Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_173.001 pgo_173.014 pgo_173.017 Aus der Ströme blauem Spiegel pgo_173.023 pgo_173.024Lacht der unbewölkte Zeus -- Schiller. pgo_173.025Ehe das dritte Morgenroth scheint, pgo_173.026 pgo_173.027Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint. Schiller. pgo_173.028 pgo_173.029 Flüchtet aus der Sinne Schranken pgo_173.034 pgo_173.035Jn die Freiheit der Gedanken. Schiller. pgo_173.001 pgo_173.014 pgo_173.017 Aus der Ströme blauem Spiegel pgo_173.023 pgo_173.024Lacht der unbewölkte Zeus — Schiller. pgo_173.025Ehe das dritte Morgenroth scheint, pgo_173.026 pgo_173.027Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint. Schiller. pgo_173.028 pgo_173.029 Flüchtet aus der Sinne Schranken pgo_173.034 pgo_173.035Jn die Freiheit der Gedanken. Schiller. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0195" n="173"/><lb n="pgo_173.001"/> beruht nicht blos auf der größeren <hi rendition="#g">Anschaulichkeit;</hi> denn sonst würde <lb n="pgo_173.002"/> er nicht auch die Gattung für die Art und das Abstraktum für das Konkretum <lb n="pgo_173.003"/> setzen; sondern sie geht aus der erhöhten Thätigkeit der Phantasie <lb n="pgo_173.004"/> hervor, welche, indem sie zwei Bestimmungen für einander setzt, beide <lb n="pgo_173.005"/> <hi rendition="#g">zugleich schaut</hi> und dadurch sowohl den Gedanken, als auch das Bild <lb n="pgo_173.006"/> <hi rendition="#g">bereichert.</hi> Wenn ich die Wirkung für die Ursache setze und z. B. sage: <lb n="pgo_173.007"/> <hi rendition="#g">Schatten</hi> um ein Landhaus pflanzen, für <hi rendition="#g">Bäume,</hi> so sieht meine <lb n="pgo_173.008"/> Phantasie in den Schatten zugleich die <hi rendition="#g">Bäume</hi> mit, die sie verbreiten. <lb n="pgo_173.009"/> Sag' ich „tausend Säbel“ für „tausend Soldaten,“ so seh' ich die Soldaten <lb n="pgo_173.010"/> gleichzeitig mit, habe aber an den Säbeln alsbald einen lebendigeren <lb n="pgo_173.011"/> sinnlichen Halt. Die erhöhte Wärme der Jdeeen-Association, welche <lb n="pgo_173.012"/> durch die Vertauschung der Beziehungen hervorgeht, giebt diesem Tropus <lb n="pgo_173.013"/> sein dichterisches Recht.</p> <p><lb n="pgo_173.014"/> Da indeß die Beziehungen unter den Dingen so zahlreich sind, daß <lb n="pgo_173.015"/> sie sich nicht klassificiren lassen, so ist auch die Klassification dieser bildlichen <lb n="pgo_173.016"/> Wendungen eine müßige Arbeit. Man kann nur zwei große Klassen bilden:</p> <p><lb n="pgo_173.017"/> 1) Die eigentliche <hi rendition="#g">Metonymie,</hi> welche <hi rendition="#g">sinnliche</hi> Beziehungen vertauscht, <lb n="pgo_173.018"/> indem sie für einen Gegenstand den anderen setzt, der <hi rendition="#g">durch</hi> ihn, <lb n="pgo_173.019"/> <hi rendition="#g">neben</hi> ihm, <hi rendition="#g">in</hi> ihm, <hi rendition="#g">vor</hi> ihm u. s. f. existirt. Pindar spricht in der <lb n="pgo_173.020"/> neunten nemäischen Ode von der kühnen Rede bei'm <hi rendition="#g">Weinkrug,</hi> wo <lb n="pgo_173.021"/> das Gefäß für den in ihm enthaltenen Wein gebraucht wird;</p> <lb n="pgo_173.022"/> <lg> <l>Aus der Ströme blauem Spiegel</l> <lb n="pgo_173.023"/> <l>Lacht der unbewölkte <hi rendition="#g">Zeus</hi> —</l> </lg> <lb n="pgo_173.024"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Schiller</hi>.</hi> </p> <lb n="pgo_173.025"/> <lg> <l>Ehe das <hi rendition="#g">dritte Morgenroth</hi> scheint,</l> <lb n="pgo_173.026"/> <l>Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint.</l> </lg> <lb n="pgo_173.027"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Schiller</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_173.028"/> Zeus ist hier für Himmel, Morgenroth für Tag gebraucht.