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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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und Shakespeare nicht selten von ihr Gebrauch. Die hebräische Poesie, pgo_192.002
bei welcher der Parallelismus des Ausdruckes zur starren Eigenheit des pgo_192.003
Styles geworden, häuft in der Regel zwei oder drei Bilder, schon dieser pgo_192.004
formalen Symmetrie wegen, in welcher zugleich ihr musikalischer Rhythmus pgo_192.005
besteht. Ebenso huldigt die indische, persische, arabische und nach pgo_192.006
ihr die spanische Poesie diesem Luxus der Phantasie, welcher den einen pgo_192.007
Gedanken gleichsam unter einer Bilderfülle verschüttet. Hier liegt aber pgo_192.008
die Gefahr nahe, den Gedanken zu verwässern, statt ihn zu verstärken, pgo_192.009
und in der That macht die spanische Lyrik und Dramatik gerade pgo_192.010
durch die Häufung der Bilder oft einen schwächlichen Eindruck, denn pgo_192.011
die Phantasie wird ermüdet durch den immer neuen Anlauf, der sie nicht pgo_192.012
weiter bringt. Wenn Calderon den raschen Wechsel des Glückes und pgo_192.013
die Vergänglichkeit des irdischen Lebens schildert und folgende Bilder pgo_192.014
häuft:

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Nicht erwägend, wie so oft pgo_192.016
Sich des Glückes Wirkung ändert, pgo_192.017
Wie das Leben gleicht dem Flor pgo_192.018
Einer Blume, die sich aufzehrt, pgo_192.019
Gift'ger Wurm im eig'nen Schooß, pgo_192.020
Einem Mandelbaum voll Blüthen, pgo_192.021
Der, auf seine Schönheit stolz, pgo_192.022
Bei der Mittagswinde Säuseln pgo_192.023
Pracht und Eitelkeit verlor; pgo_192.024
Einem Bau, der schier ein Atlas pgo_192.025
War der Sphärenregion, pgo_192.026
Und im Staub, vom Blitz zerschmettert, pgo_192.027
Auflöst seinen eiteln Pomp; pgo_192.028
Einer Flamme, die durch's Dunkel pgo_192.029
Strahlt ein leuchtend Meteor, pgo_192.030
Aber Licht und Schimmer einbüßt pgo_192.031
Bei des Windes leisem Stoß.
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Calderon, die große Zenobia nach Gries.

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so hat er selbst das naive Bewußtsein von der Wirkung, welche diese pgo_192.034
Bilderfülle hervorbringen muß; denn er läßt seinen Helden Decius den pgo_192.035
Vers hinzufügen:

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Doch warum dich so ermüden?

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Hiermit ist eine andere Häufung von Bildern nicht zu verwechseln, pgo_192.038
welches keineswegs nur einen Gedanken in blumiger Wiederholung

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und Shakespeare nicht selten von ihr Gebrauch. Die hebräische Poesie, pgo_192.002
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Calderon, die große Zenobia nach Gries.

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so hat er selbst das naive Bewußtsein von der Wirkung, welche diese pgo_192.034
Bilderfülle hervorbringen muß; denn er läßt seinen Helden Decius den pgo_192.035
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Doch warum dich so ermüden?

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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/214>, abgerufen am 21.11.2024.