Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_230.001 Stolberg über der Stadt || am besegelten Busen der Ostsee. pgo_230.004Voß. pgo_230.005 Horcht' ich der lockenden Wachtel || im grünlichen Rauche der Aehren. pgo_230.008Voß. pgo_230.009 Ob er zum Kampf || des heroischen Lieds || unermüdlich sich gürtet. pgo_230.014 pgo_230.017 pgo_230.001 Stolberg über der Stadt ‖ am besegelten Busen der Ostsee. pgo_230.004Voß. pgo_230.005 Horcht' ich der lockenden Wachtel ‖ im grünlichen Rauche der Aehren. pgo_230.008Voß. pgo_230.009 Ob er zum Kampf ‖ des heroischen Lieds ‖ unermüdlich sich gürtet. pgo_230.014 pgo_230.017 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0252" n="230"/><lb n="pgo_230.001"/> war die <hi rendition="#g">Cäsur,</hi> welche <hi rendition="#g">männlich</hi> heißt, wenn sie nach der ersten Sylbe <lb n="pgo_230.002"/> des dritten Daktylus und Spondäus eintritt:</p> <lb n="pgo_230.003"/> <lg> <l>Stolberg über der Stadt ‖ am besegelten Busen der Ostsee.</l> </lg> <lb n="pgo_230.004"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Voß</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_230.005"/><hi rendition="#g">weiblich</hi> dagegen, wenn sie nach der zweiten Sylbe des dritten Daktylus <lb n="pgo_230.006"/> steht:</p> <lb n="pgo_230.007"/> <lg> <l>Horcht' ich der lockenden Wachtel ‖ im grünlichen Rauche der Aehren.</l> </lg> <lb n="pgo_230.008"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Voß</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_230.009"/> Ohne die Cäsur hat der Hexameter einen unorganischen, stolpernden <lb n="pgo_230.010"/> Gang. Doch kann statt dieser Cäsur auch eine Doppelcäsur nach der <lb n="pgo_230.011"/> ersten Sylbe des zweiten und der ersten des vierten Daktylus oder <lb n="pgo_230.012"/> Spondäus stehn:</p> <lb n="pgo_230.013"/> <lg> <l>Ob er zum Kampf ‖ des heroischen Lieds ‖ unermüdlich sich gürtet.</l> </lg> <p><lb n="pgo_230.014"/><hi rendition="#g">Klopstock, Goethe, Schiller</hi> haben im Deutschen die <hi rendition="#g">Spondäen</hi> <lb n="pgo_230.015"/> mit <hi rendition="#g">Trochäen</hi> vertauscht, in neuester Zeit ist man, nach dem <lb n="pgo_230.016"/> Vorgang von Voß, darin gewissenhafter und strenger geworden.</p> <p><lb n="pgo_230.017"/> Der Hexameter hat, besonders in den alten Sprachen, einen vollwogenden, <lb n="pgo_230.018"/> majestätischen Gang. Wir fahren auf ihm gleichsam hinaus <lb n="pgo_230.019"/> in das weite Meer des Lebens mit bald beschleunigter, bald verlangsamter <lb n="pgo_230.020"/> Fahrt. Dieser Vers des klassischen Volks- und Kunstepos, des <lb n="pgo_230.021"/> Homer und Virgil, wurde von <hi rendition="#g">Klopstock</hi> zuerst in Deutschland eingebürgert, <lb n="pgo_230.022"/> obwohl er den oratorischen Hymnenklängen der Messiade nur <lb n="pgo_230.023"/> mit Widerstreben sich fügte. Goethe in „Hermann und Dorothea,“ dem <lb n="pgo_230.024"/> „Reineke Fuchs“ und der „Achillëis,“ Schiller in einzelnen Distichen <lb n="pgo_230.025"/> brauchten ihn mit größerer Freiheit; strenger und kunstmäßiger behandelt <lb n="pgo_230.026"/> ihn in seiner „Louise“ und seinen <hi rendition="#g">epischen</hi> Uebersetzungen der griechischen <lb n="pgo_230.027"/> und römischen Epiker <hi rendition="#g">Voß,</hi> der Luther der Homerischen Bibel, <lb n="pgo_230.028"/> dessen Uebersetzungen so leicht kein Nachfolger verdrängen wird. Am <lb n="pgo_230.029"/> reinsten haben <hi rendition="#g">Schlegel</hi> und <hi rendition="#g">Platen</hi> den Hexameter durchgeführt; und <lb n="pgo_230.030"/> in der That darf man vom neuen Hexameter den ausschließlichen Wechsel <lb n="pgo_230.031"/> von Spondäen und Daktylen verlangen, um so mehr, als sein Reich ein <lb n="pgo_230.032"/> beschränkteres geworden ist. Denn für den epischen Vers der Neuzeit <lb n="pgo_230.033"/> kann er nicht mehr gelten; die letzten Versuche, ihn wieder einzuführen, <lb n="pgo_230.034"/> wie das idyllische Epos von <hi rendition="#g">Moritz Hartmann</hi> „Adam und Eva,“ <lb n="pgo_230.035"/> sind ohne Zweifel gescheitert. Der Hexameter hat für uns durchaus </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0252]
pgo_230.001
war die Cäsur, welche männlich heißt, wenn sie nach der ersten Sylbe pgo_230.002
des dritten Daktylus und Spondäus eintritt:
pgo_230.003
Stolberg über der Stadt ‖ am besegelten Busen der Ostsee.
