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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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dazwischen gezwängt, und auch die Kännchen mit dem
süßen Thee fehlten nicht. So wars ein schönes Schauen,
und doch achteten sich Alle desselben wenig, aber Alle
sahen sich um mit ängstlichen Augen, ob nicht die
Spinne aus irgend einer Ecke glitzere oder gar vom
prangenden Schinken herab sie anglotze mit ihren gif¬
tigen Augen. Man sah sie nirgends, und doch machte
Niemand die üblichen Komplimente: was man doch
sinne, noch so viel aufzustellen; wer das doch essen solle,
man habe bereits mehr als zu viel, sondern Alle dräng¬
ten sich an die untern Ecken des Tisches, Niemand
wollte hinauf.

Umsonst mahnte man die Gäste nach oben und
zeigte auf die leeren Plätze, sie stunden unten wie an¬
genagelt; vergebens schenkte der Kindbettimann ein und
rief, sie sollten doch kommen und Gesundheit machen,
es sei eingeschenkt! Da nahm derselbe die Gotte beim
Arme und sagte: Sei du das Witzigeste und gieb
das Exempel. Aber mit aller Kraft, und die war
nicht klein, sperrte sich die Gotte und rief: Nicht um
tausend Pfund sitze ich mehr da oben. Es gramselt
mir den Rücken auf und nieder als führe man mit
Nesseln daran herum. Und säße ich dort vor dem
Bystal, so fühlte ich die schreckliche Spinne sonder Un¬
terlaß im Nacken. Daran bist du Schuld, Großvater,
sagte die Großmutter, warum bringst du solche Dinge
aufs Tapet. So etwas trägt heut zu Tag nichts mehr
ab, und kann dem ganzen Hause schaden. Und wenn
einst die Kinder aus der Schule kommen und weinen
und klagen, die andern Kinder hielten ihnen vor, ihre
Großmutter sei eine Hexe gewesen und in's Bystal ge¬
bannt, so hast du es dann.

Sei ruhig, Großmutter, sagte der Großvater, man

dazwiſchen gezwängt, und auch die Kännchen mit dem
ſüßen Thee fehlten nicht. So wars ein ſchönes Schauen,
und doch achteten ſich Alle deſſelben wenig, aber Alle
ſahen ſich um mit ängſtlichen Augen, ob nicht die
Spinne aus irgend einer Ecke glitzere oder gar vom
prangenden Schinken herab ſie anglotze mit ihren gif¬
tigen Augen. Man ſah ſie nirgends, und doch machte
Niemand die üblichen Komplimente: was man doch
ſinne, noch ſo viel aufzuſtellen; wer das doch eſſen ſolle,
man habe bereits mehr als zu viel, ſondern Alle dräng¬
ten ſich an die untern Ecken des Tiſches, Niemand
wollte hinauf.

Umſonſt mahnte man die Gäſte nach oben und
zeigte auf die leeren Plätze, ſie ſtunden unten wie an¬
genagelt; vergebens ſchenkte der Kindbettimann ein und
rief, ſie ſollten doch kommen und Geſundheit machen,
es ſei eingeſchenkt! Da nahm derſelbe die Gotte beim
Arme und ſagte: Sei du das Witzigeſte und gieb
das Exempel. Aber mit aller Kraft, und die war
nicht klein, ſperrte ſich die Gotte und rief: Nicht um
tauſend Pfund ſitze ich mehr da oben. Es gramſelt
mir den Rücken auf und nieder als führe man mit
Neſſeln daran herum. Und ſäße ich dort vor dem
Byſtal, ſo fühlte ich die ſchreckliche Spinne ſonder Un¬
terlaß im Nacken. Daran biſt du Schuld, Großvater,
ſagte die Großmutter, warum bringſt du ſolche Dinge
aufs Tapet. So etwas trägt heut zu Tag nichts mehr
ab, und kann dem ganzen Hauſe ſchaden. Und wenn
einſt die Kinder aus der Schule kommen und weinen
und klagen, die andern Kinder hielten ihnen vor, ihre
Großmutter ſei eine Hexe geweſen und in’s Byſtal ge¬
bannt, ſo haſt du es dann.

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[86/0096] dazwiſchen gezwängt, und auch die Kännchen mit dem ſüßen Thee fehlten nicht. So wars ein ſchönes Schauen, und doch achteten ſich Alle deſſelben wenig, aber Alle ſahen ſich um mit ängſtlichen Augen, ob nicht die Spinne aus irgend einer Ecke glitzere oder gar vom prangenden Schinken herab ſie anglotze mit ihren gif¬ tigen Augen. Man ſah ſie nirgends, und doch machte Niemand die üblichen Komplimente: was man doch ſinne, noch ſo viel aufzuſtellen; wer das doch eſſen ſolle, man habe bereits mehr als zu viel, ſondern Alle dräng¬ ten ſich an die untern Ecken des Tiſches, Niemand wollte hinauf. Umſonſt mahnte man die Gäſte nach oben und zeigte auf die leeren Plätze, ſie ſtunden unten wie an¬ genagelt; vergebens ſchenkte der Kindbettimann ein und rief, ſie ſollten doch kommen und Geſundheit machen, es ſei eingeſchenkt! Da nahm derſelbe die Gotte beim Arme und ſagte: Sei du das Witzigeſte und gieb das Exempel. Aber mit aller Kraft, und die war nicht klein, ſperrte ſich die Gotte und rief: Nicht um tauſend Pfund ſitze ich mehr da oben. Es gramſelt mir den Rücken auf und nieder als führe man mit Neſſeln daran herum. Und ſäße ich dort vor dem Byſtal, ſo fühlte ich die ſchreckliche Spinne ſonder Un¬ terlaß im Nacken. Daran biſt du Schuld, Großvater, ſagte die Großmutter, warum bringſt du ſolche Dinge aufs Tapet. So etwas trägt heut zu Tag nichts mehr ab, und kann dem ganzen Hauſe ſchaden. Und wenn einſt die Kinder aus der Schule kommen und weinen und klagen, die andern Kinder hielten ihnen vor, ihre Großmutter ſei eine Hexe geweſen und in’s Byſtal ge¬ bannt, ſo haſt du es dann. Sei ruhig, Großmutter, ſagte der Großvater, man

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/96>, abgerufen am 19.05.2024.