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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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lassen. Es hatte ihr Niemand gesagt, welchen Namen
das Kind erhalten solle, und den die Gotte nach alter
Uebung dem Pfarrer, wenn sie ihm das Kind über¬
gibt, einzuflüstern hat, da derselbe die eingeschriebenen
Namen, wenn viele Kinder zu taufen sind, leicht ver¬
wechseln kann.

In der Hast, ob den vielen zu besorgenden Dingen und
der Angst, zu spät zu kommen, hatte man die Mitthei¬
lung dieses Namens vergessen, und nach diesem Namen
zu fragen, hatte ihr ihres Vaters Schwester, die Base,
ein für alle Mal streng verboten, wenn sie ein Kind
nicht unglücklich machen wolle; denn sobald eine Gotte
nach des Kindes Namen frage, so werde dieses zeit¬
lebens -- neugierig.

Diesen Namen wußte sie also nicht, durfte nicht
darnach fragen, und wenn ihn der Pfarrer auch ver¬
gessen hatte, und laut und öffentlich darnach fragte,
oder im Verschuß den Buben Mädeli oder Bäbeli taufte,
wie würden da die Leute lachen und welche Schande
wäre dieß ihr Lebenlang! Das kam ihr immer schreck¬
licher vor; dem starken Mädchen zitterten die Beine wie
Bohnenstauden im Winde, und vom blassen Gesichte
rann ihm der Schweiß bachweise. Jetzt mahnte die
Wirthin zum Aufbrechen, wenn sie vom Pfarrer nicht
wollten angerebelt werden; aber zur Gotte sagte sie:
"Du Meitschi stehst das nicht aus, du bist ja weiß wie
ein frischgewaschenes Hemd." Das sei vom Laufen,
meinte diese, es werde ihr wieder bessern, wenn sie an
die frische Luft komme. Aber es wollte ihr nicht bessern,
ganz schwarz schienen ihr alle Leute in der Kirche und
nun fing noch das Kind zu schreien an, mörderlich und
immer mörderlicher. Die arme Gotte begann es zu
wiegen in ihren Armen, heftiger und immer heftiger,

laſſen. Es hatte ihr Niemand geſagt, welchen Namen
das Kind erhalten ſolle, und den die Gotte nach alter
Uebung dem Pfarrer, wenn ſie ihm das Kind über¬
gibt, einzuflüſtern hat, da derſelbe die eingeſchriebenen
Namen, wenn viele Kinder zu taufen ſind, leicht ver¬
wechſeln kann.

In der Haſt, ob den vielen zu beſorgenden Dingen und
der Angſt, zu ſpät zu kommen, hatte man die Mitthei¬
lung dieſes Namens vergeſſen, und nach dieſem Namen
zu fragen, hatte ihr ihres Vaters Schweſter, die Baſe,
ein für alle Mal ſtreng verboten, wenn ſie ein Kind
nicht unglücklich machen wolle; denn ſobald eine Gotte
nach des Kindes Namen frage, ſo werde dieſes zeit¬
lebens — neugierig.

Dieſen Namen wußte ſie alſo nicht, durfte nicht
darnach fragen, und wenn ihn der Pfarrer auch ver¬
geſſen hatte, und laut und öffentlich darnach fragte,
oder im Verſchuß den Buben Mädeli oder Bäbeli taufte,
wie würden da die Leute lachen und welche Schande
wäre dieß ihr Lebenlang! Das kam ihr immer ſchreck¬
licher vor; dem ſtarken Mädchen zitterten die Beine wie
Bohnenſtauden im Winde, und vom blaſſen Geſichte
rann ihm der Schweiß bachweiſe. Jetzt mahnte die
Wirthin zum Aufbrechen, wenn ſie vom Pfarrer nicht
wollten angerebelt werden; aber zur Gotte ſagte ſie:
„Du Meitſchi ſtehſt das nicht aus, du biſt ja weiß wie
ein friſchgewaſchenes Hemd.“ Das ſei vom Laufen,
meinte dieſe, es werde ihr wieder beſſern, wenn ſie an
die friſche Luft komme. Aber es wollte ihr nicht beſſern,
ganz ſchwarz ſchienen ihr alle Leute in der Kirche und
nun fing noch das Kind zu ſchreien an, mörderlich und
immer mörderlicher. Die arme Gotte begann es zu
wiegen in ihren Armen, heftiger und immer heftiger,

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[16/0026] laſſen. Es hatte ihr Niemand geſagt, welchen Namen das Kind erhalten ſolle, und den die Gotte nach alter Uebung dem Pfarrer, wenn ſie ihm das Kind über¬ gibt, einzuflüſtern hat, da derſelbe die eingeſchriebenen Namen, wenn viele Kinder zu taufen ſind, leicht ver¬ wechſeln kann. In der Haſt, ob den vielen zu beſorgenden Dingen und der Angſt, zu ſpät zu kommen, hatte man die Mitthei¬ lung dieſes Namens vergeſſen, und nach dieſem Namen zu fragen, hatte ihr ihres Vaters Schweſter, die Baſe, ein für alle Mal ſtreng verboten, wenn ſie ein Kind nicht unglücklich machen wolle; denn ſobald eine Gotte nach des Kindes Namen frage, ſo werde dieſes zeit¬ lebens — neugierig. Dieſen Namen wußte ſie alſo nicht, durfte nicht darnach fragen, und wenn ihn der Pfarrer auch ver¬ geſſen hatte, und laut und öffentlich darnach fragte, oder im Verſchuß den Buben Mädeli oder Bäbeli taufte, wie würden da die Leute lachen und welche Schande wäre dieß ihr Lebenlang! Das kam ihr immer ſchreck¬ licher vor; dem ſtarken Mädchen zitterten die Beine wie Bohnenſtauden im Winde, und vom blaſſen Geſichte rann ihm der Schweiß bachweiſe. Jetzt mahnte die Wirthin zum Aufbrechen, wenn ſie vom Pfarrer nicht wollten angerebelt werden; aber zur Gotte ſagte ſie: „Du Meitſchi ſtehſt das nicht aus, du biſt ja weiß wie ein friſchgewaſchenes Hemd.“ Das ſei vom Laufen, meinte dieſe, es werde ihr wieder beſſern, wenn ſie an die friſche Luft komme. Aber es wollte ihr nicht beſſern, ganz ſchwarz ſchienen ihr alle Leute in der Kirche und nun fing noch das Kind zu ſchreien an, mörderlich und immer mörderlicher. Die arme Gotte begann es zu wiegen in ihren Armen, heftiger und immer heftiger,

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/26>, abgerufen am 21.11.2024.