Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

pgo_211.001
ernsteren Charakter. Lauter katalektische Dreifüßler eignen sich für eine pgo_211.002
scharf abgerissene, blitzartig hingeworfene Schilderung:

pgo_211.003
Sonnenuntergang, pgo_211.004
Schwarze Wolken ziehn, pgo_211.005
O wie schwül und bang pgo_211.006
Alle Winde fliehn!
pgo_211.007
Durch den Himmel wild pgo_211.008
Jagen Blitze bleich; pgo_211.009
Jhr vergänglich Bild pgo_211.010
Wandelt durch den Teich.
pgo_211.011

Lenau.

pgo_211.012
c. Vierfüßige Trochäen.
pgo_211.013

_ _ _ _ _ _ _ _ pgo_211.014
_ _ _ _ _ _ _

pgo_211.015
Sie können auch mit dreifüßigen wechseln nach folgendem Schema:

pgo_211.016

_ _ _ _ _ _ _ _ pgo_211.017
_ _ _ _ _

pgo_211.018
Dein gedenkend irr' ich einsam pgo_211.019
Diesen Strom entlang, pgo_211.020
Könnten lauschen wir gemeinsam pgo_211.021
Seinem Wogenklang.
pgo_211.022

Lenau.

pgo_211.023
Am gebräuchlichsten ist die folgende Strophenbildung:

pgo_211.024
Wenn des Gottes letzter milder pgo_211.025
Schimmer sich vom See verlor, pgo_211.026
Steigen mir Gedächtnißbilder pgo_211.027
Aus der Welle Nacht empor.
pgo_211.028

Platen.

pgo_211.029
Die vierfüßigen Trochäen prägen den Charakter dieses Versmaßes pgo_211.030
am reinsten aus und werden daher auch vorzugsweise angewendet. pgo_211.031
Dieser Vers hat einen ernst beschaulichen Charakter; er eignet sich für pgo_211.032
Sentenzen, für Antithesen, für ein träumerisches und glänzendes Gedankenspiel. pgo_211.033
Er hat gerade das Maaß zu einer knappen, scharfzugespitzten pgo_211.034
Sentenz, welche der nächste Vierfüßler antistrophisch ausführen oder pgo_211.035
erwiedern kann. Dabei ladet er zu Parallelismen der Bilder und zu pgo_211.036
Anaphoren ein, z. B.

pgo_211.037
Träumet, wer beginnt zu steigen; pgo_211.038
Träumet, wer da sorgt und rennt;

pgo_211.001
ernsteren Charakter. Lauter katalektische Dreifüßler eignen sich für eine pgo_211.002
scharf abgerissene, blitzartig hingeworfene Schilderung:

pgo_211.003
Sonnenuntergang, pgo_211.004
Schwarze Wolken ziehn, pgo_211.005
O wie schwül und bang pgo_211.006
Alle Winde fliehn!
pgo_211.007
Durch den Himmel wild pgo_211.008
Jagen Blitze bleich; pgo_211.009
Jhr vergänglich Bild pgo_211.010
Wandelt durch den Teich.
pgo_211.011

Lenau.

pgo_211.012
c. Vierfüßige Trochäen.
pgo_211.013

_ ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ pgo_211.014
_ ‿ _ ‿ _ ‿ _

pgo_211.015
Sie können auch mit dreifüßigen wechseln nach folgendem Schema:

pgo_211.016

_ ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ pgo_211.017
_ ‿ _ ‿ _

pgo_211.018
Dein gedenkend irr' ich einsam pgo_211.019
Diesen Strom entlang, pgo_211.020
Könnten lauschen wir gemeinsam pgo_211.021
Seinem Wogenklang.
pgo_211.022

Lenau.

pgo_211.023
Am gebräuchlichsten ist die folgende Strophenbildung:

pgo_211.024
Wenn des Gottes letzter milder pgo_211.025
Schimmer sich vom See verlor, pgo_211.026
Steigen mir Gedächtnißbilder pgo_211.027
Aus der Welle Nacht empor.
pgo_211.028

