Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_183.001 Publicum. pgo_183.002Anachronismen eingestreut zu tausenden! pgo_183.003Chor. pgo_183.004So ganz unendlich tragisch! Alle sterben fast. pgo_183.005Platen, Romantischer Oedipus. pgo_183.006 Romeo! pgo_183.009 pgo_183.013Was? Grillen! Toller! Leidenschaft! Verliebter! pgo_183.010 Erscheine du, gestaltet wie ein Seufzer, pgo_183.011 Sprich nur ein Reimchen, so genügt mir's schon, pgo_183.012 Ein Ach nur jamm're, paare Lieb' und Triebe u. s. f. Shakespeare, Romeo und Julie. pgo_183.014 pgo_183.023 Hurtig mit Donnergepolter entrollte der tückische Marmor. pgo_183.027 Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, pgo_183.029 Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste pgo_183.030 Und Nachbarstämme quetschend niederstreift, pgo_183.031 Und ihren Fall dumpf hohl der Hügel donnert. pgo_183.032 Horch, es splittern die Säulen pgo_183.034
Ewig grüner Paläste pgo_183.035 Girren und Brechen der Aeste! pgo_183.036 Der Stämme mächtiges Dröhnen, pgo_183.037 Der Wurzeln Knarren und Gähnen! pgo_183.001 Publicum. pgo_183.002Anachronismen eingestreut zu tausenden! pgo_183.003Chor. pgo_183.004So ganz unendlich tragisch! Alle sterben fast. pgo_183.005Platen, Romantischer Oedipus. pgo_183.006 Romeo! pgo_183.009 pgo_183.013Was? Grillen! Toller! Leidenschaft! Verliebter! pgo_183.010 Erscheine du, gestaltet wie ein Seufzer, pgo_183.011 Sprich nur ein Reimchen, so genügt mir's schon, pgo_183.012 Ein Ach nur jamm're, paare Lieb' und Triebe u. s. f. Shakespeare, Romeo und Julie. pgo_183.014 pgo_183.023 Hurtig mit Donnergepolter entrollte der tückische Marmor. pgo_183.027 Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, pgo_183.029 Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste pgo_183.030 Und Nachbarstämme quetschend niederstreift, pgo_183.031 Und ihren Fall dumpf hohl der Hügel donnert. pgo_183.032 Horch, es splittern die Säulen pgo_183.034
Ewig grüner Paläste pgo_183.035 Girren und Brechen der Aeste! pgo_183.036 Der Stämme mächtiges Dröhnen, pgo_183.037 Der Wurzeln Knarren und Gähnen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0205" n="183"/> <lb n="pgo_183.001"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </p> <lb n="pgo_183.002"/> <lg> <l>Anachronismen eingestreut zu tausenden!</l> </lg> <lb n="pgo_183.003"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Chor</hi>.</hi> </p> <lb n="pgo_183.004"/> <lg> <l>So ganz unendlich tragisch! Alle sterben fast.</l> </lg> <lb n="pgo_183.005"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Platen,</hi> Romantischer Oedipus.</hi> </p> <p><lb n="pgo_183.006"/> Hierher gehört auch die <hi rendition="#g">Litotes,</hi> die ironische Verkleinerung. So <lb n="pgo_183.007"/> sagt Mercutio:</p> <lb n="pgo_183.008"/> <lg> <l> Romeo!</l> <lb n="pgo_183.009"/> <l>Was? Grillen! Toller! Leidenschaft! Verliebter!</l> <lb n="pgo_183.010"/> <l>Erscheine du, gestaltet wie ein Seufzer,</l> <lb n="pgo_183.011"/> <l>Sprich nur ein Reimchen, so genügt mir's schon,</l> <lb n="pgo_183.012"/> <l>Ein Ach nur jamm're, paare Lieb' und Triebe u. s. f.</l> </lg> <lb n="pgo_183.013"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Shakespeare,</hi> Romeo und Julie.