Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_229.001 Löst mir in Eile, pgo_229.004 Brüder, die Seile, pgo_229.005 Weil wir nach langer, nach drückender Weile pgo_229.006 Wieder der prächtigen pgo_229.007 Aber verdächtigen pgo_229.008 Fluth uns bemächtigen, pgo_229.009 Spannt mir die Segel und löst mir die Seile! pgo_229.010 pgo_229.013 b. Der Hexameter. pgo_229.014_ _- -_- | _ _- -_- | _ || _- -_- | _ _- -_- | _ _ _ | _ _ pgo_229.015 _ _ _ | _ _ _ | _ _ _ | _ _ _ | _ _ _ | _ _ _ pgo_229.017 Wie oft | Seefahrt | kaum vor|rückt, müh|volleres | Rudern pgo_229.027 pgo_229.029Fortar|beitet das | Schiff, wenn | plötzlich der | Wog' Ab|gründe pgo_229.028 Sturm auf|wühlt und den Kiel | in den | Wallungen | schaukelnd da hinreißt. Schlegel. pgo_229.030 pgo_229.035 pgo_229.001 Löst mir in Eile, pgo_229.004 Brüder, die Seile, pgo_229.005 Weil wir nach langer, nach drückender Weile pgo_229.006 Wieder der prächtigen pgo_229.007 Aber verdächtigen pgo_229.008 Fluth uns bemächtigen, pgo_229.009 Spannt mir die Segel und löst mir die Seile! pgo_229.010 pgo_229.013 β. Der Hexameter. pgo_229.014_ ‿─ ─‿─ | _ ‿─ ─‿─ | _ ‖ ‿─ ─‿─ | _ ‿─ ─‿─ | _ ‿ ‿ | _ _ pgo_229.015 _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ pgo_229.017 Wie oft | Seefahrt | kaum vor|rückt, müh|volleres | Rudern pgo_229.027 pgo_229.029Fortar|beitet das | Schiff, wenn | plötzlich der | Wōg' Āb|gründe pgo_229.028 Sturm auf|wühlt und den Kiel | in den | Wallungen | schaukelnd da hinreißt. Schlegel. pgo_229.030 pgo_229.035 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <pb facs="#f0251" n="229"/> <p><lb n="pgo_229.001"/> Ebenso ertönt Platen's Matrosenchor auf dem von Fluthen gewiegten <lb n="pgo_229.002"/> Schiffe:</p> <lb n="pgo_229.003"/> <lg> <l>Löst mir in Eile,</l> <lb n="pgo_229.004"/> <l>Brüder, die Seile,</l> <lb n="pgo_229.005"/> <l>Weil wir nach langer, nach drückender Weile</l> <lb n="pgo_229.006"/> <l>Wieder der prächtigen</l> <lb n="pgo_229.007"/> <l>Aber verdächtigen</l> <lb n="pgo_229.008"/> <l>Fluth uns bemächtigen,</l> <lb n="pgo_229.009"/> <l>Spannt mir die Segel und löst mir die Seile!</l> </lg> <p><lb n="pgo_229.010"/> Oft bilden die reinen Daktylen mit Trochäen Strophe und Antistrophe, <lb n="pgo_229.011"/> wie in Schiller's „Frauenwürde,“ oft bilden sie bei trochäischen <lb n="pgo_229.012"/> Versen eine Art zweizeiligen Refrains.</p> </div> <div n="6"> <lb n="pgo_229.013"/> <head> <hi rendition="#c"><foreign xml:lang="grc">β</foreign>. <hi rendition="#g">Der Hexameter.</hi></hi> </head> <lb n="pgo_229.014"/> <p> <hi rendition="#right">_ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> <metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark>‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> | _ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> <metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark>‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> | _ ‖ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> <metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark>‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> | _ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> <metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark>‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> | _ ‿ ‿ | _ _</hi> </p> <p><lb n="pgo_229.015"/> Der Hexameter bestand ursprünglich aus sechs Daktylen:</p> <lb n="pgo_229.016"/> <p> <hi rendition="#right">_ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿ | _ ‿ ‿</hi> </p> <p><lb n="pgo_229.017"/> ein in's Weite ergossenes Schema, aus welchem er sich zu künstlerischer <lb n="pgo_229.018"/> Gliederung emporraffte. Zunächst vertauschte er den letzten Daktylus, <lb n="pgo_229.019"/> der in's Unbegrenzte fortzuhüpfen drohte, mit einem Spondäus, um <lb n="pgo_229.020"/> einen festen Schlußstein für die Verszeile zu gewinnen. Dann stellte er <lb n="pgo_229.021"/> überhaupt diese Spondäen als Hemmsteine dem herunterrollenden <lb n="pgo_229.022"/> Taumel der Daktylen entgegen, und zwar an allen Stellen, nur nicht an <lb n="pgo_229.023"/> der vorletzten, wo der Charakter des Verses am schärfsten hervortritt, um <lb n="pgo_229.024"/> nicht seine freie Bewegung ganz zu lähmen. Ausnahmen sind nur zu <lb n="pgo_229.025"/> Gunsten der rhythmischen Malerei gestattet; z. B.