pgo_129.001 Cours gewinnen können. Hierzu gehören zunächst die Fremdwörter,pgo_129.002 die in der deutschen Dichtersprache nur ein sehr beschränktes Gastrecht finden pgo_129.003 dürfen. Ohne dem blinden Eifer einer Sprachreinigung zu huldigen, pgo_129.004 welche das Fremdwort auch aus unsern prosaischen Werken und dem pgo_129.005 Gebrauch des Lebens verbannen will, wo wir mit dem Wort in der Regel pgo_129.006 auch den bestimmten Begriff verlieren: muß man doch zugeben, daß die pgo_129.007 Reinheit der poetischen Diktion durch den Gebrauch der Fremdwörter pgo_129.008 in ungehöriger Weise getrübt wird. Wohl giebt es Fremdwörter, die pgo_129.009 ebenso unentbehrlich, wie eingebürgert sind, und die daher auch der pgo_129.010 Dichter nicht vermeiden kann, doch die große Mehrzahl derselben verfällt pgo_129.011 in der Poesie mit Recht dem Strafgerichte der Puristen. Unsere pgo_129.012 Klassiker haben sich vom unnöthigen Gebrauch der Fremdwörter nicht pgo_129.013 freigehalten, was bei ihnen um so weniger auffällt, als sich durch Schiller's pgo_129.014 und Goethe's Dichtungen eine ganze Kette mythologischer Namen pgo_129.015 zieht; denn wo beständig vom "Orkus" die Rede ist und sogar statt des pgo_129.016 Himmels sich der "unbewölkte Zeus" in den Fluthen spiegelt, da fallen pgo_129.017 Ausdrücke, wie "Sphäre, Aether, Element" weniger auf. Goethe läßt pgo_129.018 den Faust von "neuen Sphären neuer Thätigkeit" sprechen. Schiller pgo_129.019 sagt: "Aber dringt bis in der Schönheit Sphäre," spricht vom "Symbolpgo_129.020 des Schönen und des Großen," "von der heil'gen Sympathie,pgo_129.021 der das Unsterbliche erliegt," von dem "Jdeale," vor dem die beschämte pgo_129.022 That muthlos fliehen soll. Gerade diese Fremdwörter haben etwas pgo_129.023 Oedes und Todtes; denn sie sind abstracte Schatten aus dem Orkus der pgo_129.024 philosophischen Terminologie. Unsere neueren philosophischen Poeten, pgo_129.025 Sallet, Jordan, Titus Ulrich u. A., haben sich ebensowenig vor pgo_129.026 dem Gebrauche solcher Kunstausdrücke gehütet, und wir können hierher pgo_129.027 auch mit gleichem Rechte die deutschen Wendungen rechnen, welche Hegelpgo_129.028 zu Schlagwörtern seiner Philosophie gestempelt: das Fürsichsein, Beisichsein, pgo_129.029 Außersichsein, bei denen die Muse ein Recht hat, außer sich zu gerathen, pgo_129.030 wenn sie ihnen in einer Dichtung begegnet; denn sie sind ebenso pgo_129.031 unschön, wie unsinnlich! Je freier der ideale Styl der Dichtung von pgo_129.032 Fremdwörtern, desto geläuterter ist seine künstlerische Haltung. Dennoch pgo_129.033 lassen wir hier eine Ausnahme gelten; es ist die exotische Schilderung, pgo_129.034 wo ein angemessenes Kolorit selbst die fremdklingenden Worte zu erfordern pgo_129.035 scheint, wo sie wie mit einem würzigen Hauch die Dichtung durchziehen.
pgo_129.001 Cours gewinnen können. Hierzu gehören zunächst die Fremdwörter,pgo_129.002 die in der deutschen Dichtersprache nur ein sehr beschränktes Gastrecht finden pgo_129.003 dürfen. Ohne dem blinden Eifer einer Sprachreinigung zu huldigen, pgo_129.004 welche das Fremdwort auch aus unsern prosaischen Werken und dem pgo_129.005 Gebrauch des Lebens verbannen will, wo wir mit dem Wort in der Regel pgo_129.006 auch den bestimmten Begriff verlieren: muß man doch zugeben, daß die pgo_129.007 Reinheit der poetischen Diktion durch den Gebrauch der Fremdwörter pgo_129.008 in ungehöriger Weise getrübt wird. Wohl giebt es Fremdwörter, die pgo_129.009 ebenso unentbehrlich, wie eingebürgert sind, und die daher auch der pgo_129.010 Dichter nicht vermeiden kann, doch die große Mehrzahl derselben verfällt pgo_129.011 in der Poesie mit Recht dem Strafgerichte der Puristen. Unsere pgo_129.012 Klassiker haben sich vom unnöthigen Gebrauch der Fremdwörter nicht pgo_129.013 freigehalten, was bei ihnen um so weniger auffällt, als sich durch Schiller's pgo_129.014 und Goethe's Dichtungen eine ganze Kette mythologischer Namen pgo_129.015 zieht; denn wo beständig vom „Orkus“ die Rede ist und sogar statt des pgo_129.016 Himmels sich der „unbewölkte Zeus“ in den Fluthen spiegelt, da fallen pgo_129.017 Ausdrücke, wie „Sphäre, Aether, Element“ weniger auf. Goethe läßt pgo_129.018 den Faust von „neuen Sphären neuer Thätigkeit“ sprechen. Schiller pgo_129.019 sagt: „Aber dringt bis in der Schönheit Sphäre,“ spricht vom „Symbolpgo_129.020 des Schönen und des Großen,“ „von der heil'gen Sympathie,pgo_129.021 der das Unsterbliche erliegt,“ von dem „Jdeale,“ vor dem die beschämte pgo_129.022 That muthlos fliehen soll. Gerade diese Fremdwörter haben etwas pgo_129.023 Oedes und Todtes; denn sie sind abstracte Schatten aus dem Orkus der pgo_129.024 philosophischen Terminologie. Unsere neueren philosophischen Poeten, pgo_129.025 Sallet, Jordan, Titus Ulrich u. A., haben sich ebensowenig vor pgo_129.026 dem Gebrauche solcher Kunstausdrücke gehütet, und wir können hierher pgo_129.027 auch mit gleichem Rechte die deutschen Wendungen rechnen, welche Hegelpgo_129.028 zu Schlagwörtern seiner Philosophie gestempelt: das Fürsichsein, Beisichsein, pgo_129.029 Außersichsein, bei denen die Muse ein Recht hat, außer sich zu gerathen, pgo_129.030 wenn sie ihnen in einer Dichtung begegnet; denn sie sind ebenso pgo_129.031 unschön, wie unsinnlich! Je freier der ideale Styl der Dichtung von pgo_129.032 Fremdwörtern, desto geläuterter ist seine künstlerische Haltung. Dennoch pgo_129.033 lassen wir hier eine Ausnahme gelten; es ist die exotische Schilderung, pgo_129.034 wo ein angemessenes Kolorit selbst die fremdklingenden Worte zu erfordern pgo_129.035 scheint, wo sie wie mit einem würzigen Hauch die Dichtung durchziehen.
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/151>, abgerufen am 21.11.2024.
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