Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.setzen sich auch auf die Fenstersinzel und sehen kläglich "So kommen die guten Vögelein alle Winter und So erzählte die Großmutter, und andächtig hatten ſetzen ſich auch auf die Fenſterſinzel und ſehen kläglich „So kommen die guten Vögelein alle Winter und So erzählte die Großmutter, und andächtig hatten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0158" n="148"/> ſetzen ſich auch auf die Fenſterſinzel und ſehen kläglich<lb/> und wehmüthig in die Stube hinein, wo die Herren<lb/> ſich berathen über des Landes Wohl, und möchten ihnen<lb/> reden von armen Margrithlene, kalten Stübchen, kran¬<lb/> ken Vätern, troſtloſen Müttern.</p><lb/> <p>„So kommen die guten Vögelein alle Winter und<lb/> thun treulich ihr Tagwerk, und der liebe Vater im Him¬<lb/> mel ſieht dann auf die Herzen und achtet, welche Reiche<lb/> und Vornehme auf dieſe Vögelein achten, der Noth<lb/> der Armen ſich erbarmen und Vorſorge treffen, daß<lb/> Fleißige nicht betteln müſſen in der Noth und kein<lb/> Margrithli erfriere; dieſe Herzen ſchreibt er ſich auf,<lb/> denen gibt er ſeinen Segen, und wenn ſie ſterben, ſo<lb/> nimmt er ſie zu ſich in ſeinen ſchönen Himmel.“</p><lb/> <p>So erzählte die Großmutter, und andächtig hatten<lb/> die Kinder zugehört und hatten geweint über das arme<lb/> Margrithli und ſeine Noth. Als die Großmutter fertig<lb/> war, da ſahen ſie ihr lange ins Geſicht und ſagten<lb/> endlich: „Ach, Großmüetti, mir ſy wüeſti Ching,<lb/> z’Baſel-Heiris ſy krank u hei nüt, u mir hei daheim<lb/> nüt gſeit u hei’s wohl gewüßt, u jetz ſy nis d’Vögeli<lb/> cho mahne. O Großmüetti, gib is gſchwing Brod und<lb/> Milch, mir weines ga bringe.“ „Nei Ching, ſagte die<lb/> Großmutter, dir müeßet jetz is Bett, aber wenn ihr<lb/> ſelligs nimmer weit vergeſſe, ſo will ich ſelbſt noch gehen<lb/> und luege, was ſie nöthig haben.“ Die Kinder verſpra¬<lb/> chen es und hielten es; ſie vergaßen nie mehr, wenn<lb/> Jemand in der Noth war, und kein gelbes Vögelein<lb/> mahnte ſie je umſonſt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [148/0158]
ſetzen ſich auch auf die Fenſterſinzel und ſehen kläglich
und wehmüthig in die Stube hinein, wo die Herren
ſich berathen über des Landes Wohl, und möchten ihnen
reden von armen Margrithlene, kalten Stübchen, kran¬
ken Vätern, troſtloſen Müttern.
„So kommen die guten Vögelein alle Winter und
thun treulich ihr Tagwerk, und der liebe Vater im Him¬
mel ſieht dann auf die Herzen und achtet, welche Reiche
und Vornehme auf dieſe Vögelein achten, der Noth
der Armen ſich erbarmen und Vorſorge treffen, daß
Fleißige nicht betteln müſſen in der Noth und kein
Margrithli erfriere; dieſe Herzen ſchreibt er ſich auf,
denen gibt er ſeinen Segen, und wenn ſie ſterben, ſo
nimmt er ſie zu ſich in ſeinen ſchönen Himmel.“
So erzählte die Großmutter, und andächtig hatten
die Kinder zugehört und hatten geweint über das arme
Margrithli und ſeine Noth. Als die Großmutter fertig
war, da ſahen ſie ihr lange ins Geſicht und ſagten
endlich: „Ach, Großmüetti, mir ſy wüeſti Ching,
z’Baſel-Heiris ſy krank u hei nüt, u mir hei daheim
nüt gſeit u hei’s wohl gewüßt, u jetz ſy nis d’Vögeli
cho mahne. O Großmüetti, gib is gſchwing Brod und
Milch, mir weines ga bringe.“ „Nei Ching, ſagte die
Großmutter, dir müeßet jetz is Bett, aber wenn ihr
ſelligs nimmer weit vergeſſe, ſo will ich ſelbſt noch gehen
und luege, was ſie nöthig haben.“ Die Kinder verſpra¬
chen es und hielten es; ſie vergaßen nie mehr, wenn
Jemand in der Noth war, und kein gelbes Vögelein
mahnte ſie je umſonſt.
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