Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_162.001 Noch war mein Namen nicht der Welt zur Beute, pgo_162.007 pgo_162.008Die selten fühlt und oft so lieblos richtet. Platen. [Annotation] pgo_162.009Nur der verdient sich Freiheit, wie das Leben, pgo_162.010 pgo_162.011Der täglich sie erobern muß. Goethe, Faust. [Annotation]pgo_162.012 pgo_162.014 3. Die Personifikation. pgo_162.015 pgo_162.031 pgo_162.033 pgo_162.001 Noch war mein Namen nicht der Welt zur Beute, pgo_162.007 pgo_162.008Die selten fühlt und oft so lieblos richtet. Platen. [Annotation] pgo_162.009Nur der verdient sich Freiheit, wie das Leben, pgo_162.010 pgo_162.011Der täglich sie erobern muß. Goethe, Faust. [Annotation]pgo_162.012 pgo_162.014 3. Die Personifikation. pgo_162.015 pgo_162.031 pgo_162.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <pb facs="#f0184" n="162"/> <p><lb n="pgo_162.001"/><anchor xml:id="go159"/> Die <hi rendition="#g">vierte</hi> Art der Metapher setzt ein <hi rendition="#g">geistiges</hi> Bild für das <lb n="pgo_162.002"/> <hi rendition="#g">andere.</hi> Jndem sie die Sphären des geistigen Lebens vertauscht, eröffnet <lb n="pgo_162.003"/> sie freiere Perspektiven und ist daher vorzugsweise <hi rendition="#g">geistreich</hi> zu nennen. <lb n="pgo_162.004"/> Da es ihr indeß an Anschaulichkeit gebricht, so findet sie in der Poesie <lb n="pgo_162.005"/> nur selten Anwendung: <anchor xml:id="go160"/> <note targetEnd="#go160" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-1-2" target="#go159"/> </p> <lb n="pgo_162.006"/> <anchor xml:id="go161"/> <lg> <l>Noch war mein Namen nicht der Welt <hi rendition="#g">zur Beute,</hi></l> <lb n="pgo_162.007"/> <l>Die selten fühlt und oft so lieblos richtet.</l> </lg> <lb n="pgo_162.008"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Platen</hi>.</hi> </p> <anchor xml:id="go162"/> <note targetEnd="#go162" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-2-1-0 #m1-3-1-0 #m1-6-2-1 #m1-7-1-2" target="#go161">Platen: ???</note> <lb n="pgo_162.009"/> <anchor xml:id="go163"/> <lg> <l>Nur der verdient sich Freiheit, wie das Leben,</l> <lb n="pgo_162.010"/> <l>Der täglich sie <hi rendition="#g">erobern</hi> muß.</l> </lg> <lb n="pgo_162.011"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Goethe,</hi> Faust.</hi> </p> <anchor xml:id="go164"/> <note targetEnd="#go164" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-2-1-0 #m1-3-1-4 #m1-4-1-1 #m1-7-1-2" target="#go163"/> <p><lb n="pgo_162.012"/><anchor xml:id="go165"/> Jn diesen Beispielen sind Bilder aus der Sphäre des Krieges auf <lb n="pgo_162.013"/> andere geistige Kreise übertragen. <anchor xml:id="go166"/> <note targetEnd="#go166" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-2-1-0 #m1-3-2-0 #m1-4-2 #m1-4-2-1 #m1-7-1-2" target="#go165"> Bezug zu: Platen/Goethe - ???/Faust</note> </p> </div> <div n="6"> <lb n="pgo_162.014"/> <head> <hi rendition="#c">3. <hi rendition="#g">Die Personifikation.</hi></hi> </head> <p><lb n="pgo_162.015"/> Die <hi rendition="#g">Personifikation</hi> (Prosopopöia) ist dasjenige Bild, welches <lb n="pgo_162.016"/> dem menschlichen Gemüth am nächsten liegt, und dessen sich schon die <lb n="pgo_162.017"/> Wilden und Kinder bedienen. Ein Kind, das den Tisch, an dem es sich <lb n="pgo_162.018"/> gestoßen, anredet und schlägt, personificirt das todte Meuble, indem es <lb n="pgo_162.019"/> dasselbe wie ein lebendes Wesen behandelt. Durch die Personifikation <lb n="pgo_162.020"/> legen wir also abstrakten Begriffen oder leblosen Dingen und Naturerscheinungen <lb n="pgo_162.021"/> Eigenschaften, Thätigkeit und Sprache bei, wie sie nur der <lb n="pgo_162.022"/> bestimmten menschlichen Jndividualität zukommen. Von diesem Bilde <lb n="pgo_162.023"/> darf man nicht gering denken; denn es ist die Formel der Phantasie, aus <lb n="pgo_162.024"/> welcher die meisten Religionen hervorgegangen. Da es den höchsten <lb n="pgo_162.025"/> Grad anschaulicher Belebung enthält, so hat man es mit Unrecht, dem <lb n="pgo_162.026"/> Beispiele der alten Rhetoriker folgend, zu den Figuren gerechnet; doch <lb n="pgo_162.027"/> diese rechneten zur Personifikation auch schon das Verfahren des Redners, <lb n="pgo_162.028"/> Historikers, Dramatikers und Epikers, welcher andern Personen durch <lb n="pgo_162.029"/> die Rede, die er ihnen in den Mund legt, persönliches Leben und Charakterbestimmtheit <lb n="pgo_162.030"/> giebt.