Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

umständlich zu, trotz der Ungeduld der Hebamme, und
immer war der Gotte die Sache nicht gut genug, und
bald dieß bald das nicht am rechten Ort. Da kam die
Großmutter herein und sagte: "Ich muß doch auch kom¬
men und sehen wie schön unsere Gotte ist."

Nebenbei ließ sie fallen, daß es schon das zweite
Zeichen geläutet habe und beide Götteni draußen in der
äußern Stube seien. Draußen saßen allerdings die zwei
männlichen Pathen, ein alter und ein junger, den neu¬
modischen Kaffee, den sie alle Tage haben konnten, ver¬
schmähend, hinter dem dampfenden Weinwarm, dieser
alterthümlichen, aber guten Bernersuppe, bestehend aus
Wein, geröstetem Brod, Eiern, Zucker, Zimmet und
Safran, diesem eben so alterthümlichem Gewürze, das
an einem Kindstaufschmaus in der Suppe, im Vor¬
essen, im süßen Thee vorkommen muß. Sie ließen es
sich wohlschmecken, und der alte Götti, den man Vetter
nannte, hatte allerlei Späße mit dem Kindbettimann,
und sagte ihm: Daß sie ihm heute nicht schonen wollten
und nach dem Weinwarm zu schließen, gönne er es ihnen,
daran sei nichts gespart, man merke, daß er seinen zwölf¬
mäßigen Sack letzten Dienstag dem Boten mit nach Bern
gegeben um ihm Safran zu bringen. Als sie nicht
wußten, was der Vetter damit meine, sagte er: Letzthin
habe sein Nachbar Kindbetti haben müssen; da habe er
dem Boten einen großen Sack mitgegeben und 6 Kreu¬
zer mit dem Auftrage: er solle ihm doch in diesem Sacke
für 6 Kr. von dem gelben Pulver bringen, ein Mäß
oder anderthalbes, von dem man an den Kindstaufen in
allem haben müsse, seine Weiber wollten es einmal so
haben.

Da kam die Gotte hinein, wie eine junge Morgen¬
sonne, und wurde von den Mitgevattern Gottwilchen

umſtändlich zu, trotz der Ungeduld der Hebamme, und
immer war der Gotte die Sache nicht gut genug, und
bald dieß bald das nicht am rechten Ort. Da kam die
Großmutter herein und ſagte: „Ich muß doch auch kom¬
men und ſehen wie ſchön unſere Gotte iſt.”

Nebenbei ließ ſie fallen, daß es ſchon das zweite
Zeichen geläutet habe und beide Götteni draußen in der
äußern Stube ſeien. Draußen ſaßen allerdings die zwei
männlichen Pathen, ein alter und ein junger, den neu¬
modiſchen Kaffee, den ſie alle Tage haben konnten, ver¬
ſchmähend, hinter dem dampfenden Weinwarm, dieſer
alterthümlichen, aber guten Bernerſuppe, beſtehend aus
Wein, geröſtetem Brod, Eiern, Zucker, Zimmet und
Safran, dieſem eben ſo alterthümlichem Gewürze, das
an einem Kindstaufſchmaus in der Suppe, im Vor¬
eſſen, im ſüßen Thee vorkommen muß. Sie ließen es
ſich wohlſchmecken, und der alte Götti, den man Vetter
nannte, hatte allerlei Späße mit dem Kindbettimann,
und ſagte ihm: Daß ſie ihm heute nicht ſchonen wollten
und nach dem Weinwarm zu ſchließen, gönne er es ihnen,
daran ſei nichts geſpart, man merke, daß er ſeinen zwölf¬
mäßigen Sack letzten Dienſtag dem Boten mit nach Bern
gegeben um ihm Safran zu bringen. Als ſie nicht
wußten, was der Vetter damit meine, ſagte er: Letzthin
habe ſein Nachbar Kindbetti haben müſſen; da habe er
dem Boten einen großen Sack mitgegeben und 6 Kreu¬
zer mit dem Auftrage: er ſolle ihm doch in dieſem Sacke
für 6 Kr. von dem gelben Pulver bringen, ein Mäß
oder anderthalbes, von dem man an den Kindstaufen in
allem haben müſſe, ſeine Weiber wollten es einmal ſo
haben.

