Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_228.001 Sie reiten in gedrängtem Troß, wo sich vermengen Sand und Luft. pgo_228.002 pgo_228.003Sieh da, verschlungen hat sie schon der Ferne schwefelfarb'ner Duft. Freiligrath. pgo_228.004 3. Das daktylische Versmaaß. pgo_228.005 pgo_228.012 a. Zwei- und mehrfüßige Daktylen. pgo_228.013_ _ _ _ _ (_ _ _) pgo_228.014Christ ist erstanden! pgo_228.015 pgo_228.019Freude den Sterblichen, pgo_228.016 Den die verderblichen, pgo_228.017 Schleichenden, erblichen pgo_228.018 Mängel umwanden. Goethe. pgo_228.020_ _ _ | _ _ _ | _ _ _ | _ _ pgo_228.021Ehret die Frauen, sie flechten und weben pgo_228.022 pgo_228.023Himmlische Rosen in's irdische Leben. Schiller. pgo_228.024 Wär' ich die Luft, um die Flügel zu schlagen, pgo_228.030 Wolken zu jagen, pgo_228.031 Ueber die Gipfel der Berge zu streben, pgo_228.032 Das wär' ein Leben! pgo_228.033
Tannen zu wiegen und Eichen zu schaukeln, pgo_228.034 Weiter zu gaukeln, pgo_228.035 Seele den flüsternden Schatten zu geben, pgo_228.036 Das wär' ein Leben! pgo_228.001 Sie reiten in gedrängtem Troß, wo sich vermengen Sand und Luft. pgo_228.002 pgo_228.003Sieh da, verschlungen hat sie schon der Ferne schwefelfarb'ner Duft. Freiligrath. pgo_228.004 3. Das daktylische Versmaaß. pgo_228.005 pgo_228.012 α. Zwei- und mehrfüßige Daktylen. pgo_228.013_ ‿ ‿ _ ‿ (_ ‿ ‿) pgo_228.014Christ ist erstanden! pgo_228.015 pgo_228.019Freude den Sterblichen, pgo_228.016 Den die verderblichen, pgo_228.017 Schleichenden, erblichen pgo_228.018 Mängel umwanden. Goethe. pgo_228.020_ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ pgo_228.021Ehret die Frauen, sie flechten und weben pgo_228.022 pgo_228.023Himmlische Rosen in's irdische Leben. Schiller. pgo_228.024 Wär' ich die Luft, um die Flügel zu schlagen, pgo_228.030 Wolken zu jagen, pgo_228.031 Ueber die Gipfel der Berge zu streben, pgo_228.032 Das wär' ein Leben! pgo_228.033
Tannen zu wiegen und Eichen zu schaukeln, pgo_228.034 Weiter zu gaukeln, pgo_228.035 Seele den flüsternden Schatten zu geben, pgo_228.036 Das wär' ein Leben! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <pb facs="#f0250" n="228"/> <lb n="pgo_228.001"/> <lg> <l>Sie reiten in gedrängtem Troß, wo sich vermengen Sand und Luft.</l> <lb n="pgo_228.002"/> <l>Sieh da, verschlungen hat sie schon der Ferne schwefelfarb'ner Duft.</l> </lg> <lb n="pgo_228.003"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Freiligrath</hi>.</hi> </p> </div> </div> <div n="5"> <lb n="pgo_228.004"/> <head> <hi rendition="#c">3. Das daktylische Versmaaß.</hi> </head> <p><lb n="pgo_228.005"/> Der <hi rendition="#g">Daktylus</hi> (_ ‿ ‿) hat einen geflügelten, hüpfenden Charakter, <lb n="pgo_228.006"/> der sich am schärfsten im gleitenden Reim ausprägt. Es ist durchaus <lb n="pgo_228.007"/> erforderlich, daß seine beiden Kürzen <hi rendition="#g">rein</hi> gehalten und nicht Längen <lb n="pgo_228.008"/> statt ihrer gesetzt werden; sonst erlahmt der beschwingte Gang des Verses <lb n="pgo_228.009"/> augenblicklich. Selbstständig und rein kann er nur in kleineren Gedichten <lb n="pgo_228.010"/> benutzt werden. Jm Wechsel mit dem Spondäus bildet er das größere <lb n="pgo_228.011"/> epische und elegische Versmaaß.</p> <div n="6"> <lb n="pgo_228.012"/> <head> <hi rendition="#c"><foreign xml:lang="grc">α</foreign>. <hi rendition="#g">Zwei- und mehrfüßige Daktylen.</hi></hi> </head> <lb n="pgo_228.013"/> <p> <hi rendition="#right">_ ‿ ‿ _ ‿ (_ ‿ ‿)</hi> </p> <lb n="pgo_228.014"/> <lg> <l>Christ ist erstanden!</l> <lb n="pgo_228.015"/> <l>Freude den Sterblichen,</l> <lb n="pgo_228.016"/> <l>Den die verderblichen,</l> <lb n="pgo_228.017"/> <l>Schleichenden, erblichen</l> <lb n="pgo_228.018"/> <l>Mängel umwanden.</l> </lg> <lb n="pgo_228.019"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Goethe</hi>.