Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Zwar war Kuno vom langen Wachen, von der weiten Reise erschöpft und matt, und fürchterlich schien sich ein tiefer Abgrund vor ihm zu öffnen, wenn er, auch unter dieser Bedingung, den Vertrag einginge; aber die Liebe zu seinem Weibe und Vertrauen auf Gott, der seine Augen ihm offen erhalten werde, ließen ihn endlich den kühnen Bund schließen. Mit seinem warmen Blute schrieb er die schrecklichen Worte nieder, die ihn zu Satans Eigenthum machten. Kaum war das unglückliche Blatt in des Teufels Klauen, und kaum hatte er grinsend und mit feurigen Augen die blutige Schrift überlesen, als die Hülle des Jägers von ihm abfiel, und er nun in der Gestalt eines gewaltigen Löwen vor dem bleichen Kuno stand.

"Setze dich auf!" schnaubte das Thier, "ich trage dich sicher." Und Kuno setzte sich mit christlichem Muthe und Vertrauen in Gott auf den Löwen. Nun ging's in sausendem

Zwar war Kuno vom langen Wachen, von der weiten Reise erschöpft und matt, und fürchterlich schien sich ein tiefer Abgrund vor ihm zu öffnen, wenn er, auch unter dieser Bedingung, den Vertrag einginge; aber die Liebe zu seinem Weibe und Vertrauen auf Gott, der seine Augen ihm offen erhalten werde, ließen ihn endlich den kühnen Bund schließen. Mit seinem warmen Blute schrieb er die schrecklichen Worte nieder, die ihn zu Satans Eigenthum machten. Kaum war das unglückliche Blatt in des Teufels Klauen, und kaum hatte er grinsend und mit feurigen Augen die blutige Schrift überlesen, als die Hülle des Jägers von ihm abfiel, und er nun in der Gestalt eines gewaltigen Löwen vor dem bleichen Kuno stand.

„Setze dich auf!“ schnaubte das Thier, „ich trage dich sicher.“ Und Kuno setzte sich mit christlichem Muthe und Vertrauen in Gott auf den Löwen. Nun ging’s in sausendem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0388" n="349"/>
        <p>Zwar war Kuno vom langen Wachen, von der weiten Reise erschöpft und matt, und fürchterlich schien sich ein tiefer Abgrund vor ihm zu öffnen, wenn er, auch unter dieser Bedingung, den Vertrag einginge; aber die Liebe zu seinem Weibe und Vertrauen auf Gott, der seine Augen ihm offen erhalten werde, ließen ihn endlich den kühnen Bund schließen. Mit seinem warmen Blute schrieb er die schrecklichen Worte nieder, die ihn zu Satans Eigenthum machten. Kaum war das unglückliche Blatt in des Teufels Klauen, und kaum hatte er grinsend und mit feurigen Augen die blutige Schrift überlesen, als die Hülle des Jägers von ihm abfiel, und er nun in der Gestalt eines gewaltigen Löwen vor dem bleichen Kuno stand.</p>
        <p>&#x201E;Setze dich auf!&#x201C; schnaubte das Thier, &#x201E;ich trage dich sicher.&#x201C; Und Kuno setzte sich mit christlichem Muthe und Vertrauen in Gott auf den Löwen. Nun ging&#x2019;s in sausendem
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0388] Zwar war Kuno vom langen Wachen, von der weiten Reise erschöpft und matt, und fürchterlich schien sich ein tiefer Abgrund vor ihm zu öffnen, wenn er, auch unter dieser Bedingung, den Vertrag einginge; aber die Liebe zu seinem Weibe und Vertrauen auf Gott, der seine Augen ihm offen erhalten werde, ließen ihn endlich den kühnen Bund schließen. Mit seinem warmen Blute schrieb er die schrecklichen Worte nieder, die ihn zu Satans Eigenthum machten. Kaum war das unglückliche Blatt in des Teufels Klauen, und kaum hatte er grinsend und mit feurigen Augen die blutige Schrift überlesen, als die Hülle des Jägers von ihm abfiel, und er nun in der Gestalt eines gewaltigen Löwen vor dem bleichen Kuno stand. „Setze dich auf!“ schnaubte das Thier, „ich trage dich sicher.“ Und Kuno setzte sich mit christlichem Muthe und Vertrauen in Gott auf den Löwen. Nun ging’s in sausendem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/388
Zitationshilfe: Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/388>, abgerufen am 04.12.2024.