pgo_230.004
Voß.
pgo_230.005
weiblich dagegen, wenn sie nach der zweiten Sylbe des dritten Daktylus pgo_230.006
steht:
pgo_230.007
Horcht' ich der lockenden Wachtel ‖ im grünlichen Rauche der Aehren.
pgo_230.008
Voß.
pgo_230.009
Ohne die Cäsur hat der Hexameter einen unorganischen, stolpernden pgo_230.010
Gang. Doch kann statt dieser Cäsur auch eine Doppelcäsur nach der pgo_230.011
ersten Sylbe des zweiten und der ersten des vierten Daktylus oder pgo_230.012
Spondäus stehn:
pgo_230.013
Ob er zum Kampf ‖ des heroischen Lieds ‖ unermüdlich sich gürtet.
pgo_230.014
Klopstock, Goethe, Schiller haben im Deutschen die Spondäen pgo_230.015
mit Trochäen vertauscht, in neuester Zeit ist man, nach dem pgo_230.016
Vorgang von Voß, darin gewissenhafter und strenger geworden.
pgo_230.017
Der Hexameter hat, besonders in den alten Sprachen, einen vollwogenden, pgo_230.018
majestätischen Gang. Wir fahren auf ihm gleichsam hinaus pgo_230.019
in das weite Meer des Lebens mit bald beschleunigter, bald verlangsamter pgo_230.020
Fahrt. Dieser Vers des klassischen Volks- und Kunstepos, des pgo_230.021
Homer und Virgil, wurde von Klopstock zuerst in Deutschland eingebürgert, pgo_230.022
obwohl er den oratorischen Hymnenklängen der Messiade nur pgo_230.023
mit Widerstreben sich fügte. Goethe in „Hermann und Dorothea,“ dem pgo_230.024
„Reineke Fuchs“ und der „Achillëis,“ Schiller in einzelnen Distichen pgo_230.025
brauchten ihn mit größerer Freiheit; strenger und kunstmäßiger behandelt pgo_230.026
ihn in seiner „Louise“ und seinen epischen Uebersetzungen der griechischen pgo_230.027
und römischen Epiker Voß, der Luther der Homerischen Bibel, pgo_230.028
dessen Uebersetzungen so leicht kein Nachfolger verdrängen wird. Am pgo_230.029
reinsten haben Schlegel und Platen den Hexameter durchgeführt; und pgo_230.030
in der That darf man vom neuen Hexameter den ausschließlichen Wechsel pgo_230.031
von Spondäen und Daktylen verlangen, um so mehr, als sein Reich ein pgo_230.032
beschränkteres geworden ist. Denn für den epischen Vers der Neuzeit pgo_230.033
kann er nicht mehr gelten; die letzten Versuche, ihn wieder einzuführen, pgo_230.034
wie das idyllische Epos von Moritz Hartmann „Adam und Eva,“ pgo_230.035
sind ohne Zweifel gescheitert. Der Hexameter hat für uns durchaus
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |