Morgen, man glaubte das Läuten der Kühe, der<lb/>
Hunde Jagdgebell hören zu mü&#x017F;&#x017F;en; gegen Mittag<lb/>
brannte die Sonne durch die Dün&#x017F;te in verdoppelter<lb/>
Gluth, und am Abend hallten von des Donners ge¬<lb/>
waltiger Stimme die Berge wieder.</p><lb/>
        <p>Ganze Nebelheere hatten in die Schweiz &#x017F;ich gezo¬<lb/>
gen, waren über die Berge ge&#x017F;tiegen, hatten in die<lb/>
Thäler &#x017F;ich ge&#x017F;türzt und lagerten &#x017F;ich grau und wü&#x017F;t<lb/>
über den Thalgründen und an den Thalwänden. Von<lb/>
allen Seiten waren &#x017F;ie hergekommen, als ob alle Mächte<lb/>
der ehemaligen &#x017F;ogenannten heiligen Allianz, die rings<lb/>
uns umwohnen, in ihren Ländern alle Dün&#x017F;te, alles<lb/>
die Luft trübende zu&#x017F;ammengebla&#x017F;en und fortgebla&#x017F;en<lb/>
hätten über ihre Gränzen, über un&#x017F;ere Berge herein,<lb/>
daß es &#x017F;ich da ablagere und nieder&#x017F;chlage zu Graus<lb/>
und Verderben der arglo&#x017F;en Schweizer. A&#x017F;tronomen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0125] Sonntag Abends den 13. Auguſt 1837 ſtand auf der Brücke zu Lützelflüh, welche auf der Straße von Luzern nach Bern über die berneriſche Emme führt, eine be¬ bende Menge. Eine angſtvolle, ſeltſame Woche war dem Tage des Herrn vorangegangen. Ein ſchwer Gewitter, den 4. Auguſt, ſchien den Herbſt herbeigerufen zu haben, der nun einen gräulichen Kampf mit dem Sommer rang. Nebelvoll, herbſtlich waren die Morgen, man glaubte das Läuten der Kühe, der Hunde Jagdgebell hören zu müſſen; gegen Mittag brannte die Sonne durch die Dünſte in verdoppelter Gluth, und am Abend hallten von des Donners ge¬ waltiger Stimme die Berge wieder. Ganze Nebelheere hatten in die Schweiz ſich gezo¬ gen, waren über die Berge geſtiegen, hatten in die Thäler ſich geſtürzt und lagerten ſich grau und wüſt über den Thalgründen und an den Thalwänden. Von allen Seiten waren ſie hergekommen, als ob alle Mächte der ehemaligen ſogenannten heiligen Allianz, die rings uns umwohnen, in ihren Ländern alle Dünſte, alles die Luft trübende zuſammengeblaſen und fortgeblaſen hätten über ihre Gränzen, über unſere Berge herein, daß es ſich da ablagere und niederſchlage zu Graus und Verderben der argloſen Schweizer. Aſtronomen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/125
Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/125>, abgerufen am 21.11.2024.