Platen.

pgo_211.029
Die vierfüßigen Trochäen prägen den Charakter dieses Versmaßes pgo_211.030
am reinsten aus und werden daher auch vorzugsweise angewendet. pgo_211.031
Dieser Vers hat einen ernst beschaulichen Charakter; er eignet sich für pgo_211.032
Sentenzen, für Antithesen, für ein träumerisches und glänzendes Gedankenspiel. pgo_211.033
Er hat gerade das Maaß zu einer knappen, scharfzugespitzten pgo_211.034
Sentenz, welche der nächste Vierfüßler antistrophisch ausführen oder pgo_211.035
erwiedern kann. Dabei ladet er zu Parallelismen der Bilder und zu pgo_211.036
Anaphoren ein, z. B.

pgo_211.037
Träumet, wer beginnt zu steigen; pgo_211.038
Träumet, wer da sorgt und rennt;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0233" n="211"/><lb n="pgo_211.001"/>
ernsteren Charakter. Lauter katalektische Dreifüßler eignen sich für eine <lb n="pgo_211.002"/>
scharf abgerissene, blitzartig hingeworfene Schilderung:</p>
                  <lb n="pgo_211.003"/>
                  <lg>
                    <l>Sonnenuntergang,</l>
                    <lb n="pgo_211.004"/>
                    <l>Schwarze Wolken ziehn,</l>
                    <lb n="pgo_211.005"/>
                    <l>O wie schwül und bang</l>
                    <lb n="pgo_211.006"/>
                    <l>Alle Winde fliehn! </l>
                  </lg>
                  <lg>
                    <lb n="pgo_211.007"/>
                    <l>Durch den Himmel wild</l>
                    <lb n="pgo_211.008"/>
                    <l>Jagen Blitze bleich;</l>
                    <lb n="pgo_211.009"/>
                    <l>Jhr vergänglich Bild</l>
                    <lb n="pgo_211.010"/>
                    <l>Wandelt durch den Teich.</l>
                  </lg>
                  <lb n="pgo_211.011"/>
                  <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Lenau</hi>.</hi> </p>
                </div>
                <div n="6">
                  <lb n="pgo_211.012"/>
                  <head> <hi rendition="#c">c. <hi rendition="#g">Vierfüßige Trochäen.</hi></hi> </head>
                  <lb n="pgo_211.013"/>
                  <p> <hi rendition="#right">_ &#x203F; _ &#x203F; _ &#x203F; _ &#x203F; <lb n="pgo_211.014"/>
_ &#x203F; _ &#x203F; _ &#x203F; _</hi> </p>
                  <p><lb n="pgo_211.015"/>
Sie können auch mit dreifüßigen wechseln nach folgendem Schema:</p>
                  <lb n="pgo_211.016"/>
                  <p> <hi rendition="#right">_ &#x203F; _ &#x203F; _ &#x203F; _ &#x203F;     <lb n="pgo_211.017"/>
_ &#x203F; _ &#x203F; _</hi> </p>
                  <lb n="pgo_211.018"/>
                  <lg>
                    <l>Dein gedenkend irr' ich einsam</l>
                    <lb n="pgo_211.019"/>
                    <l>Diesen Strom entlang,</l>
                    <lb n="pgo_211.020"/>
                    <l>Könnten lauschen wir gemeinsam</l>
                    <lb n="pgo_211.021"/>
                    <l>Seinem Wogenklang.</l>
                  </lg>
                  <lb n="pgo_211.022"/>
                  <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Lenau</hi>.</hi> </p>
                  <p><lb n="pgo_211.023"/>
Am gebräuchlichsten ist die folgende Strophenbildung:</p>
                  <lb n="pgo_211.024"/>
                  <lg>
                    <l>Wenn des Gottes letzter milder</l>
                    <lb n="pgo_211.025"/>