</p> <p><lb n="pgo_162.031"/> Wir können drei Arten der Personifikation unterscheiden: die <hi rendition="#g">metaphorische,</hi> <lb n="pgo_162.032"/> die <hi rendition="#g">allegorische</hi> und die <hi rendition="#g">mythologische.</hi></p> <p><lb n="pgo_162.033"/> Die metaphorische ist im Keim schon in der zweiten Art der Metapher <lb n="pgo_162.034"/> enthalten und Nichts, als ihre weitere Ausführung. Sie haucht Dingen <lb n="pgo_162.035"/> der Sinnenwelt und Erscheinungen der Natur ein persönliches Leben ein. </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [162/0184]
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Die vierte Art der Metapher setzt ein geistiges Bild für das pgo_162.002
andere. Jndem sie die Sphären des geistigen Lebens vertauscht, eröffnet pgo_162.003
sie freiere Perspektiven und ist daher vorzugsweise geistreich zu nennen. pgo_162.004
Da es ihr indeß an Anschaulichkeit gebricht, so findet sie in der Poesie pgo_162.005
nur selten Anwendung:
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Noch war mein Namen nicht der Welt zur Beute, pgo_162.007
Die selten fühlt und oft so lieblos richtet.
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Platen.
Platen: ??? pgo_162.009
Nur der verdient sich Freiheit, wie das Leben, pgo_162.010
Der täglich sie erobern muß.
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Goethe, Faust.
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Jn diesen Beispielen sind Bilder aus der Sphäre des Krieges auf pgo_162.013
andere geistige Kreise übertragen. Bezug zu: Platen/Goethe - ???/Faust
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3. Die Personifikation. pgo_162.015
Die Personifikation (Prosopopöia) ist dasjenige Bild, welches pgo_162.016
dem menschlichen Gemüth am nächsten liegt, und dessen sich schon die pgo_162.017
Wilden und Kinder bedienen. Ein Kind, das den Tisch, an dem es sich pgo_162.018
gestoßen, anredet und schlägt, personificirt das todte Meuble, indem es pgo_162.019
dasselbe wie ein lebendes Wesen behandelt. Durch die Personifikation pgo_162.020
legen wir also abstrakten Begriffen oder leblosen Dingen und Naturerscheinungen pgo_162.021
Eigenschaften, Thätigkeit und Sprache bei, wie sie nur der pgo_162.022
bestimmten menschlichen Jndividualität zukommen. Von diesem Bilde pgo_162.023
darf man nicht gering denken; denn es ist die Formel der Phantasie, aus pgo_162.024
welcher die meisten Religionen hervorgegangen. Da es den höchsten pgo_162.025
Grad anschaulicher Belebung enthält, so hat man es mit Unrecht, dem pgo_162.026
Beispiele der alten Rhetoriker folgend, zu den Figuren gerechnet; doch pgo_162.027
diese rechneten zur Personifikation auch schon das Verfahren des Redners, pgo_162.028
Historikers, Dramatikers und Epikers, welcher andern Personen durch pgo_162.029
die Rede, die er ihnen in den Mund legt, persönliches Leben und Charakterbestimmtheit pgo_162.030
giebt.
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Wir können drei Arten der Personifikation unterscheiden: die metaphorische, pgo_162.032
die allegorische und die mythologische.
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Die metaphorische ist im Keim schon in der zweiten Art der Metapher pgo_162.034
enthalten und Nichts, als ihre weitere Ausführung. Sie haucht Dingen pgo_162.035
der Sinnenwelt und Erscheinungen der Natur ein persönliches Leben ein.
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