</p> <lb n="pgo_229.026"/> <lg> <l>Wie oft | Seefahrt | kaum vor|rückt, müh|volleres | Rudern</l> <lb n="pgo_229.027"/> <l>Fortar|beitet das | Schiff, wenn | plötzlich der | Wōg' Āb|gründe</l> <lb n="pgo_229.028"/> <l>Sturm auf|wühlt und den Kiel | in den | Wallungen | schaukelnd da hinreißt.</l> </lg> <lb n="pgo_229.029"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Schlegel</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_229.030"/> Hier steht der Spondäus: „Wōg' Āb“ an der fünften Stelle; aber <lb n="pgo_229.031"/> dieser und der vorhergehende Hexameter malen durch schwergehäufte <lb n="pgo_229.032"/> Spondäen den mühevoll arbeitenden Gang des Schiffes, eine Malerei, <lb n="pgo_229.033"/> welche durch den ausnahmsweisen Spondäus des fünften Fußes am <lb n="pgo_229.034"/> ausdrucksvollsten hervortritt.</p> <p><lb n="pgo_229.035"/> Der letzte Schritt, die sechsfüßigen Daktylen künstlerisch zu gliedern, </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [229/0251]
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Ebenso ertönt Platen's Matrosenchor auf dem von Fluthen gewiegten pgo_229.002
Schiffe:
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Löst mir in Eile, pgo_229.004
Brüder, die Seile, pgo_229.005
Weil wir nach langer, nach drückender Weile pgo_229.006
Wieder der prächtigen pgo_229.007
Aber verdächtigen pgo_229.008
Fluth uns bemächtigen, pgo_229.009
Spannt mir die Segel und löst mir die Seile!
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Oft bilden die reinen Daktylen mit Trochäen Strophe und Antistrophe, pgo_229.011
wie in Schiller's „Frauenwürde,“ oft bilden sie bei trochäischen pgo_229.012
Versen eine Art zweizeiligen Refrains.
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β. Der Hexameter. pgo_229.014
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Der Hexameter bestand ursprünglich aus sechs Daktylen:
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ein in's Weite ergossenes Schema, aus welchem er sich zu künstlerischer pgo_229.018
Gliederung emporraffte. Zunächst vertauschte er den letzten Daktylus, pgo_229.019
der in's Unbegrenzte fortzuhüpfen drohte, mit einem Spondäus, um pgo_229.020
einen festen Schlußstein für die Verszeile zu gewinnen. Dann stellte er pgo_229.021
überhaupt diese Spondäen als Hemmsteine dem herunterrollenden pgo_229.022
Taumel der Daktylen entgegen, und zwar an allen Stellen, nur nicht an pgo_229.023
der vorletzten, wo der Charakter des Verses am schärfsten hervortritt, um pgo_229.024
nicht seine freie Bewegung ganz zu lähmen. Ausnahmen sind nur zu pgo_229.025
Gunsten der rhythmischen Malerei gestattet; z. B.
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Wie oft | Seefahrt | kaum vor|rückt, müh|volleres | Rudern pgo_229.027
Fortar|beitet das | Schiff, wenn | plötzlich der | Wōg' Āb|gründe pgo_229.028
Sturm auf|wühlt und den Kiel | in den | Wallungen | schaukelnd da hinreißt.
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Schlegel.
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Hier steht der Spondäus: „Wōg' Āb“ an der fünften Stelle; aber pgo_229.031
dieser und der vorhergehende Hexameter malen durch schwergehäufte pgo_229.032
Spondäen den mühevoll arbeitenden Gang des Schiffes, eine Malerei, pgo_229.033
welche durch den ausnahmsweisen Spondäus des fünften Fußes am pgo_229.034
ausdrucksvollsten hervortritt.
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Der letzte Schritt, die sechsfüßigen Daktylen künstlerisch zu gliedern,
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