Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.hat heut zu Tag Alles bald wieder vergessen, und be¬ Da faßten die Gäste Muth und setzten sich, aber hat heut zu Tag Alles bald wieder vergeſſen, und be¬ Da faßten die Gäſte Muth und ſetzten ſich, aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0097" n="87"/> hat heut zu Tag Alles bald wieder vergeſſen, und be¬<lb/> hält nichts mehr lange im Gedächtniß wie ehedem.<lb/> Man hat die Sache von mir haben wollen und es iſt<lb/> beſſer die Leute vernehmen Punktum die Wahrheit, als daß<lb/> ſie ſelbſt etwas erſinnen; die Wahrheit bringt unſerm<lb/> Hauſe keine Unehr. Aber kommt und ſitzet, ſeht, vor<lb/> den Zapfen will ich ſelbſten ſitzen. Bin ich doch ſchon<lb/> viel tauſend Tage da geſeſſen ohne Furcht und ohne<lb/> Zagen und darum auch ohne Gefährde. Nur wenn<lb/> böſe Gedanken in mir aufſtiegen, die dem Teufel zur<lb/> Handhabe werden konnten, ſo war es mir, als ſchnurre<lb/> es hinter mir, wie eine Katze ſchnurret, wenn man<lb/> ſich mit ihr anläßt, ihr den Balg ſtreicht, ihr behag¬<lb/> lich wird, und mir fuhr es den Rücken auf ſeltſam<lb/> und abſonderlich. Sonſt aber hält ſie ſich mäuſeſtill<lb/> da innen, und ſo lange man hier Außen Gott nicht<lb/> vergißt, muß ſie warten da Innen.</p><lb/> <p>Da faßten die Gäſte Muth und ſetzten ſich, aber<lb/> ganz nahe zum Großvater rückte Niemand. Jetzt end¬<lb/> lich konnte der Kindbettimann vorlegen, legte ein mäch¬<lb/> tiges Stück Braten ſeiner Nachbarin auf den Teller,<lb/> dieſe ſchnitt ein Stückchen davon ab, und legte den<lb/> Reſt auf des Nachbars Teller, ihn mit dem Daumen<lb/> von der Gabel ſtreifend. So ging das Stück um,<lb/> bis einer ſagte: er denke, er behalte es, es ſei noch<lb/> mehr, wo das geweſen ſei; ein neues Stück begann<lb/> die Runde. Während der Kindbettimann einſchenkte<lb/> und vorlegte, und die Gäſte ihm ſagten, er hätte heute<lb/> einen ſtrengen Tag, ging die Hebamme herum mit<lb/> dem ſüßen Thee, ſtark gewürzt mit Safran und Zim¬<lb/> met, bot Allen an und fragte: wer ihn liebe, ſolle es<lb/> nur ſagen, er ſei für Alle da. Und wer ſagte, er ſei<lb/> Liebhaber, dem ſchenkte ſie Thee in den Wein und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [87/0097]
hat heut zu Tag Alles bald wieder vergeſſen, und be¬
hält nichts mehr lange im Gedächtniß wie ehedem.
Man hat die Sache von mir haben wollen und es iſt
beſſer die Leute vernehmen Punktum die Wahrheit, als daß
ſie ſelbſt etwas erſinnen; die Wahrheit bringt unſerm
Hauſe keine Unehr. Aber kommt und ſitzet, ſeht, vor
den Zapfen will ich ſelbſten ſitzen. Bin ich doch ſchon
viel tauſend Tage da geſeſſen ohne Furcht und ohne
Zagen und darum auch ohne Gefährde. Nur wenn
böſe Gedanken in mir aufſtiegen, die dem Teufel zur
Handhabe werden konnten, ſo war es mir, als ſchnurre
es hinter mir, wie eine Katze ſchnurret, wenn man
ſich mit ihr anläßt, ihr den Balg ſtreicht, ihr behag¬
lich wird, und mir fuhr es den Rücken auf ſeltſam
und abſonderlich. Sonſt aber hält ſie ſich mäuſeſtill
da innen, und ſo lange man hier Außen Gott nicht
vergißt, muß ſie warten da Innen.
Da faßten die Gäſte Muth und ſetzten ſich, aber
ganz nahe zum Großvater rückte Niemand. Jetzt end¬
lich konnte der Kindbettimann vorlegen, legte ein mäch¬
tiges Stück Braten ſeiner Nachbarin auf den Teller,
dieſe ſchnitt ein Stückchen davon ab, und legte den
Reſt auf des Nachbars Teller, ihn mit dem Daumen
von der Gabel ſtreifend. So ging das Stück um,
bis einer ſagte: er denke, er behalte es, es ſei noch
mehr, wo das geweſen ſei; ein neues Stück begann
die Runde. Während der Kindbettimann einſchenkte
und vorlegte, und die Gäſte ihm ſagten, er hätte heute
einen ſtrengen Tag, ging die Hebamme herum mit
dem ſüßen Thee, ſtark gewürzt mit Safran und Zim¬
met, bot Allen an und fragte: wer ihn liebe, ſolle es
nur ſagen, er ſei für Alle da. Und wer ſagte, er ſei
Liebhaber, dem ſchenkte ſie Thee in den Wein und
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