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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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sie suchten nach geistigen Waffen, fanden aber lange
Niemand, der sie zu führen wußte und zu führen
wagte. Endlich ließ sich ein ferner Pfaffe locken mit
Geld und Worte; er kam und wollte ausziehen mit
heiligem Wasser und heiligen Sprüchen gegen den bösen
Feind. Dazu aber stärkte er sich nicht mit Gebet und
Fasten, sondern er tafelte des Morgens früh mit den
Rittern, und zählte die Becher nicht und lebte wohl
an Hirsch und Bär. Dazwischen redete er viel von
seinen geistigen Heldenthaten, und die Ritter von ihren
weltlichen, und die Becher zählte man sich nicht nach
und die Spinne vergaß man. Da löschte auf einmal
alles Leben aus, die Hände hielten erstarrt Becher oder
Gabel, der Mund blieb offen, stier waren alle Augen
auf einen Punkt gerichtet; nur der von Stoffeln trank
den Becher leer und erzählte an einer Heldenthat im
Heidenlande. Aber auf seinem Kopfe saß groß die
Spinne und glotzte um den Rittertisch, und der Ritter
fühlte sie nicht. Da begann die Gluth zu strömen durch
Gehirn und Blut, gräßlich schrie er auf, fuhr mit der
Hand nach dem Kopfe, aber die Spinne war nicht
mehr dort, war in ihrer schrecklichen Schnelle den Rit¬
tern allen über ihre Gesichter gelaufen, keiner konnte es
wehren; einer nach dem andern schrie auf, von Gluth
verzehrt, und von des Pfaffen Glatze nieder glotzte sie
in den Gräuel hinein, und mit dem Becher, der nicht
aus seiner Hand wollte, wollte der Pfaffe den Brand
löschen, welcher loderte vom Kopfe herab durch Mark und
Bein. Aber dieser Waffe trotzte die Spinne und glotzte
von ihrem Throne herab in den Gräuel, bis der letzte
Ritter den letzten Schrei ausgestoßen, am letzten Athem¬
zuge geendet.

"Im Schlosse blieben nur wenige Diener verschont,

ſie ſuchten nach geiſtigen Waffen, fanden aber lange
Niemand, der ſie zu führen wußte und zu führen
wagte. Endlich ließ ſich ein ferner Pfaffe locken mit
Geld und Worte; er kam und wollte ausziehen mit
heiligem Waſſer und heiligen Sprüchen gegen den böſen
Feind. Dazu aber ſtärkte er ſich nicht mit Gebet und
Faſten, ſondern er tafelte des Morgens früh mit den
Rittern, und zählte die Becher nicht und lebte wohl
an Hirſch und Bär. Dazwiſchen redete er viel von
ſeinen geiſtigen Heldenthaten, und die Ritter von ihren
weltlichen, und die Becher zählte man ſich nicht nach
und die Spinne vergaß man. Da löſchte auf einmal
alles Leben aus, die Hände hielten erſtarrt Becher oder
Gabel, der Mund blieb offen, ſtier waren alle Augen
auf einen Punkt gerichtet; nur der von Stoffeln trank
den Becher leer und erzählte an einer Heldenthat im
Heidenlande. Aber auf ſeinem Kopfe ſaß groß die
Spinne und glotzte um den Rittertiſch, und der Ritter
fühlte ſie nicht. Da begann die Gluth zu ſtrömen durch
Gehirn und Blut, gräßlich ſchrie er auf, fuhr mit der
Hand nach dem Kopfe, aber die Spinne war nicht
mehr dort, war in ihrer ſchrecklichen Schnelle den Rit¬
tern allen über ihre Geſichter gelaufen, keiner konnte es
wehren; einer nach dem andern ſchrie auf, von Gluth
verzehrt, und von des Pfaffen Glatze nieder glotzte ſie
in den Gräuel hinein, und mit dem Becher, der nicht
aus ſeiner Hand wollte, wollte der Pfaffe den Brand
löſchen, welcher loderte vom Kopfe herab durch Mark und
Bein. Aber dieſer Waffe trotzte die Spinne und glotzte
von ihrem Throne herab in den Gräuel, bis der letzte
Ritter den letzten Schrei ausgeſtoßen, am letzten Athem¬
zuge geendet.

„Im Schloſſe blieben nur wenige Diener verſchont,

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[80/0090] ſie ſuchten nach geiſtigen Waffen, fanden aber lange Niemand, der ſie zu führen wußte und zu führen wagte. Endlich ließ ſich ein ferner Pfaffe locken mit Geld und Worte; er kam und wollte ausziehen mit heiligem Waſſer und heiligen Sprüchen gegen den böſen Feind. Dazu aber ſtärkte er ſich nicht mit Gebet und Faſten, ſondern er tafelte des Morgens früh mit den Rittern, und zählte die Becher nicht und lebte wohl an Hirſch und Bär. Dazwiſchen redete er viel von ſeinen geiſtigen Heldenthaten, und die Ritter von ihren weltlichen, und die Becher zählte man ſich nicht nach und die Spinne vergaß man. Da löſchte auf einmal alles Leben aus, die Hände hielten erſtarrt Becher oder Gabel, der Mund blieb offen, ſtier waren alle Augen auf einen Punkt gerichtet; nur der von Stoffeln trank den Becher leer und erzählte an einer Heldenthat im Heidenlande. Aber auf ſeinem Kopfe ſaß groß die Spinne und glotzte um den Rittertiſch, und der Ritter fühlte ſie nicht. Da begann die Gluth zu ſtrömen durch Gehirn und Blut, gräßlich ſchrie er auf, fuhr mit der Hand nach dem Kopfe, aber die Spinne war nicht mehr dort, war in ihrer ſchrecklichen Schnelle den Rit¬ tern allen über ihre Geſichter gelaufen, keiner konnte es wehren; einer nach dem andern ſchrie auf, von Gluth verzehrt, und von des Pfaffen Glatze nieder glotzte ſie in den Gräuel hinein, und mit dem Becher, der nicht aus ſeiner Hand wollte, wollte der Pfaffe den Brand löſchen, welcher loderte vom Kopfe herab durch Mark und Bein. Aber dieſer Waffe trotzte die Spinne und glotzte von ihrem Throne herab in den Gräuel, bis der letzte Ritter den letzten Schrei ausgeſtoßen, am letzten Athem¬ zuge geendet. „Im Schloſſe blieben nur wenige Diener verſchont,

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/90>, abgerufen am 22.11.2024.