Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.Hause und stund lange dort, ehe es sich zu künden "Ach, es konnte nicht reden, nicht jammern und "Da hätte man es auch gefragt und es hätte sein Hauſe und ſtund lange dort, ehe es ſich zu künden „Ach, es konnte nicht reden, nicht jammern und „Da hätte man es auch gefragt und es hätte ſein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0154" n="144"/> Hauſe und ſtund lange dort, ehe es ſich zu künden<lb/> wagte, und fühlte vor Angſt die Kälte nicht. Endlich<lb/> that es es doch; da ſtreckte man ihm aus dem Fenſter¬<lb/> läufterli ein Stückli Brod dar, und ehe es ſein An¬<lb/> liegen darthun konnte, hatte man das Läufterli wieder<lb/> zugeſchoben. Es mußte wieder fort, mußte von einem<lb/> Hauſe zum andern, und allenthalben ging es ihm ähnlich.</p><lb/> <p>„Ach, es konnte nicht reden, nicht jammern und<lb/> Hände verwerfen, auf welche Weiſe die eingeübten<lb/> Bettelkinder den dicken Bäuerinnen ihre weichen Her¬<lb/> zen öffnen, und Niemand nahm ſich Zeit abzuwarten,<lb/> bis ſein ſchüchtern Stimmlein Worte gefunden von<lb/> der Noth des Vaters und ihrem Jammer. Und wie<lb/> es weinte das arme Kind, ſah auch Niemand, denn<lb/> die Thränen gefroren ihm ja in ſeinen Augen. Es<lb/> wurde nach und nach ganz gſtabelig und doch durfte<lb/> es ſich nicht das Herz nehmen, irgendwo zu fragen:<lb/> ob es nicht hineinkommen und auf dem Ofen ſich wär¬<lb/> men dürfte. Es wäre ihm ſicher erlaubt worden und<lb/> dann wahrſcheinlich auch geholfen; die Spinnerinnen<lb/> ſind immer gwunderig, und wenn ein Bettelkind auf<lb/> einem Ofen ſich wärmt, ſo muß es Beſcheid und Ant¬<lb/> wort geben, ſchier mehr als es weiß.</p><lb/> <p>„Da hätte man es auch gefragt und es hätte ſein<lb/> Herz leeren und das rechte Mitleid erwecken können;<lb/> aber ſo gut ward es ihm nicht; ein ſchüchtern Bettel¬<lb/> kind iſt im kalten Winter, wo Niemand gerne lange<lb/> draußen auf Beſcheid wartet, übel an. Endlich traf<lb/> es einen vor ſeinem Hauſe Holz abladenden Bauer<lb/> und konnte den nun um welches bitten, und da der<lb/> Bauer nicht preſſirte mit der Antwort, hinzuſetzen, wie<lb/> kalt ſie hätten und wie krank der Vater ſei. Da ſagte<lb/> der Bauer: er führe nicht das Holz zum Hauſe, um<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0154]
Hauſe und ſtund lange dort, ehe es ſich zu künden
wagte, und fühlte vor Angſt die Kälte nicht. Endlich
that es es doch; da ſtreckte man ihm aus dem Fenſter¬
läufterli ein Stückli Brod dar, und ehe es ſein An¬
liegen darthun konnte, hatte man das Läufterli wieder
zugeſchoben. Es mußte wieder fort, mußte von einem
Hauſe zum andern, und allenthalben ging es ihm ähnlich.
„Ach, es konnte nicht reden, nicht jammern und
Hände verwerfen, auf welche Weiſe die eingeübten
Bettelkinder den dicken Bäuerinnen ihre weichen Her¬
zen öffnen, und Niemand nahm ſich Zeit abzuwarten,
bis ſein ſchüchtern Stimmlein Worte gefunden von
der Noth des Vaters und ihrem Jammer. Und wie
es weinte das arme Kind, ſah auch Niemand, denn
die Thränen gefroren ihm ja in ſeinen Augen. Es
wurde nach und nach ganz gſtabelig und doch durfte
es ſich nicht das Herz nehmen, irgendwo zu fragen:
ob es nicht hineinkommen und auf dem Ofen ſich wär¬
men dürfte. Es wäre ihm ſicher erlaubt worden und
dann wahrſcheinlich auch geholfen; die Spinnerinnen
ſind immer gwunderig, und wenn ein Bettelkind auf
einem Ofen ſich wärmt, ſo muß es Beſcheid und Ant¬
wort geben, ſchier mehr als es weiß.
„Da hätte man es auch gefragt und es hätte ſein
Herz leeren und das rechte Mitleid erwecken können;
aber ſo gut ward es ihm nicht; ein ſchüchtern Bettel¬
kind iſt im kalten Winter, wo Niemand gerne lange
draußen auf Beſcheid wartet, übel an. Endlich traf
es einen vor ſeinem Hauſe Holz abladenden Bauer
und konnte den nun um welches bitten, und da der
Bauer nicht preſſirte mit der Antwort, hinzuſetzen, wie
kalt ſie hätten und wie krank der Vater ſei. Da ſagte
der Bauer: er führe nicht das Holz zum Hauſe, um
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