Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842."Und immer dunkler ward ihm vor den Augen, und "Aber die Mutter sah die gelben Vögelein nicht am "Da aber wurden die gelben Vögelein gar traurig, „Und immer dunkler ward ihm vor den Augen, und „Aber die Mutter ſah die gelben Vögelein nicht am „Da aber wurden die gelben Vögelein gar traurig, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0156" n="146"/> <p>„Und immer dunkler ward ihm vor den Augen, und<lb/> immer dunkler ſah es die gelben Vögelein, obgleich ſie<lb/> immer näher blieben. Es fühlte, daß es nicht weiter<lb/> könne, daß es ſchlafen müſſe; aber ehe es auf ſeinen<lb/> Respen niederſank, bat es Gott, daß er doch ſeinen<lb/> Vögelein befehlen möchte, daß ſie heimflögen und ſeiner<lb/> Mutter ſagen möchten, das Margrithli ſchlafe hier im<lb/> Walde und habe Holz für den armen Vater, ſie ſolle<lb/> doch geſchwind kommen, und ihns wieder wecken und<lb/> das Holz holen. Die Vögelein wollten es nicht ſchlafen<lb/> laſſen; ſie flogen ihm aufs Geſichtchen, ſie pickten ihm<lb/> ſanft auf Backen und Lippen, aber der Schlaf lag gar<lb/> zu bleiern auf ihm; ſie konnten es nicht wecken. Da<lb/> flogen ſie ſchnell an das trübe Fenſter des ſchlechten<lb/> Häuschens und pickten ſo ſtark ſie konnten an die lockern<lb/> Scheiben.</p><lb/> <p>„Aber die Mutter ſah die gelben Vögelein nicht am<lb/> Fenſter picken. Gerade als Margrithli zum Schlafen ſich<lb/> niederlegte draußen im Walde auf ſeinen Respen, hatte<lb/> auch der Vater ſich gelegt zum tiefen letzten Schlaf,<lb/> ſeine Augen geſchloſſen und die letzten Athemzüge ge¬<lb/> than. Und die Mutter hatte ihren Kopf zu dem ſeinen<lb/> gelegt in Jammer und ſah und hörte nichts vor Elend,<lb/> nichts von den Vögelein und ihrem Margrithli. Das<lb/> erwachte auch nicht mehr aus ſeinem Schlafe hier auf<lb/> Erden; aber am folgenden Morgen fand man ſein ſtarr<lb/> Leiblein im kalten Walde auf ſeinen Respen und legte<lb/> es neben des Vaters Leiche aufs Bett, und drei Tage<lb/> ſpäter legte man ſie zuſammen ins dunkle Grab, wo es<lb/> wärmer war, als in ihrem kalten Stübchen.</p><lb/> <p>„Da aber wurden die gelben Vögelein gar traurig,<lb/> daß ſie das arme Margrithli nicht vom Tode retten<lb/> konnten, und ſie baten den lieben Gott, daß er ſie doch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [146/0156]
„Und immer dunkler ward ihm vor den Augen, und
immer dunkler ſah es die gelben Vögelein, obgleich ſie
immer näher blieben. Es fühlte, daß es nicht weiter
könne, daß es ſchlafen müſſe; aber ehe es auf ſeinen
Respen niederſank, bat es Gott, daß er doch ſeinen
Vögelein befehlen möchte, daß ſie heimflögen und ſeiner
Mutter ſagen möchten, das Margrithli ſchlafe hier im
Walde und habe Holz für den armen Vater, ſie ſolle
doch geſchwind kommen, und ihns wieder wecken und
das Holz holen. Die Vögelein wollten es nicht ſchlafen
laſſen; ſie flogen ihm aufs Geſichtchen, ſie pickten ihm
ſanft auf Backen und Lippen, aber der Schlaf lag gar
zu bleiern auf ihm; ſie konnten es nicht wecken. Da
flogen ſie ſchnell an das trübe Fenſter des ſchlechten
Häuschens und pickten ſo ſtark ſie konnten an die lockern
Scheiben.
„Aber die Mutter ſah die gelben Vögelein nicht am
Fenſter picken. Gerade als Margrithli zum Schlafen ſich
niederlegte draußen im Walde auf ſeinen Respen, hatte
auch der Vater ſich gelegt zum tiefen letzten Schlaf,
ſeine Augen geſchloſſen und die letzten Athemzüge ge¬
than. Und die Mutter hatte ihren Kopf zu dem ſeinen
gelegt in Jammer und ſah und hörte nichts vor Elend,
nichts von den Vögelein und ihrem Margrithli. Das
erwachte auch nicht mehr aus ſeinem Schlafe hier auf
Erden; aber am folgenden Morgen fand man ſein ſtarr
Leiblein im kalten Walde auf ſeinen Respen und legte
es neben des Vaters Leiche aufs Bett, und drei Tage
ſpäter legte man ſie zuſammen ins dunkle Grab, wo es
wärmer war, als in ihrem kalten Stübchen.
„Da aber wurden die gelben Vögelein gar traurig,
daß ſie das arme Margrithli nicht vom Tode retten
konnten, und ſie baten den lieben Gott, daß er ſie doch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |