Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.der Rücken; sie drehte sich, sie schaute hinter sich, fuhr mit der Rücken; ſie drehte ſich, ſie ſchaute hinter ſich, fuhr mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0095" n="85"/> der Rücken; ſie drehte ſich, ſie ſchaute hinter ſich, fuhr mit<lb/> der Hand auf und ab, und kam nicht aus der Angſt:<lb/> die ſchwarze Spinne ſitze ihr im Nacken. Auch den<lb/> Andern waren die Herzen zugeklemmt, als der Gro߬<lb/> vater ſchwieg. Es war ein banges Schweigen über ſie<lb/> gekommen. Spott mochte Niemand wagen, der Sache<lb/> beiſtimmen auch nicht gerne; es hörte Jeder lieber auf<lb/> das erſte Wort des Andern, um darnach die eigene<lb/> Rede richten zu können, ſo verfehlte man ſich am we¬<lb/> nigſten. Da kam die Hebamme, die ſchon mehrere<lb/> Male gerufen hatte, ohne Antwort zu bekommen, her¬<lb/> gelaufen, ihr Geſicht brannte hochroth, es war, als ob<lb/> die Spinne auf demſelben herumgekrochen wäre. Sie<lb/> begann zu ſchmählen, daß Niemand kommen wolle,<lb/> wie laut ſie auch rufe. „Das ſei ihr doch auch eine<lb/> wunderliche Sache; wenn man gekochet habe, ſo wolle<lb/> Niemand zum Tiſch, und wenn dann Alles nicht mehr<lb/> gut ſei, ſo ſolle ſie Schuld ſein an Allem, ſie wiſſe<lb/> wohl wie es gehe. So fettes Fleiſch wie drinnen ſtehe,<lb/> könne Niemand mehr eſſen, wenn es kalt geworden;<lb/> dazu ſei es noch gar ungeſund.“ Nun kamen die Leute<lb/> wohl, aber gar langſam, und Keiner wollte der Erſte<lb/> bei der Thüre ſein, der Großvater mußte voran. Es<lb/> war dießmal nicht ſowohl die übliche Sitte, nicht<lb/> den Schein haben zu wollen, als möge man nicht war¬<lb/> ten, bis man zum Eſſen komme, es war das Zögern,<lb/> das Alle befällt, wenn ſie am Eingang ſtehen eines<lb/> ſchauerlichen Ortes, und doch war drinnen nichts ſchauer¬<lb/> liches. Hell glänzten auf dem Tiſche, friſch gefüllt,<lb/> die ſchönen Weinflaſchen, zwei glänzende Schinken<lb/> prangten, gewaltige Kalbs- und Schafbraten dampf¬<lb/> ten, friſche Züpfen lagen dazwiſchen, Teller mit Ta¬<lb/> teren (Torten), Teller mit dreierlei Küchlene waren<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [85/0095]
der Rücken; ſie drehte ſich, ſie ſchaute hinter ſich, fuhr mit
der Hand auf und ab, und kam nicht aus der Angſt:
die ſchwarze Spinne ſitze ihr im Nacken. Auch den
Andern waren die Herzen zugeklemmt, als der Gro߬
vater ſchwieg. Es war ein banges Schweigen über ſie
gekommen. Spott mochte Niemand wagen, der Sache
beiſtimmen auch nicht gerne; es hörte Jeder lieber auf
das erſte Wort des Andern, um darnach die eigene
Rede richten zu können, ſo verfehlte man ſich am we¬
nigſten. Da kam die Hebamme, die ſchon mehrere
Male gerufen hatte, ohne Antwort zu bekommen, her¬
gelaufen, ihr Geſicht brannte hochroth, es war, als ob
die Spinne auf demſelben herumgekrochen wäre. Sie
begann zu ſchmählen, daß Niemand kommen wolle,
wie laut ſie auch rufe. „Das ſei ihr doch auch eine
wunderliche Sache; wenn man gekochet habe, ſo wolle
Niemand zum Tiſch, und wenn dann Alles nicht mehr
gut ſei, ſo ſolle ſie Schuld ſein an Allem, ſie wiſſe
wohl wie es gehe. So fettes Fleiſch wie drinnen ſtehe,
könne Niemand mehr eſſen, wenn es kalt geworden;
dazu ſei es noch gar ungeſund.“ Nun kamen die Leute
wohl, aber gar langſam, und Keiner wollte der Erſte
bei der Thüre ſein, der Großvater mußte voran. Es
war dießmal nicht ſowohl die übliche Sitte, nicht
den Schein haben zu wollen, als möge man nicht war¬
ten, bis man zum Eſſen komme, es war das Zögern,
das Alle befällt, wenn ſie am Eingang ſtehen eines
ſchauerlichen Ortes, und doch war drinnen nichts ſchauer¬
liches. Hell glänzten auf dem Tiſche, friſch gefüllt,
die ſchönen Weinflaſchen, zwei glänzende Schinken
prangten, gewaltige Kalbs- und Schafbraten dampf¬
ten, friſche Züpfen lagen dazwiſchen, Teller mit Ta¬
teren (Torten), Teller mit dreierlei Küchlene waren
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |