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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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weiten Räumen und rufe aus der Ferne her: Weib,
wache auf, der Feind ist da! Dreimal rief er so,
und erst beim dritten Mal rang sie sich aus des Schla¬
fes engen Banden; aber wie sie die schweren Augen¬
lieder mühsam hob, sah sie langsam, giftgeschwollen
die Spinne schreiten übers Bettlein hinauf, dem Gesichte
ihres Bübchens zu. Da dachte sie an Gott und ergriff
mit rascher Hand die Spinne. Da fuhren Feuerströme
von derselben aus, der treuen Mutter durch Hand und
Arm bis ins Herz hinein; aber Muttertreue und Mut¬
terliebe drückten die Hand ihr zu, und zum Aushalten
gab Gott die Kraft. Unter tausendfachen Todesschmer¬
zen drückte sie mit der einen Hand die Spinne ins be¬
reitete Loch, mit der andern den Zapfen davor und
schlug mit dem Hammer ihn fest.

"Drinnen sauste und brauste es, wie wenn mit
dem Meere die Wirbelwinde streiten, das Haus wankte
in seinen Grundfesten, aber fest saß der Zapfen, ge¬
fangen blieb die Spinne.

"Die treue Mutter aber freute sich noch, daß ihr
Kindlein gerettet, dankte Gott für seine Gnade, dann starb
sie auch den gleichen Tod wie Alle, aber ihre Muttertreue
löschte die Schmerzen aus, und die Engel geleiteten
ihre Seele zu Gottes Thron, wo alle Helden sind, die ihr
Leben eingesetzt für Andere, die für Gott und die Ihren
Alles gewagt. Nun war der schwarze Tod zu Ende.
Ruhe und Leben kehrten ins Thal zurück. Die schwarze
Spinne ward nicht mehr gesehen zur selben Zeit, denn
sie saß in jenem Loche gefangen, wo sie jetzt noch sitzt."

"Was, dort im schwarzen Holz?" schrie die Gotte,
und fuhr eines Satzes vom Boden auf, als ob sie in
einem Ameisenhaufen gesessen wäre. An jenem Holze
hatte sie gesessen in der Stube. Und jetzt brannte sie

weiten Räumen und rufe aus der Ferne her: Weib,
wache auf, der Feind iſt da! Dreimal rief er ſo,
und erſt beim dritten Mal rang ſie ſich aus des Schla¬
fes engen Banden; aber wie ſie die ſchweren Augen¬
lieder mühſam hob, ſah ſie langſam, giftgeſchwollen
die Spinne ſchreiten übers Bettlein hinauf, dem Geſichte
ihres Bübchens zu. Da dachte ſie an Gott und ergriff
mit raſcher Hand die Spinne. Da fuhren Feuerſtröme
von derſelben aus, der treuen Mutter durch Hand und
Arm bis ins Herz hinein; aber Muttertreue und Mut¬
terliebe drückten die Hand ihr zu, und zum Aushalten
gab Gott die Kraft. Unter tauſendfachen Todesſchmer¬
zen drückte ſie mit der einen Hand die Spinne ins be¬
reitete Loch, mit der andern den Zapfen davor und
ſchlug mit dem Hammer ihn feſt.

„Drinnen ſauste und brauste es, wie wenn mit
dem Meere die Wirbelwinde ſtreiten, das Haus wankte
in ſeinen Grundfeſten, aber feſt ſaß der Zapfen, ge¬
fangen blieb die Spinne.

„Die treue Mutter aber freute ſich noch, daß ihr
Kindlein gerettet, dankte Gott für ſeine Gnade, dann ſtarb
ſie auch den gleichen Tod wie Alle, aber ihre Muttertreue
löſchte die Schmerzen aus, und die Engel geleiteten
ihre Seele zu Gottes Thron, wo alle Helden ſind, die ihr
Leben eingeſetzt für Andere, die für Gott und die Ihren
Alles gewagt. Nun war der ſchwarze Tod zu Ende.
Ruhe und Leben kehrten ins Thal zurück. Die ſchwarze
Spinne ward nicht mehr geſehen zur ſelben Zeit, denn
ſie ſaß in jenem Loche gefangen, wo ſie jetzt noch ſitzt.“

„Was, dort im ſchwarzen Holz?“ ſchrie die Gotte,
und fuhr eines Satzes vom Boden auf, als ob ſie in
einem Ameiſenhaufen geſeſſen wäre. An jenem Holze
hatte ſie geſeſſen in der Stube. Und jetzt brannte ſie

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[84/0094] weiten Räumen und rufe aus der Ferne her: Weib, wache auf, der Feind iſt da! Dreimal rief er ſo, und erſt beim dritten Mal rang ſie ſich aus des Schla¬ fes engen Banden; aber wie ſie die ſchweren Augen¬ lieder mühſam hob, ſah ſie langſam, giftgeſchwollen die Spinne ſchreiten übers Bettlein hinauf, dem Geſichte ihres Bübchens zu. Da dachte ſie an Gott und ergriff mit raſcher Hand die Spinne. Da fuhren Feuerſtröme von derſelben aus, der treuen Mutter durch Hand und Arm bis ins Herz hinein; aber Muttertreue und Mut¬ terliebe drückten die Hand ihr zu, und zum Aushalten gab Gott die Kraft. Unter tauſendfachen Todesſchmer¬ zen drückte ſie mit der einen Hand die Spinne ins be¬ reitete Loch, mit der andern den Zapfen davor und ſchlug mit dem Hammer ihn feſt. „Drinnen ſauste und brauste es, wie wenn mit dem Meere die Wirbelwinde ſtreiten, das Haus wankte in ſeinen Grundfeſten, aber feſt ſaß der Zapfen, ge¬ fangen blieb die Spinne. „Die treue Mutter aber freute ſich noch, daß ihr Kindlein gerettet, dankte Gott für ſeine Gnade, dann ſtarb ſie auch den gleichen Tod wie Alle, aber ihre Muttertreue löſchte die Schmerzen aus, und die Engel geleiteten ihre Seele zu Gottes Thron, wo alle Helden ſind, die ihr Leben eingeſetzt für Andere, die für Gott und die Ihren Alles gewagt. Nun war der ſchwarze Tod zu Ende. Ruhe und Leben kehrten ins Thal zurück. Die ſchwarze Spinne ward nicht mehr geſehen zur ſelben Zeit, denn ſie ſaß in jenem Loche gefangen, wo ſie jetzt noch ſitzt.“ „Was, dort im ſchwarzen Holz?“ ſchrie die Gotte, und fuhr eines Satzes vom Boden auf, als ob ſie in einem Ameiſenhaufen geſeſſen wäre. An jenem Holze hatte ſie geſeſſen in der Stube. Und jetzt brannte ſie

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/94>, abgerufen am 22.11.2024.