Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_225.001 pgo_225.010 d. Der sechsfüßige Jambus. pgo_225.011_- _ _ _ _- _ _ _ _- _ _ _ pgo_225.012 pgo_225.022 a. Der Trimeter. pgo_225.023 _- | _ _ _ _- || _ _ _ _- _ _ _ pgo_225.028Bewundert viel und || viel gescholten Helena, pgo_225.029
Vom Strande komm' ich, || wo wir erst gelandet sind. pgo_225.030 Noch immer trunken || von des Gewoges regsamen *) pgo_225.031
Die Kanzone stammt von den provencalischen Troubadours her. Zur pgo_225.032 Mustergültigkeit haben sie Dante und Petrarca ausgebildet; doch verkünstelte man pgo_225.033 später in Jtalien wieder das überlieferte Schema. Abgesehen von den Kanzonen der pgo_225.034 Romantiker hat in neuester Zeit Max Waldau einige vortreffliche Kanzonen gedichtet. pgo_225.001 pgo_225.010 d. Der sechsfüßige Jambus. pgo_225.011‿─ _ ‿ _ ‿─ _ ‿ _ ‿─ _ ‿ _ pgo_225.012 pgo_225.022 α. Der Trimeter. pgo_225.023 ‿─ | _ ‿ _ ‿─ ‖ _ ‿ _ ‿─ _ ‿ _ pgo_225.028Bewundert viel und ‖ viel gescholten Helena, pgo_225.029
Vom Strande komm' ich, ‖ wo wir erst gelandet sind. pgo_225.030 Noch immer trunken ‖ von des Gewoges regsamen *) pgo_225.031
Die Kanzone stammt von den provençalischen Troubadours her. Zur pgo_225.032 Mustergültigkeit haben sie Dante und Petrarca ausgebildet; doch verkünstelte man pgo_225.033 später in Jtalien wieder das überlieferte Schema. Abgesehen von den Kanzonen der pgo_225.034 Romantiker hat in neuester Zeit Max Waldau einige vortreffliche Kanzonen gedichtet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0247" n="225"/><lb n="pgo_225.001"/> einen assonirenden einschließen, auf die <hi rendition="#g">Kanzone,</hi> eine größere, mit <lb n="pgo_225.002"/> freier Architektonik gebaute Strophe, welche in zwei Hälften zerfällt, in <lb n="pgo_225.003"/> welcher mit den fünffüßigen Jamben dreifüßige wechseln können, die <lb n="pgo_225.004"/> Reimverschlingung und Verszahl indeß freigegeben ist, aber die zweite <lb n="pgo_225.005"/> Kanzone der ersten so treu nachgebildet sein muß, wie die Antistrophe <lb n="pgo_225.006"/> der griechischen Tragiker der Strophe, näher einzugehn<note xml:id="PGO_225_1" place="foot" n="*)"><lb n="pgo_225.031"/> Die <hi rendition="#g">Kanzone</hi> stammt von den provençalischen Troubadours her. Zur <lb n="pgo_225.032"/> Mustergültigkeit haben sie <hi rendition="#g">Dante</hi> und <hi rendition="#g">Petrarca</hi> ausgebildet; doch verkünstelte man <lb n="pgo_225.033"/> später in Jtalien wieder das überlieferte Schema. Abgesehen von den Kanzonen der <lb n="pgo_225.034"/> Romantiker hat in neuester Zeit <hi rendition="#g">Max Waldau</hi> einige vortreffliche Kanzonen gedichtet.</note>. Wir erwähnen <lb n="pgo_225.007"/> nur noch, daß in <hi rendition="#g">Sonett</hi> und <hi rendition="#g">Stanze</hi> der deutsche Vers mit männlichem <lb n="pgo_225.008"/> oder weiblichem Reim schließen kann, in der Terzine indeß der nur <lb n="pgo_225.009"/> weibliche Reim besser beibehalten wird.</p> </div> </div> <div n="6"> <lb n="pgo_225.010"/> <head> <hi rendition="#c">d. <hi rendition="#g">Der sechsfüßige Jambus.</hi></hi> </head> <lb n="pgo_225.011"/> <p> <hi rendition="#right">‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> _ ‿ _ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> _ ‿ _ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> _ ‿ _</hi> </p> <p><lb n="pgo_225.012"/> Er besteht aus drei Doppeljamben, welche mit Anapästen und Spondäen <lb n="pgo_225.013"/> wechseln können. <hi rendition="#g">Spondäen</hi> dürfen in den ersten Fuß jeder <lb n="pgo_225.014"/> Dipodie gestellt werden, während der zweite rein austönen muß, um den <lb n="pgo_225.015"/> jambischen Charakter nicht zu verwischen. <hi rendition="#g">Anapäste</hi> können an jede <lb n="pgo_225.016"/> Stelle dieses Sechsfüßlers gesetzt werden, nur nicht an die sechste; denn <lb n="pgo_225.017"/> der Anlauf zweier Kürzen gegen die letzte Länge würde ebenfalls den <lb n="pgo_225.018"/> jambischen Charakter des Verses aufheben. Je nach der <hi rendition="#g">Cäsur</hi> zerfällt <lb n="pgo_225.019"/> der Sechsfüßler (<foreign xml:lang="lat">senavius</foreign>) in zwei verschiedene Verse: den griechischen <lb n="pgo_225.020"/> <hi rendition="#g">Sechsfüßler (Trimeter</hi>) und den französischen <hi rendition="#g">Sechsfüßler</hi> <lb n="pgo_225.021"/> (Alexandriner).