                    <l>Schimmer sich vom See verlor,</l>
                    <lb n="pgo_211.026"/>
                    <l>Steigen mir Gedächtnißbilder</l>
                    <lb n="pgo_211.027"/>
                    <l>Aus der Welle Nacht empor.</l>
                  </lg>
                  <lb n="pgo_211.028"/>
                  <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Platen</hi>.</hi> </p>
                  <p><lb n="pgo_211.029"/>
Die vierfüßigen Trochäen prägen den Charakter dieses Versmaßes <lb n="pgo_211.030"/>
am reinsten aus und werden daher auch vorzugsweise angewendet. <lb n="pgo_211.031"/>
Dieser Vers hat einen ernst beschaulichen Charakter; er eignet sich für <lb n="pgo_211.032"/>
Sentenzen, für Antithesen, für ein träumerisches und glänzendes Gedankenspiel. <lb n="pgo_211.033"/>
Er hat gerade das Maaß zu einer knappen, scharfzugespitzten <lb n="pgo_211.034"/>
Sentenz, welche der nächste Vierfüßler antistrophisch ausführen oder <lb n="pgo_211.035"/>
erwiedern kann. Dabei ladet er zu Parallelismen der Bilder und zu <lb n="pgo_211.036"/>
Anaphoren ein, z. B.</p>
                  <lb n="pgo_211.037"/>
                  <lg>
                    <l>Träumet, wer beginnt zu steigen;</l>
                    <lb n="pgo_211.038"/>
                    <l>Träumet, wer da sorgt und rennt;</l>
                  </lg>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0233] pgo_211.001 ernsteren Charakter. Lauter katalektische Dreifüßler eignen sich für eine pgo_211.002 scharf abgerissene, blitzartig hingeworfene Schilderung: pgo_211.003 Sonnenuntergang, pgo_211.004 Schwarze Wolken ziehn, pgo_211.005 O wie schwül und bang pgo_211.006 Alle Winde fliehn! pgo_211.007 Durch den Himmel wild pgo_211.008 Jagen Blitze bleich; pgo_211.009 Jhr vergänglich Bild pgo_211.010 Wandelt durch den Teich. pgo_211.011 Lenau. pgo_211.012 c. Vierfüßige Trochäen. pgo_211.013 _ ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ pgo_211.014 _ ‿ _ ‿ _ ‿ _ pgo_211.015 Sie können auch mit dreifüßigen wechseln nach folgendem Schema: pgo_211.016 _ ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ pgo_211.017 _ ‿ _ ‿ _ pgo_211.018 Dein gedenkend irr' ich einsam pgo_211.019 Diesen Strom entlang, pgo_211.020 Könnten lauschen wir gemeinsam pgo_211.021 Seinem Wogenklang. pgo_211.022 Lenau. pgo_211.023 Am gebräuchlichsten ist die folgende Strophenbildung: pgo_211.024 Wenn des Gottes letzter milder pgo_211.025 Schimmer sich vom See verlor, pgo_211.026 Steigen mir Gedächtnißbilder pgo_211.027 Aus der Welle Nacht empor. pgo_211.028 Platen. pgo_211.029 Die vierfüßigen Trochäen prägen den Charakter dieses Versmaßes pgo_211.030 am reinsten aus und werden daher auch vorzugsweise angewendet. pgo_211.031 Dieser Vers hat einen ernst beschaulichen Charakter; er eignet sich für pgo_211.032 Sentenzen, für Antithesen, für ein träumerisches und glänzendes Gedankenspiel. pgo_211.033 Er hat gerade das Maaß zu einer knappen, scharfzugespitzten pgo_211.034 Sentenz, welche der nächste Vierfüßler antistrophisch ausführen oder pgo_211.035 erwiedern kann. Dabei ladet er zu Parallelismen der Bilder und zu pgo_211.036 Anaphoren ein, z. B. pgo_211.037 Träumet, wer beginnt zu steigen; pgo_211.038 Träumet, wer da sorgt und rennt;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/233
Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/233>, abgerufen am 21.11.2024.