Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_192.001 Nicht erwägend, wie so oft pgo_192.016 pgo_192.032Sich des Glückes Wirkung ändert, pgo_192.017 Wie das Leben gleicht dem Flor pgo_192.018 Einer Blume, die sich aufzehrt, pgo_192.019 Gift'ger Wurm im eig'nen Schooß, pgo_192.020 Einem Mandelbaum voll Blüthen, pgo_192.021 Der, auf seine Schönheit stolz, pgo_192.022 Bei der Mittagswinde Säuseln pgo_192.023 Pracht und Eitelkeit verlor; pgo_192.024 Einem Bau, der schier ein Atlas pgo_192.025 War der Sphärenregion, pgo_192.026 Und im Staub, vom Blitz zerschmettert, pgo_192.027 Auflöst seinen eiteln Pomp; pgo_192.028 Einer Flamme, die durch's Dunkel pgo_192.029 Strahlt ein leuchtend Meteor, pgo_192.030 Aber Licht und Schimmer einbüßt pgo_192.031 Bei des Windes leisem Stoß. Calderon, die große Zenobia nach Gries. pgo_192.033 Doch warum dich so ermüden? pgo_192.037 pgo_192.001 Nicht erwägend, wie so oft pgo_192.016 pgo_192.032Sich des Glückes Wirkung ändert, pgo_192.017 Wie das Leben gleicht dem Flor pgo_192.018 Einer Blume, die sich aufzehrt, pgo_192.019 Gift'ger Wurm im eig'nen Schooß, pgo_192.020 Einem Mandelbaum voll Blüthen, pgo_192.021 Der, auf seine Schönheit stolz, pgo_192.022 Bei der Mittagswinde Säuseln pgo_192.023 Pracht und Eitelkeit verlor; pgo_192.024 Einem Bau, der schier ein Atlas pgo_192.025 War der Sphärenregion, pgo_192.026 Und im Staub, vom Blitz zerschmettert, pgo_192.027 Auflöst seinen eiteln Pomp; pgo_192.028 Einer Flamme, die durch's Dunkel pgo_192.029 Strahlt ein leuchtend Meteor, pgo_192.030 Aber Licht und Schimmer einbüßt pgo_192.031 Bei des Windes leisem Stoß. Calderon, die große Zenobia nach Gries. pgo_192.033 Doch warum dich so ermüden? pgo_192.037 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0214" n="192"/><lb n="pgo_192.001"/> und <hi rendition="#g">Shakespeare</hi> nicht selten von ihr Gebrauch. Die hebräische Poesie, <lb n="pgo_192.002"/> bei welcher der Parallelismus des Ausdruckes zur starren Eigenheit des <lb n="pgo_192.003"/> Styles geworden, häuft in der Regel zwei oder drei Bilder, schon dieser <lb n="pgo_192.004"/> formalen Symmetrie wegen, in welcher zugleich ihr musikalischer Rhythmus <lb n="pgo_192.005"/> besteht. Ebenso huldigt die indische, persische, arabische und nach <lb n="pgo_192.006"/> ihr die spanische Poesie diesem Luxus der Phantasie, welcher den einen <lb n="pgo_192.007"/> Gedanken gleichsam unter einer Bilderfülle verschüttet. Hier liegt aber <lb n="pgo_192.008"/> die Gefahr nahe, den Gedanken zu <hi rendition="#g">verwässern,</hi> statt ihn zu <hi rendition="#g">verstärken,</hi> <lb n="pgo_192.009"/> und in der That macht die spanische Lyrik und Dramatik gerade <lb n="pgo_192.010"/> durch die Häufung der Bilder oft einen <hi rendition="#g">schwächlichen</hi> Eindruck, denn <lb n="pgo_192.011"/> die Phantasie wird ermüdet durch den immer neuen Anlauf, der sie nicht <lb n="pgo_192.012"/> weiter bringt. Wenn <hi rendition="#g">Calderon</hi> den raschen Wechsel des Glückes und <lb n="pgo_192.013"/> die Vergänglichkeit des irdischen Lebens schildert und folgende Bilder <lb n="pgo_192.014"/> häuft:</p> <lb n="pgo_192.015"/> <lg> <l>Nicht erwägend, wie so oft</l> <lb n="pgo_192.016"/> <l>Sich des Glückes Wirkung ändert,</l> <lb n="pgo_192.017"/> <l>Wie das Leben gleicht dem Flor</l> <lb n="pgo_192.018"/> <l>Einer Blume, die sich aufzehrt,</l> <lb n="pgo_192.019"/> <l>Gift'ger Wurm im eig'nen Schooß,</l> <lb n="pgo_192.020"/> <l>Einem Mandelbaum voll Blüthen,</l> <lb n="pgo_192.021"/> <l>Der, auf seine Schönheit stolz,</l> <lb n="pgo_192.022"/> <l>Bei der Mittagswinde Säuseln</l> <lb n="pgo_192.023"/> <l>Pracht und Eitelkeit verlor;</l> <lb n="pgo_192.024"/> <l>Einem Bau, der schier ein Atlas</l> <lb n="pgo_192.025"/> <l>War der Sphärenregion,</l> <lb n="pgo_192.026"/> <l>Und im Staub, vom Blitz zerschmettert,</l> <lb n="pgo_192.027"/> <l>Auflöst seinen eiteln Pomp;</l> <lb n="pgo_192.028"/> <l>Einer Flamme, die durch's Dunkel</l> <lb n="pgo_192.029"/> <l>Strahlt ein leuchtend Meteor,</l> <lb n="pgo_192.030"/> <l>Aber Licht und Schimmer einbüßt</l> <lb n="pgo_192.031"/> <l>Bei des Windes leisem Stoß.