</p> <div n="7"> <lb n="pgo_225.022"/> <head> <hi rendition="#c"><foreign xml:lang="grc">α</foreign>. <hi rendition="#g">Der Trimeter.</hi></hi> </head> <p><lb n="pgo_225.023"/> Bei dem Trimeter liegt die Cäsur so, daß sie den Vers nicht in <hi rendition="#g">zwei <lb n="pgo_225.024"/> gleiche</hi> Hälften theilt. Da der griechische Trimeter sich aus Trochäen <lb n="pgo_225.025"/> mit einer Vorschlagssylbe gebildet, so fällt sie hinter das Ende der ersten <lb n="pgo_225.026"/> trochäischen Dipodie, wo also jedesmal das Wort zu Ende sein muß:</p> <lb n="pgo_225.027"/> <p> <hi rendition="#right">‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> | _ ‿ _ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> ‖ _ ‿ _ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> _ ‿ _</hi> </p> <lb n="pgo_225.028"/> <lg> <l>Bewundert viel und ‖ viel gescholten Helena,</l> <lb n="pgo_225.029"/> <l>Vom Strande komm' ich, ‖ wo wir erst gelandet sind.</l> <lb n="pgo_225.030"/> <l>Noch immer trunken ‖ von des Gewoges regsamen</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [225/0247]
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einen assonirenden einschließen, auf die Kanzone, eine größere, mit pgo_225.002
freier Architektonik gebaute Strophe, welche in zwei Hälften zerfällt, in pgo_225.003
welcher mit den fünffüßigen Jamben dreifüßige wechseln können, die pgo_225.004
Reimverschlingung und Verszahl indeß freigegeben ist, aber die zweite pgo_225.005
Kanzone der ersten so treu nachgebildet sein muß, wie die Antistrophe pgo_225.006
der griechischen Tragiker der Strophe, näher einzugehn *). Wir erwähnen pgo_225.007
nur noch, daß in Sonett und Stanze der deutsche Vers mit männlichem pgo_225.008
oder weiblichem Reim schließen kann, in der Terzine indeß der nur pgo_225.009
weibliche Reim besser beibehalten wird.
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d. Der sechsfüßige Jambus. pgo_225.011
‿─ _ ‿ _ ‿─ _ ‿ _ ‿─ _ ‿ _
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Er besteht aus drei Doppeljamben, welche mit Anapästen und Spondäen pgo_225.013
wechseln können. Spondäen dürfen in den ersten Fuß jeder pgo_225.014
Dipodie gestellt werden, während der zweite rein austönen muß, um den pgo_225.015
jambischen Charakter nicht zu verwischen. Anapäste können an jede pgo_225.016
Stelle dieses Sechsfüßlers gesetzt werden, nur nicht an die sechste; denn pgo_225.017
der Anlauf zweier Kürzen gegen die letzte Länge würde ebenfalls den pgo_225.018
jambischen Charakter des Verses aufheben. Je nach der Cäsur zerfällt pgo_225.019
der Sechsfüßler (senavius) in zwei verschiedene Verse: den griechischen pgo_225.020
Sechsfüßler (Trimeter) und den französischen Sechsfüßler pgo_225.021
(Alexandriner).
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α. Der Trimeter. pgo_225.023
Bei dem Trimeter liegt die Cäsur so, daß sie den Vers nicht in zwei pgo_225.024
gleiche Hälften theilt. Da der griechische Trimeter sich aus Trochäen pgo_225.025
mit einer Vorschlagssylbe gebildet, so fällt sie hinter das Ende der ersten pgo_225.026
trochäischen Dipodie, wo also jedesmal das Wort zu Ende sein muß:
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‿─ | _ ‿ _ ‿─ ‖ _ ‿ _ ‿─ _ ‿ _
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Bewundert viel und ‖ viel gescholten Helena, pgo_225.029
Vom Strande komm' ich, ‖ wo wir erst gelandet sind. pgo_225.030
Noch immer trunken ‖ von des Gewoges regsamen
*) pgo_225.031
Die Kanzone stammt von den provençalischen Troubadours her. Zur pgo_225.032
Mustergültigkeit haben sie Dante und Petrarca ausgebildet; doch verkünstelte man pgo_225.033
später in Jtalien wieder das überlieferte Schema. Abgesehen von den Kanzonen der pgo_225.034
Romantiker hat in neuester Zeit Max Waldau einige vortreffliche Kanzonen gedichtet.
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