Da kam die Gotte hinein, wie eine junge Morgen¬
ſonne, und wurde von den Mitgevattern Gottwilchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="11"/>
um&#x017F;tändlich zu, trotz der Ungeduld der Hebamme, und<lb/>
immer war der Gotte die Sache nicht gut genug, und<lb/>
bald dieß bald das nicht am rechten Ort. Da kam die<lb/>
Großmutter herein und &#x017F;agte: &#x201E;Ich muß doch auch kom¬<lb/>
men und &#x017F;ehen wie &#x017F;chön un&#x017F;ere Gotte i&#x017F;t.&#x201D;</p><lb/>
        <p>Nebenbei ließ &#x017F;ie fallen, daß es &#x017F;chon das zweite<lb/>
Zeichen geläutet habe und beide Götteni draußen in der<lb/>
äußern Stube &#x017F;eien. Draußen &#x017F;aßen allerdings die zwei<lb/>
männlichen Pathen, ein alter und ein junger, den neu¬<lb/>
modi&#x017F;chen Kaffee, den &#x017F;ie alle Tage haben konnten, ver¬<lb/>
&#x017F;chmähend, hinter dem dampfenden Weinwarm, die&#x017F;er<lb/>
alterthümlichen, aber guten Berner&#x017F;uppe, be&#x017F;tehend aus<lb/>
Wein, gerö&#x017F;tetem Brod, Eiern, Zucker, Zimmet und<lb/>
Safran, die&#x017F;em eben &#x017F;o alterthümlichem Gewürze, das<lb/>
an einem Kindstauf&#x017F;chmaus in der Suppe, im Vor¬<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en, im &#x017F;üßen Thee vorkommen muß. Sie ließen es<lb/>
&#x017F;ich wohl&#x017F;chmecken, und der alte Götti, den man Vetter<lb/>
nannte, hatte allerlei Späße mit dem Kindbettimann,<lb/>
und &#x017F;agte ihm: Daß &#x017F;ie ihm heute nicht &#x017F;chonen wollten<lb/>
und nach dem Weinwarm zu &#x017F;chließen, gönne er es ihnen,<lb/>
daran &#x017F;ei nichts ge&#x017F;part, man merke, daß er &#x017F;einen zwölf¬<lb/>
mäßigen Sack letzten Dien&#x017F;tag dem Boten mit nach Bern<lb/>
gegeben um ihm Safran zu bringen. Als &#x017F;ie nicht<lb/>
wußten, was der Vetter damit meine, &#x017F;agte er: Letzthin<lb/>
habe &#x017F;ein Nachbar Kindbetti haben mü&#x017F;&#x017F;en; da habe er<lb/>
dem Boten einen großen Sack mitgegeben und 6 Kreu¬<lb/>
zer mit dem Auftrage: er &#x017F;olle ihm doch in die&#x017F;em Sacke<lb/>
für 6 Kr. von dem gelben Pulver bringen, ein Mäß<lb/>
oder anderthalbes, von dem man an den Kindstaufen in<lb/>
allem haben mü&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;eine Weiber wollten es einmal &#x017F;o<lb/>
haben.</p><lb/>
        <p>Da kam die Gotte hinein, wie eine junge Morgen¬<lb/>
&#x017F;onne, und wurde von den Mitgevattern Gottwilchen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0021] umſtändlich zu, trotz der Ungeduld der Hebamme, und immer war der Gotte die Sache nicht gut genug, und bald dieß bald das nicht am rechten Ort. Da kam die Großmutter herein und ſagte: „Ich muß doch auch kom¬ men und ſehen wie ſchön unſere Gotte iſt.” Nebenbei ließ ſie fallen, daß es ſchon das zweite Zeichen geläutet habe und beide Götteni draußen in der äußern Stube ſeien. Draußen ſaßen allerdings die zwei männlichen Pathen, ein alter und ein junger, den neu¬ modiſchen Kaffee, den ſie alle Tage haben konnten, ver¬ ſchmähend, hinter dem dampfenden Weinwarm, dieſer alterthümlichen, aber guten Bernerſuppe, beſtehend aus Wein, geröſtetem Brod, Eiern, Zucker, Zimmet und Safran, dieſem eben ſo alterthümlichem Gewürze, das an einem Kindstaufſchmaus in der Suppe, im Vor¬ eſſen, im ſüßen Thee vorkommen muß. Sie ließen es ſich wohlſchmecken, und der alte Götti, den man Vetter nannte, hatte allerlei Späße mit dem Kindbettimann, und ſagte ihm: Daß ſie ihm heute nicht ſchonen wollten und nach dem Weinwarm zu ſchließen, gönne er es ihnen, daran ſei nichts geſpart, man merke, daß er ſeinen zwölf¬ mäßigen Sack letzten Dienſtag dem Boten mit nach Bern gegeben um ihm Safran zu bringen. Als ſie nicht wußten, was der Vetter damit meine, ſagte er: Letzthin habe ſein Nachbar Kindbetti haben müſſen; da habe er dem Boten einen großen Sack mitgegeben und 6 Kreu¬ zer mit dem Auftrage: er ſolle ihm doch in dieſem Sacke für 6 Kr. von dem gelben Pulver bringen, ein Mäß oder anderthalbes, von dem man an den Kindstaufen in allem haben müſſe, ſeine Weiber wollten es einmal ſo haben. Da kam die Gotte hinein, wie eine junge Morgen¬ ſonne, und wurde von den Mitgevattern Gottwilchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/21
Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/21>, abgerufen am 21.11.2024.