</p> <p><lb n="pgo_173.029"/> 2) Die <hi rendition="#g">Synekdoche</hi> als Vertauschung <hi rendition="#g">logischer</hi> und <hi rendition="#g">grammatischer <lb n="pgo_173.030"/> Beziehungen,</hi> wobei die oben angeführten Bestimmungen der <lb n="pgo_173.031"/> Rhetoriker gelten können. Hierher gehört auch die Wendung, welche das <lb n="pgo_173.032"/> Adjectivum in ein Substantivum verwandelt:</p> <lb n="pgo_173.033"/> <lg> <l>Flüchtet aus der Sinne Schranken</l> <lb n="pgo_173.034"/> <l>Jn die <hi rendition="#g">Freiheit</hi> der Gedanken.</l> </lg> <lb n="pgo_173.035"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Schiller</hi>.</hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0195]
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beruht nicht blos auf der größeren Anschaulichkeit; denn sonst würde pgo_173.002
er nicht auch die Gattung für die Art und das Abstraktum für das Konkretum pgo_173.003
setzen; sondern sie geht aus der erhöhten Thätigkeit der Phantasie pgo_173.004
hervor, welche, indem sie zwei Bestimmungen für einander setzt, beide pgo_173.005
zugleich schaut und dadurch sowohl den Gedanken, als auch das Bild pgo_173.006
bereichert. Wenn ich die Wirkung für die Ursache setze und z. B. sage: pgo_173.007
Schatten um ein Landhaus pflanzen, für Bäume, so sieht meine pgo_173.008
Phantasie in den Schatten zugleich die Bäume mit, die sie verbreiten. pgo_173.009
Sag' ich „tausend Säbel“ für „tausend Soldaten,“ so seh' ich die Soldaten pgo_173.010
gleichzeitig mit, habe aber an den Säbeln alsbald einen lebendigeren pgo_173.011
sinnlichen Halt. Die erhöhte Wärme der Jdeeen-Association, welche pgo_173.012
durch die Vertauschung der Beziehungen hervorgeht, giebt diesem Tropus pgo_173.013
sein dichterisches Recht.
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Da indeß die Beziehungen unter den Dingen so zahlreich sind, daß pgo_173.015
sie sich nicht klassificiren lassen, so ist auch die Klassification dieser bildlichen pgo_173.016
Wendungen eine müßige Arbeit. Man kann nur zwei große Klassen bilden:
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1) Die eigentliche Metonymie, welche sinnliche Beziehungen vertauscht, pgo_173.018
indem sie für einen Gegenstand den anderen setzt, der durch ihn, pgo_173.019
neben ihm, in ihm, vor ihm u. s. f. existirt. Pindar spricht in der pgo_173.020
neunten nemäischen Ode von der kühnen Rede bei'm Weinkrug, wo pgo_173.021
das Gefäß für den in ihm enthaltenen Wein gebraucht wird;
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Aus der Ströme blauem Spiegel pgo_173.023
Lacht der unbewölkte Zeus —
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Schiller.
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Ehe das dritte Morgenroth scheint, pgo_173.026
Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint.
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Schiller.
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Zeus ist hier für Himmel, Morgenroth für Tag gebraucht.
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2) Die Synekdoche als Vertauschung logischer und grammatischer pgo_173.030
Beziehungen, wobei die oben angeführten Bestimmungen der pgo_173.031
Rhetoriker gelten können. Hierher gehört auch die Wendung, welche das pgo_173.032
Adjectivum in ein Substantivum verwandelt:
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Flüchtet aus der Sinne Schranken pgo_173.034
Jn die Freiheit der Gedanken.
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Schiller.
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