</hi> </p> <p><lb n="pgo_183.014"/> Was die Romantiker aus dieser einfachen Figur gemacht, wie sie dieselbe <lb n="pgo_183.015"/> zum Grundgesetz aller dichterischen Produktion und zum Princip der <lb n="pgo_183.016"/> Lebensauffassung erhoben, das haben wir schon an einer andern Stelle <lb n="pgo_183.017"/> erwähnt. Ohne uns hier bei den grammatischen und syntaktischen Figuren, <lb n="pgo_183.018"/> der <hi rendition="#g">Jnversion,</hi> dem <hi rendition="#g">Anokalouthon,</hi> der <hi rendition="#g">Aposiopese</hi> und <lb n="pgo_183.019"/> <hi rendition="#g">Ellipse</hi> aufzuhalten, von denen die erstere durch kühnere Stellung der <lb n="pgo_183.020"/> Worte den Nachdruck verstärkt, während die andern durch Abkürzungen, <lb n="pgo_183.021"/> Auslassungen, Errathenlassen die Aufmerksamkeit herausfordern, erwähnen <lb n="pgo_183.022"/> wir noch</p> <p><lb n="pgo_183.023"/> 9) die <hi rendition="#g">Onamotopöie,</hi> eine sprachliche Tonmalerei, welche das <lb n="pgo_183.024"/> natürliche Geräusch durch den Klang der Worte nachzuahmen sucht. <lb n="pgo_183.025"/> Bekannt ist der Vers der Homerisch-Vossischen Odyssee:</p> <lb n="pgo_183.026"/> <lg> <l>Hurtig mit Donnergepolter entrollte der tückische Marmor.</l> </lg> <p><lb n="pgo_183.027"/> Auch Goethe's Faust enthält einige schöne onomatopöiische Stellen:</p> <lb n="pgo_183.028"/> <lg> <l>Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,</l> <lb n="pgo_183.029"/> <l>Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste</l> <lb n="pgo_183.030"/> <l>Und Nachbarstämme quetschend niederstreift,</l> <lb n="pgo_183.031"/> <l>Und ihren Fall dumpf hohl der Hügel donnert.</l> </lg> <p><lb n="pgo_183.032"/> oder:</p> <lb n="pgo_183.033"/> <lg> <l>Horch, es splittern die Säulen</l> <lb n="pgo_183.034"/> <l>Ewig grüner Paläste</l> <lb n="pgo_183.035"/> <l>Girren und Brechen der Aeste!</l> <lb n="pgo_183.036"/> <l>Der Stämme mächtiges Dröhnen,</l> <lb n="pgo_183.037"/> <l>Der Wurzeln Knarren und Gähnen!</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0205]
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Chor.
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Platen, Romantischer Oedipus.
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Hierher gehört auch die Litotes, die ironische Verkleinerung. So pgo_183.007
sagt Mercutio:
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Shakespeare, Romeo und Julie.
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Was die Romantiker aus dieser einfachen Figur gemacht, wie sie dieselbe pgo_183.015
zum Grundgesetz aller dichterischen Produktion und zum Princip der pgo_183.016
Lebensauffassung erhoben, das haben wir schon an einer andern Stelle pgo_183.017
erwähnt. Ohne uns hier bei den grammatischen und syntaktischen Figuren, pgo_183.018
der Jnversion, dem Anokalouthon, der Aposiopese und pgo_183.019
Ellipse aufzuhalten, von denen die erstere durch kühnere Stellung der pgo_183.020
Worte den Nachdruck verstärkt, während die andern durch Abkürzungen, pgo_183.021
Auslassungen, Errathenlassen die Aufmerksamkeit herausfordern, erwähnen pgo_183.022
wir noch
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9) die Onamotopöie, eine sprachliche Tonmalerei, welche das pgo_183.024
natürliche Geräusch durch den Klang der Worte nachzuahmen sucht. pgo_183.025
Bekannt ist der Vers der Homerisch-Vossischen Odyssee:
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Hurtig mit Donnergepolter entrollte der tückische Marmor.
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Auch Goethe's Faust enthält einige schöne onomatopöiische Stellen:
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