</hi> </p> <lb n="pgo_228.020"/> <p> <hi rendition="#right">_ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿</hi> </p> <lb n="pgo_228.021"/> <lg> <l>Ehret die Frauen, sie flechten und weben</l> <lb n="pgo_228.022"/> <l>Himmlische Rosen in's irdische Leben.</l> </lg> <lb n="pgo_228.023"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Schiller</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_228.024"/> Jn der Regel werden Strophen gebildet, in denen Verse von verschiedener <lb n="pgo_228.025"/> Länge sich ablösen. Die reinen Daktylen eignen sich zur Schilderung <lb n="pgo_228.026"/> eines bewegten Naturlebens, einer jubelnden Freude, wie in jenem <lb n="pgo_228.027"/> Engelschor des Goethischen Faust. Das „Lüfteleben“ schildert <hi rendition="#g">Rückert</hi> <lb n="pgo_228.028"/> malerisch in Daktylen:</p> <lb n="pgo_228.029"/> <lg> <l>Wär' ich die Luft, um die Flügel zu schlagen,</l> <lb n="pgo_228.030"/> <l>Wolken zu jagen,</l> <lb n="pgo_228.031"/> <l>Ueber die Gipfel der Berge zu streben,</l> <lb n="pgo_228.032"/> <l>Das wär' ein Leben! </l> </lg> <lg> <lb n="pgo_228.033"/> <l>Tannen zu wiegen und Eichen zu schaukeln,</l> <lb n="pgo_228.034"/> <l>Weiter zu gaukeln,</l> <lb n="pgo_228.035"/> <l>Seele den flüsternden Schatten zu geben,</l> <lb n="pgo_228.036"/> <l>Das wär' ein Leben!</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [228/0250]
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Sie reiten in gedrängtem Troß, wo sich vermengen Sand und Luft. pgo_228.002
Sieh da, verschlungen hat sie schon der Ferne schwefelfarb'ner Duft.
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Freiligrath.
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3. Das daktylische Versmaaß. pgo_228.005
Der Daktylus (_ ‿ ‿) hat einen geflügelten, hüpfenden Charakter, pgo_228.006
der sich am schärfsten im gleitenden Reim ausprägt. Es ist durchaus pgo_228.007
erforderlich, daß seine beiden Kürzen rein gehalten und nicht Längen pgo_228.008
statt ihrer gesetzt werden; sonst erlahmt der beschwingte Gang des Verses pgo_228.009
augenblicklich. Selbstständig und rein kann er nur in kleineren Gedichten pgo_228.010
benutzt werden. Jm Wechsel mit dem Spondäus bildet er das größere pgo_228.011
epische und elegische Versmaaß.
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α. Zwei- und mehrfüßige Daktylen. pgo_228.013
_ ‿ ‿ _ ‿ (_ ‿ ‿)
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Christ ist erstanden! pgo_228.015
Freude den Sterblichen, pgo_228.016
Den die verderblichen, pgo_228.017
Schleichenden, erblichen pgo_228.018
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Goethe.
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_ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿
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Ehret die Frauen, sie flechten und weben pgo_228.022
Himmlische Rosen in's irdische Leben.
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Schiller.
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Jn der Regel werden Strophen gebildet, in denen Verse von verschiedener pgo_228.025
Länge sich ablösen. Die reinen Daktylen eignen sich zur Schilderung pgo_228.026
eines bewegten Naturlebens, einer jubelnden Freude, wie in jenem pgo_228.027
Engelschor des Goethischen Faust. Das „Lüfteleben“ schildert Rückert pgo_228.028
malerisch in Daktylen:
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Wär' ich die Luft, um die Flügel zu schlagen, pgo_228.030
Wolken zu jagen, pgo_228.031
Ueber die Gipfel der Berge zu streben, pgo_228.032
Das wär' ein Leben!
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Tannen zu wiegen und Eichen zu schaukeln, pgo_228.034
Weiter zu gaukeln, pgo_228.035
Seele den flüsternden Schatten zu geben, pgo_228.036
Das wär' ein Leben!
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