</l> </lg> <lb n="pgo_192.032"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Calderon,</hi> die große Zenobia nach Gries.</hi> </p> <p><lb n="pgo_192.033"/> so hat er selbst das naive Bewußtsein von der Wirkung, welche diese <lb n="pgo_192.034"/> Bilderfülle hervorbringen muß; denn er läßt seinen Helden Decius den <lb n="pgo_192.035"/> Vers hinzufügen:</p> <lb n="pgo_192.036"/> <lg> <l>Doch warum dich <hi rendition="#g">so ermüden</hi>?</l> </lg> <p><lb n="pgo_192.037"/> Hiermit ist eine andere Häufung von Bildern nicht zu verwechseln, <lb n="pgo_192.038"/> welches keineswegs nur <hi rendition="#g">einen Gedanken</hi> in blumiger Wiederholung </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0214]
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und Shakespeare nicht selten von ihr Gebrauch. Die hebräische Poesie, pgo_192.002
bei welcher der Parallelismus des Ausdruckes zur starren Eigenheit des pgo_192.003
Styles geworden, häuft in der Regel zwei oder drei Bilder, schon dieser pgo_192.004
formalen Symmetrie wegen, in welcher zugleich ihr musikalischer Rhythmus pgo_192.005
besteht. Ebenso huldigt die indische, persische, arabische und nach pgo_192.006
ihr die spanische Poesie diesem Luxus der Phantasie, welcher den einen pgo_192.007
Gedanken gleichsam unter einer Bilderfülle verschüttet. Hier liegt aber pgo_192.008
die Gefahr nahe, den Gedanken zu verwässern, statt ihn zu verstärken, pgo_192.009
und in der That macht die spanische Lyrik und Dramatik gerade pgo_192.010
durch die Häufung der Bilder oft einen schwächlichen Eindruck, denn pgo_192.011
die Phantasie wird ermüdet durch den immer neuen Anlauf, der sie nicht pgo_192.012
weiter bringt. Wenn Calderon den raschen Wechsel des Glückes und pgo_192.013
die Vergänglichkeit des irdischen Lebens schildert und folgende Bilder pgo_192.014
häuft:
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Nicht erwägend, wie so oft pgo_192.016
Sich des Glückes Wirkung ändert, pgo_192.017
Wie das Leben gleicht dem Flor pgo_192.018
Einer Blume, die sich aufzehrt, pgo_192.019
Gift'ger Wurm im eig'nen Schooß, pgo_192.020
Einem Mandelbaum voll Blüthen, pgo_192.021
Der, auf seine Schönheit stolz, pgo_192.022
Bei der Mittagswinde Säuseln pgo_192.023
Pracht und Eitelkeit verlor; pgo_192.024
Einem Bau, der schier ein Atlas pgo_192.025
War der Sphärenregion, pgo_192.026
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Strahlt ein leuchtend Meteor, pgo_192.030
Aber Licht und Schimmer einbüßt pgo_192.031
Bei des Windes leisem Stoß.
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Calderon, die große Zenobia nach Gries.
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so hat er selbst das naive Bewußtsein von der Wirkung, welche diese pgo_192.034
Bilderfülle hervorbringen muß; denn er läßt seinen Helden Decius den pgo_192.035
Vers hinzufügen:
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Doch warum dich so ermüden?
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Hiermit ist eine andere Häufung von Bildern nicht zu verwechseln, pgo_192.038
welches keineswegs nur einen Gedanken in blumiger Wiederholung
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